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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.09.1933
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- 1933-09-27
- Erscheinungsdatum
- 27.09.1933
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- Deutsch
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X- 22b, 27. September 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DlschnBuchhanüct. anmeldeten. Es ging hier ähnlich, wie einst mit dem deutschen Volkslied, das von uns als Beispiel zur Verdeutlichung herange zogen werden darf, da auch das deutsche Volkslied mit dem deut schen Bauerntum steht und fällt. In dem Augenblick, da das deutsche Volkslied als lebendiges Wesen »Problem- zu werden begann, da ihm die Gefahr der Entfremdung vom Volk als seinem eigentlichen Träger drohte, und da es keine andere Zukunst mehr für es zu geben schien als die eines bestaunten, überlegen be lächelten oder wehmütig betrauerten Kulturrequisits in dem vom westlichen Liberalismus bald danach in unser ganzes Volk hinein- gesetzten weitläufigen Museum sortschritts-»überwundener» Ver- gangenheitswcrte; in diesem Augenblick begannen die deutschen Dichter und Germanisten Volkslieder zu sammeln und das Volks lied literaturhoffähig zu machen. Es ist sehr bezeichnend, daß so gar das Wort »Volkslied» erst in und von einer Zeit geprägt werden konnte, die um das wirkliche Leben dieses merkwürdigen, die Gefühlswelt eines ganzen Volkes in sich bergenden literari schen Gebildes schon ernstlich Sorge tragen mußte. Man sage nicht, daß all dieses bedeutsame und behutsame Sammeln und Bewah ren des im Volke eben noch lebendigen, aber schon mehr und mehr bedrohten Liedergutes vergebliche Liebesmühe gewesen sei. Man beachte vielmehr den bedeutenden Gewinn, der unserer Literatur seitdem erwuchs aus der dauernden gegenseitigen Be fruchtung von Volksdichtung und Kunstdichtung; und man sei sich dessen bewußt, daß die heute noch unleugbar vorhandene tatsäch liche Lebendigkeit des Volksliedes, das sich dem Schlager gegen über in wachsendem Maße zu behaupten weiß, undenkbar wäre ohne die schönen und Pflegsamen Bemühungen unserer Ro mantiker um eines der Wesenhaftesten deutschen Kulturgüter. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der deutschen Landschafts und Bauerndichtung; aber eben nur ähnlich, denn dort, beim Volkslied, ging es um die Erhaltung eines schon geformten über kommenen Kulturguts; hier, bei der ums »ländliche Jahr» sich bald in immer weiteren Kreisen schließenden Dichtung lag das Problem insofern anders, als ein ganz neues, weites Stoff gebiet für die Literatur erst gewonnen werden mußte. Der Feind war in beiden Fällen der gleiche, nämlich die beginnende Zivili- sierung, Rationalisierung, Mechanisierung (nur diese häßlichen Fremdworte drücken hier das Bedenkliche der Entwicklung aus) des Lebens. Sie machten in dem einen Fall einen schon von den Jahrhunderten her überlieferten Kulturbesitz fragwürdig; und sie bedrohten in dem anderen die für das Leben künftiger Jahrhunderte notwendigste Kulturgrundlage: die Land schaft und den Menschen als Teil der Landschaft. Die Stadt, die Großstadt zumal, wird auch für Werte der Zivili sation, des Geistes, der Kultur immer nur Umschlagsplatz sein können. Quelle und Hort kultur wirkender Kräfte da gegen wird immer die Landschaft sein — und bleiben müssen! Wir können den großen Generalbeweis für diese Behaup tung mit den Händen greifen, wenn wir die Lebenszustände des deutschen und französischen Volkes miteinander vergleichen: der durch die Zentralisierung, man möchte fast sagen Verparisung bedingten kühlen Uniformierung des französischen Kulturlebens, das der steten, schöpferisch unruhigen Durchdringung vom Land schaftlichen her so gut wie vollständig ermangelt, steht die bunte, blutwarme Mannigfaltigkeit des deutschen Kulturschaffens gegen über, in der das Eigenleben unserer Kulturlandschaften in unab lässigen Strömen zueinanderfließt, — ein ewiger, lebendiger Kreislauf, aus dessen Bahnen das Ungesunde, Unechte auf or ganischem Wege immer wieder sich selbst ausscheidet. Eine erste Gefahr reckte sich hier hoch, als die Städte ihre alten Mauern sprengten und die Maschine ihre Herrschafts- ansprüche anmeldete. Nun wurde von einigen deutschen Dich tern die besonders geartete Lebensgesetzlichkeit des seiner Land schaft schicksalsmäßig verhafteten Menschen ausgespürt: dasDvr f, der Acker, der Bauer: sie wurden zu einem »Stoff», der den Dichter in seinen Bann zwang. Jmmermann schrieb seinen »Oberhof», das erste bedeutende Werk in der langen Reihe der Bauernromane. Dann kam Jeremias Gotthelf und Peter Rosegger, die in weitgehendem Maße auf dem Boden lehr hafter Bemühungen stehen, deren Werk vor allem erfüllt ist von der tiefen Sorge um die Erhaltung des ländlichen Le benszustandes, der von den Auswirkungen des Fabrikgeistes her schwer bedroht wird. Bald zweigen nun von der Hauptlinie land schaftlicher, bäuerlicher Dichtung eine Reihe einzelner Ent- wicklungslinien ab. Aus der breitesten dieser einzelnen Linien verläuft die Entwicklung der Heimatkunst, auf die wir uns hier aus guten Gründen ein näheres Eingehen versagen müssen. Ein anderer Zweig der bäuerlichen Dichtung kommt aus dem Wissen um die besonderen wirtschaftlichen Verhält nisse, in die der Bauernstand in den letzten Jahrzehnten hinein gedrängt worden ist, also aus dem Wissen um die materielle Not des deutschen Bauerntums, die sich bis vor kurzem zu einer all gemeinen Bolksnot größten Ausmaßes auszuwachsen drohte — erst das Bekenntnis Adolf Hitlers zur Rettung des deutschen Bauerntums und das umfassende Bauernprogramm seines Ver trauensmannes Walter Darre wurden hier der Anfang einer entscheidenden Wendung zum Besseren. Eines der stärksten Bü cher dieser Richtung besitzen wir in dem großen Roman »Der Büttnerbauer- von Wilhelm von Polenz, dessen künstlerisches Niveau seitdem nur von wenigen Werken der gleichen Gruppe erreicht werden konnte. Die Vielfalt der einzelnen Richtungen neuer Bauern dichtung läßt sich heute in zwei große Hauptgruppen zusammen fassen. Die eine — umfänglichere — Gruppe wird von Werken gebildet, in deren Mittelpunkt vornehmlich das Einzel- schick s a l, sei es das Schicksal eines einzelnen Menschen, einer Familie oder einer Geschlechterfolge, steht, und zwar in seiner unlöslichen Verbindung mit der Landschaft, der seine Träger zu gehören; in dem Hineingeborensein in landschaftliche Zusammen hänge, die reich sind an Konfliktmöglichkeiten sowohl für den Menschen, der ihre Gesetze erfüllt, wie für den, der sie stört. Die zweite — kleinere — Gruppe umschließt Gestaltungen des allgemeinen Schicksals, das Erde, Landschaft — »Blut und Boden» dem Menschen bedeuten; Schöpfungen eines neuen Lebensmythus, der aus dem Verhängnis der Zivilisation Wege sucht in ein neues, den Urkräften der Erde zugekehrtes Sein. In den Dichtungen der ersten Gruppe spielt neben der bloß bejahenden Hervorkehrung der bäuerlichen Lebensform eine bedeutsame Rolleauch die bewußte Ablehnung der städtischen Lebensform. Hier wird mit Absicht die tiefe Kluft sichtbar gemacht, die heute ländliches und städti sches Fühlen, Denken und Handeln trennt — die Kulturferne der Städter wird gegeißelt, oft freilich in einseitig überspitzter Betonung der Schattenseiten städtischen und der Lichtseiten länd lichen Lebens. Klar und leidenschaftslos ausgedrückt finden wir die städtische Fühlweise in einem noch ungedruckten Werke des bisher wenig bekannten Dichters Ludwig Tügel, der den Zwie spalt beider Arten in sich selbst ausgetragen hat: »Mit diesem großen Himmel über uns, mit dieser endlosen Weite, in die wir gestellt sind, mit dieser Erde, die uns täglich an den Stiefeln kleben bleibt, die wir in alle unsere Stuben tragen: hier sind Dinge möglich, die in eine Stadt nicht hineintaugen, die dort verkehrt, Sünde sind. Hier bei uns auf dem Platten Land gibt's noch einen persönlichen Teufel. In der Stadt zwischen all der Zivilisation nicht mehr. Aber hier bei uns ist er noch lebendig. Und da, wo er aufhört, da fängt Gott an. Und das ist die Sünde, die in den Städten wächst, kein Kind mehr zu sein, es den Menschen unmöglich machen, zeitlebens ein Kind im Schlechten und Guten zu sein. Da hört die Natur auf, da ist die Sünde nicht großartig, sondern böse. — Da ist kein Teufel mehr und kein Gott; und das Gute, das geschieht, ist gedacht, aber nicht getan.» Die Grundmelodie aller dieser Werke (— z. B. um nur ein paar Beispiele zu nennen — Hermann Löns: »Der letzte Hans- bur», Ina Seidel: Brömseshof», Hermann Eris Busse: »Das schlafende Feuer», »Marius und Sixta», »Der letzte Bauer« »Schwarzwaldtrilogie», Peter Dörfler: »Die Lampe der törich ten Jungfrau», »Apollonias Sommer«, »Um das kommende Ge schlecht», Ludwig Thoma: »Der Ruepp-, »Der Wittiber«, »An dreas Vöst-, Ludwig Anzengruber: »Der Sternsteinhos» und »Der Schandfleck«, Alfred Huggenberger: »Die Bauern von Steig» und »Die Frauen von Siebenacker», Gustav Sonder- 737
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