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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1883
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1883-04-25
- Erscheinungsdatum
- 25.04.1883
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- Deutsch
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von der beabsichtigten Erhebung eines Zolls ans sämmtliche aus ländische Bücher einen gänzlichen Rückgang des Geschäfts herbei zuführen — so sollte der livländische Buchhandel den Barbarismus der russischen Regierung doch noch in weit empfindlicherem Maße kennen lernen. In den ersten Tagen des Juli 1849*) trafen in Riga ein: der Collegienrath Grigorjew und der GensdarmenobristS tanke- witsch, ersterer vom Ministerium des Innern, letzterer von dem Chef der Dritten Abtheilung mit dem Aufträge betraut, die aller strengste Revision sämmtlicher Riga'schen Buchhandlungen und Leihbibliotheken vorzunehmen und auf alle sich in denselben vor findenden verbotenen Bücher Beschlag zu legen. Die genannten Abgesandten des Grafen Perowski und des mit der zeitweiligen Verwaltung der Gensdarmerie betrauten Kriegsministers Fürsten Tschernyschew meldeten sich bei dem Generalgouverneur Fürsten Suworow mit dem Ersuchen, ihnen zur Theilnahme an der ihnen aufgetragenen Untersuchung außer einem Beamten Sr. Durchlaucht einen der örtlichen Censoren und ein Glied des Riga'schen Raths beizuordnen. Dies geschah, indem Fürst Suworow den Collegienrath v. Brevern (späteren Civilgouverneur von Kurland) delegirte, seitens der Censur aber Hofrath Blagoweschtschensky (später vr. Krohl) und seitens des Magistrats der Polizeiassessor, Rathsherr Hehl zu Mitgliedern der Untersuchungscommission erwählt wurden. Zu derselben Zeit trafen auch in Dorpat, wo ihrer bereits der Collegienassessor Schmitt harrte, zwei Beamte, der Collegien- assessor Sorokin und der Gensdarmenobrist Wassiljew aus St. Petersburg ein. Sofort nach ihrer Ankunft, am 8. Juli, um 11 Uhr Abends, wurde unter Mitwirkung des in der Universitäts stadt residirenden Gensdarmerie-Stabsoffiziers Schtscherbatschew die Versiegelung der Buchhandlungen von E. I. Karow, Franz Kluge und Model, sowie der Raupach'schen Leih bibliothek vorgenommen. Da durch einen Specialbefehl des Generaladjutanten Dubbelt (Vicechefs der Gensdarmerie) aus drücklich vorgeschrieben war, einen Censor oder Universitäts- Professor zur Theilnahme an der Untersuchung aufzufordern, diese Herren aber der Ferien halber sich auf dem Lande befanden, so mußte die geplante Bücherrevision einstweilen vertagt werden. Ein Brief des erwähnten Beamten Schmitt vom 10. Juli meldet: „Morgen wird der vom Curator bestimmte Professor Samson eintreffen und dann kann die Untersuchung beginnen, welche, wie man allgemein glaubt, für die hiesigen Buchhändler nicht günstig ausfallen wird. Der Curator, General v. Craffström, an den ich mich gewandt, ist der Ansicht, daß der abzuordnende Professor gar keine Kenntniß von den Geschäften haben kann, indem bei der Universität zwar eine Censur für inländische, nicht aber für ausländische Schriften besteht, mithin kann man sich nur nach den, über verbotene Bücher vorhandenen Verzeichnissen richten. Nach einem Aufträge des Grafen Perowski müssen auch die Handlungs - bücher und die Correspondenz der Buchhändler durchgesehen werden, und da sowohl diese, als auch die meisten Schriften deutsch sind, so habe ich das schwerste Geschäft. — An Sorokin habe ich einen tüchtigen, mit vernünftigen Ansichten ausgerüsteten Gehilfen, von dem Herrn Obrist (Wassiljew) aber kann ich nur sagen, daß er zu den Leuten gehört, welche ungewöhnlich schreiblustig sind und die das liebe Ich nicht genug hervorzuheben wissen. Wir wer den uns ganz gewiß gut vertragen und als die besten Freunde trennen." Diese Voraussetzung, falls sie überhaupt ernsthaft gemeint war, hat sich nicht erfüllt: in der Folge ist es zu wiederholten Kon flikten zwischen den Abgesandten des Generalgouverneurs und dem *) Die nachfolgende Darstellung beruht vornehmlich auf den hinter- lassenen Aufzeichnungen eines bei der Revision betheiligten Beamten. des Gensdarmenchefs gekommen, weil Oberst Wassiljew einerseits in gewisse Competenzen des Dorpater Raths hineingriff, was ihm einen Verweis eintrug, andererseits das ihm übertragene Revisions geschäft mit einer Langsamkeit und Schwerfälligkeit betrieb, die zu vielfachen Klagen Anlaß gab. Was das Ergebniß der vom 11. bis zum 28. Juli geführten Dorpater Untersuchung betrifft, so war die Zahl der in den Buch handlungen vorhandenen und von der Commission als staatsgefähr lich bezeichneten Bücher recht beträchtlich. Es fanden sich: verbotene: zum Theil, d. h. nach Entser- nung anstößiger Stellen erlaubte: verdächtige Bücher, die in den Eenlurlisten nicht angeführt waren: in der Model'schen Buchh. 153 52 7 „ „ Kluge'schen „ 236 175 40 „ „ Karow'schen „ 115 151 86 „ „ Raupach'schen Leih- bibliothek . . . . 44 77 14 Im Ganzen 548 455 147 1150 Außerdem wurde constatirt, daß 102 verbotene Bücher ver schiedener Art erst vor kurzem verkauft worden waren. Diese in thunlichster Eile wiederum zu beschaffen und der Gensdarmerie zu zustellen, mußten sich die betreffenden Buchhändler durch ein besonderes Reversal verpflichten.*) — Soweit bekannt, wurden übrigens sämmtliche confiscirten Bücher durch den Obrist Wassiljew nach St. Petersburg transportirt, wo sie vielleicht noch heute in irgend einem der vielen Räume des Hauses der ehemaligen Dritten Abtheilung verborgen find. Bon den in Dorpat saisirten Büchern bestand der größte Theil in Romanen; was sonst als „gefährlich" bezeichnet war, bildeten die Werke Louis Blanc's, Proudhon's, Lamartine's, Maltitz', namentlich Thiers' besonders verpönte Geschichte des Kaiserreichs, Heyne's Geschichte Napoleon's, Heine's Atta Troll, Krummacher's Zeitpredigten, der Kladderadatsch und der Nürn berger Trichter, welche Zeitschriften „in beleidigenden Ausdrücken von Sr. kaiserlichen Majestät zu reden sich erdreistet hatten". Die Perlustration der Geschäftsbücher der Kluge'schen und Karow'schen Buchhandlungen erwies, daß letztere in den Jahren 1848 und 1849 verbotene Bücher nicht allein in Dorpat und dessen Umgegend verkauft, sondern auch nach vielen anderen Ort schaften Livlands und nach St. Petersburg, Moskau, Orel, Pleskau, Wologda, nach dem Gouvernement Wolhynien u. s. w. versandt hatten. — Als Curiosum sei noch bemerkt, daß die Untersuchnngs- commission in einem, 1839 mit obrigkeitlicher Genehmigung in Dorpat gedruckten Leihbibliothekkatalog ebenfalls verbotene Bücher verzeichnet fand, die der Besitzer der Bibliothek als bestens approbirte anzusehen gewiß allen Grund hatte. *) In einem Falle wurde, nachdem die Untersuchung beendet war, vom Minister des Innern ein besonderes Verfahren beliebt. Aus den Geschäftsbüchern einer Dorpater Buchhandlung war von der Commission das Factum zu Protokoll genommen worden, daß der in Pernatt lebende Doctor Schoeler „ein Journal von der schlimmsten Tendenz", benannt: „Der Nürnberger Trichter" aus Dorpat bezogen habe. Das Ministerium ordnete die Entsendung eines besonderen Beamten an, der sich zum Zwecke der Durchsuchung der Papiere und Bücher des 1)r. Schoeler nach Pernau zu begeben und im Auffindungssalle das ge nannte Journal abzunehmen hatte! Mit dieser Specialmission ward der Lieutenant v. Mörder bettaut, der sich deS ihm ertheilten Auftrages übrigens mit anerkennenswerther Delicatesse entledigte.
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