^ 23«, 2. Oktober 1928. Fertige Bücher. Börsenblatt f.b. Dtschn.Buchhandel. 8229 Löi'i'iss voll dlüliolilloussn in clsi- Vsulsclisn /Ulgemeinsn Teilung vom 20. Ssplsmbsi" 1S2S Georg Langer ein neuer Volkserzähler von Börnes Frhr. von Münchhausen (auszugsweise) In die Reihe der Volkserzähler tritt der Mann, dessen Name über diesem Aufsatz steht. Aber ehe ich über ihn spreche, muß ich vorher sagen, daß Volkscrzählungskunst durchaus nicht, wie die Halbgebildeten gern glauben, eine billige, sozusagen halbwertige Kunst ist. ... Wenn ich also Georg Langer zur Gruppe der Dichter für unser Volk zähle, so meine ich damit, daß nicht spitzfindige Redereien und erklügelte Seelenaufpeitschungen, sondern leuchtendeFabulier- freude ihm die Feder führen. Daß seine Sprache nicht geschraubt auf den Stelzen eines imitierten geheimrätlichen Goethe, oder eines Georgeschen Barock einherstolziert, sondern klar, edel-gefügt und natürlich ist. Daß er sich nicht überschlägt und übergibt in dem wilden Drang, höchlichst modern und niedagewesen zu sein, sondem daß er kein Hehl daraus macht, wie er gleich allen Künstlern auf den Schultern älterer Meister steht. „Christel Matems weiße Seele" ist trotz der oft novellistischen Form der Darstellung ein echter Roman, d. h. die Entwicklung einer Seele. Ein fast unnatürlich reines, d. h. liebesfeindseliges Mädchen wird zunächst durch einen gewaltsam geraubten Kuß, dann aber durch ein scheußliches an ihm verübtes Verbrechen soweit zurecht gerückt, daß sie in diese Welt paßt. Ihre Reinheit in — darf ich sagen, im Sinne des Mädchenhandels — hat sie verloren, aber ihre seelische Reinheit ist ihr geblieben und tut echte Wunder nach wie vor. Sie bittet den Verbrecher aus dem Gefängnis los, macht ihn zu einem gesitteten Mann und heiratet ihn und man weiß genau, daß das reine Christel rein sein wird, auch wenn sie dem wilden Alfred zehn Kinder gebiert. Wesentlich an Lanzers Art ist sein entzückender Humor, der kaum an den tragischen Stellen schweigt. Eine Fülle lustiger Vergleiche und Bilder belebt Seite für Seite und ist besonders reich über die Ncbengestalten verstreut. Der „Richter Wichura" ist wie die „Christel Matern" ein schlesischer und ein echter Iuristen- roman, und das hat seine guten Gründe. Denn Dichten heißt (aus einem gewissen Schalkseckchen heraus bettachtet) eigentlich: immerzu aus subjek tiver Not eine objektive Tugend machen. Georg Langer ist Schlesier und ist Richter / And sogar die Verlegung seines „Wichura" in das tolle Jahr 48 und die Form der Autobiographie hat sehr feine und tiefe Gründe. Aegidius Wichura wird als Pattimonialrichter von einem polnisch deutschen Edelmann auf seine schlesische Herrschaft berufen, erlebt die Aushebung der Erbgerichts barkeit und ist schließlich Amtsrichter in Leob- schütz, — das ist sein Weg als Beamter. Wich tiger aber als seine äußere Beamtenlaufbahn und als seine Liebeserlebniffe ist das richterliche Seelen leben des prächtigen und rauhen Mannes, ist seine überschwengliche Kinderliebe und ist seine Freund schaft zu dem ganz einzigen Priester, den er in seiner Einsamkeit findet.... Die Hauptsache aber ist dies, daß wir hier wieder einmal einen echten Dichter am Werke sehen. Wunderfein ist das Buch ausgebaut: die drei Frauen, die drei männlichen Hauptgestalten, die Kinder und ihrer aller Beziehung zueinander. And dabei doch ein ganz lebendiges Bild der Landschaft, der Ge schichte und der Amwelt des tollen Jahres in Schlesien. (Das Buch ist das gegebene Geschenk für einen Richter.) Nergsladtvevlag WM. Gottl. sroen» Breslau I