Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.08.1935
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- 1935-08-06
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- 06.08.1935
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Fi 180, 6. August 1835. Redaktioneller Teil Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. Übung bedürfen. Ich habe gefordert, daß der Nachwuchs der Presse und des Buchhandels in den Ausbildungsstätten auch für die Er tüchtigung im Besprechungsvorgang hcrangebildet wird. Für den Buchhandel wäre in den letzten Abschnitten der Ausbildung der Waschzettel und seine Abfassung als Unterrichts- und Prüfungs- gcgcnstand nachdrücklich zu empfehlen. Anders ist es mit den »Aus gelernten«: hier müssen völlig neue Regeln erworben werden, und wenn sie erworben sind, müssen sie fleißig geübt werden, daß sie nicht verfallender Besitz werden. In dieser Beziehung sollte der Ruf Meyer-Christians nach Betätigung der ständischen Gerichte gegen den Waschzettel-U nfug eine maßgebliche Warnung sein. Eine andere muß in dem güte- und mengcmäßigen Rückgang unserer Buchproduktion erblickt werden. Beides hängt zusammen, wenn auch andere Ursachen noch hinzukommen. Jedenfalls: der falsch gerichtete Waschzettel hat dem Schrifttum geschadet. Das steht fest. Auch wenn ganz witzige Kopse auf solche Art und Weise mal einen Buchersolg erzielt haben: es geschah auf Kosten der Allgemeinheit, und früher oder später müßte bei Fortsetzung dieser Gebräuche jeder darunter leiden. Es darf nicht dahin kommen, was Spengler ankündigte: daß es besser sein könnte, einen Flugzeugmotor zu konstruieren als ein Buch zu schreiben. Beides ist not, am ehesten bei diesem Volke der Dich ter und Denker und — Soldaten: ohne die volle geistige Kultur müssen die technischen Fähigkeiten Nachlassen, um schließlich ganz zu versiegen; denn so sind sie geworden, so bleiben sie stark, ohne sie müssen sie aus naturnotwendigen Gegebenheiten verkümmern. Macht uns das deutsche Schrifttum stark! KurtO. Fr. Metzner. Der Waschzettel vor dem Ehrengericht Der Artikel in Nr. 170 des Börsenblattes kann, obwohl Ab druck aus anderer Quelle, nicht ohne Erwiderung bleiben. Solche Überspitzungen schassen mehr Verwirrung als Klärung. Auf den Waschzettel wird nun gewissermaßen alles, was am Besprechungs wesen auszusetzen ist, konzentriert. Dadurch wird das ganze Pro blem, wie es die neue Besprechungsverordnung erstmals praktisch anpackt, veräußerlicht und es wird dabei wohl auch Ursache und Wirkung verwechselt. Auch der Waschzettel ist doch seinerzeit aus vernünftigen und zweckmäßigen Erwägungen heraus entstanden und muß viele Praktische Vorzüge besessen haben, daß er eine so allgemeine Einrichtung werden konnte. Nicht der Waschzettel-Ab druck gehört vor das Ehrengericht, wie der Verfasser des Artikels behauptet, sondern journalistische Grundhaltungen, die dem Schristleitergesetz widersprechen, für die aber eine solch harmlose Angelegenheit niemals zum Maßstab genommen werden kann. Welche Verhältnisse haben denn zum Schristleitergesetz ge führt? Wir alle erinnern uns noch der in den Weimarer System jahren blühenden organisierten Verwendung einer großenteils in fremden Händen liegenden Presse im Kampf um die innere Zer setzung des deutschen Menschen und deutschen Volkes; wir wissen, daß dabei auch das Feuilleton und der literarische Teil ihre be sondere Aufgabe hatten, wenn darin systematisch und zielsicher solche Bücher hochgelobt wurden, die deutscher Wesensart wider sprachen; wir haben das literarische Cliquenwesen, die vielfachen Bindungen zwischen Schriftleitern und Schriftstellern und die Auswirkung dieser Verhältnisse in der Presse noch nicht vergessen. Es kann daher auch keine Frage sein, welche Zustände, welche Ge sinnungen in 8 13 und 8 >4 des Schriftlcitergesetzes angcprangcrt werden und für alle Zukunft dadurch ausgcschaltet sein sollen. Was aber hat mit alledem der Waschzettel zu tun? Sind viel leicht Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Remarque usw. mit dem Waschzettel dem deutschen Zeitungslcser aufgejchwätzt worden? Es wäre also doch wohl an der Zeit, die Waschzettelfrage, wenn man schon ihr eine so große Bedeutung beimessen will, daß deswegen sogar Ehrengerichte bemüht werden sollen, mit ruhigem Blut als eine rein technische Frage zu betrachten und alle anderen Momente, die auf einer höheren Ebene liegen, endgültig dabei auszuschalten. Eine Frage an den Verfasser des Artikels: Wieviel Prozent der deutschen Verleger bringen wohl Waschzettel heraus, wie er als Muster angibt — mit der ziemlich deutlichen Unterstellung, in diesem Beispiel ohne weiteres den Normaltyp des deutschen Waschzettels sehen zu dürfen? Der Verleger hat in Wirklichkeit wenig Interesse daran, seinen Verlagskindern auf dem Weg zur Presse »Hymnen» mitzugcben, »die der Vcrlagspropagandist singt«. Der gute, mit Liebe und Verständnis ausgearbeitete Waschzettel ist nichts anderes als eine Eigenbesprechung des Verlegers über sein Werk, er trägt, nach den gleichen Grundsätzen aufgcbaut, darum durchaus den Charakter einer individuellen Würdigung. Von mancherlei Rezensionen unterscheidet er sich allerdings zu seinem Vorteil dadurch, daß er auf einer sehr viel eingehenderen und liebevolleren Beschäftigung mit einem Buch beruht als diese. Er orientiert den Leser sachlich über Inhalt, Grundcharakter und Leseranspruch seines Objektes. Wenn er lobt, begründet er — er 634 dient in jedem Falle dem Buch und dem Autor, niemals aber der selbstgefälligen Eitelkeit und billigen Geistreichelei jener Sorten von Rezensenten, die Metzner in seiner Broschüre »Geordnete Buchbesprechung» treffend kennzeichnet. Wer aus der Praxis die mannigfachen schiefen Urteile kennt, die sich allein daraus ergeben, daß der Rezensent sich überhaupt nicht mit dem befaßte, was der Verfasser selbst mit seinem Buche wollte, wird auch die weitere Aufgabe des Waschzettels verstehen, dem Begutachter Hinweise wegen der richtigen Ausgangs- und Blickpunkte für die Wertung eines Werkes zu geben. Ein in diesem Sinne abgcfaßter Wasch zettel kann und wird aber nicht selten im ganzen oder in einzelnen Teilen sogar die glücklichste Formulierung dessen darstellcn, was zu einem Buch gesagt werden kann. Denken wir doch real! Selbstverständlich ist der Waschzettel niemals das Nonplusultra der literarischen Kritik. Aber: die ein gehende Beschäftigung mit einem Buch, die Formulierung eines eigenen Urteils kosten sehr viel Zeit, die nicht immer zur Ver fügung steht, sehr viel Arbeit, die nicht immer geleistet werden kann. Andererseits ist der Umfang der deutschen Buchproduktion so groß, ihre Ausgabezeiten sind so sehr jahreszeitlich gebunden, daß es völlig unmöglich ist, allen neuen Büchern, die an sich der Beachtung und Anzeige wert wären, diese Zeit und diese Arbeit zu widmen, vor allem in der Mittelpresse, der die Möglichkeiten einer beschränkten Anzahl von Großstadtorgancn nicht zur Ver fügung stehen. Und doch sollte gerade die Buchbesprechung immer mehr in den großen Rahmen der deutschen Gesamtprcsse hinein wachsen und so auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden. So wird immer und immer wieder eine Einteilung, also eine Teilung in Bücher erster und zweiter Ordnung in der Praxis unvermeidlich sein, soll nicht eine Einengung des Besprechungs wesens erfolgen, die weder zu der Vielfalt des geistigen Levens und der Interessen des deutschen Zeitungslesers noch auch zur Fülle und dem Reichtum des deutschen Schrifttums auf allen Gebieten des Schönen und des Wissens sich schicken würde. Und für diese Bücher zweiter Ordnung wird der Waschzettel, darf der Wasch zettel niemals ganz seine besondere, richtig verstandene Aufgabe verlieren. Oder sollen diese Bücher alle unter den Tisch fallen, nur weil der Schriftleiter nicht die Möglichkeit hat, außer der Zeit für die Durchsicht eines Buches auch noch die Zeit für die Aus arbeitung eines sorgfältigen Referates aufzubringcn oder weil ihm keine geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen, auf die er als der Letztverantwortliche sich nach Inhalt und — gemäß den neuen Bestimmungen — auch in bezug auf den Zeitpunkt der Abliefe rung ihres Referates verlassen kann? Nein! Der Waschzettel an sich ist weder gut noch schlecht, sondern wir, die wir ihn ausarbeiten, und jene, die ihn verwenden, müssen beide auch dabei das Gefühl der ihnen durch die gemein same Reichskulturkammergesetzgebung zugewicscnen Verantwor tung haben. Nicht umsonst hat doch wohl diese Gesetzgebung soweit als überhaupt möglich davon abgesehen, leere äußerliche Regeln und Vorschriften zu geben, und hat dafür Grundsätze des Handelns ausgestellt. Folge» wir diesen Maximen, dann wird dem Streit um den Waschzettel durch eine sinngemäße Handhabung ohne weiteres der Boden entzogen und diese Frage am besten gelöst sein. K. R. E n g e l h a r d t.
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