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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.03.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-03-27
- Erscheinungsdatum
- 27.03.1909
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- Deutsch
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gesetzlichen Sonntagsruhe nicht mehr und ist wohl auch früher nur selten gewesen. In Sortimenten und Kommissionsgeschäften ist die Arbeitszeit etwas länger: Schluß im Sommer gewöhnlich >/z7 Uhr, im Winter um 7 Uhr, bei gleichem oder etwas früherem Anfang, sedoch nie vor 8 Uhr. Nur große internationale Sorti mente an sehr verkehrsreichen Straßen halten länger offen, zu weilen bis etwa 10 Uhr abends, aber immer mit abwechselndem Personal. Das Verhältnis zum Chef ist nach den Erfahrungen, die ich machen konnte, meist ein sehr gutes. In großen Verlagshäusern, wo alles nach der Maschine geht, wird der ausländische Gehilfe den Chef überhaupt nur selten zu Gesicht bekommen und wird, wenn er z. B. den Vertrieb ins Ausland zu besorgen hat, ganz auf sich selbst angewiesen sein. Gerade in solchen Häusern wird nran fast nie einen deutsch sprechenden Kollegen finden, und wenn der betreffende Gehilfe dann nicht sehr gute französische Vor kenntnisse hat, so dürfte es ihm schwer fallen, vorwärts zu kommen oder sich auch nur zu halten. Ebenso läßt sich das Verhältnis zu den französischen Kol legen in dem betreffenden Hause bei einigeni guten Willen durch weg recht gut gestalten, unter der Voraussetzung allerdings, daß der vielleicht eben erst angekommene ausländische Gehilfe keine Politik treibt und über französische Zustände und Verhältnisse, die er noch nicht richtig beurteilen kann, sich kein abfälliges Urteil er laubt. In politischen Sachen ist der Franzose empfindlich, und man wird gut tun, im Gespräch mit den Kollegen, im Restaurant oder anderswo, diesen Punkt lieber nicht zu berühren. Auch im Verkehr mit dem Packpersonal ist es empfehlenswert, immer daran zu denken, daß wir in Frankreich in einer Republik leben, in der wir Gastrecht genießen, und daß die Ausläufer und Packer keine untergeordneten Wesen sind, sondern gleichberechtigte Angestellte ein und derselben Firma, die unter allen Umständen ein Anrecht auf die Anrede »Noimieur« haben, ganz ebenso wie der Chef. Außer mit den Kollegen des eigenen Hauses wird der Ausländer mit anderen französischen Gehilfen so gut wie gar nicht in Be rührung kommen; auch die Beziehungen zwischen dem einzigen hier bestehenden französischen Gehilsenverein mit dem ausländi schen sind gleich Null. Sonst ist aber der Verkehr mit den eigent lichen Kollegen sehr angenehm, wenn man es versteht, sich mit ihnen zu stellen. Meist wird man ältere Leute finden, die schon in jüngeren Jahren in die Firma eingetreten sind, sich jung ver heiratet haben und nicht selten ihr ganzes Leben lang an der gleichen Stelle bleiben, bis ihnen der Tod eines ihrer Kollegen ein weiteres Aufrücken erlaubt. Sie sind durchweg freundlich und liebenswürdig im Verkehr und können einem besonders beim Er lernen des Französischen oder von beruflichen Fachkenntnissen sehr- große Dienste leisten. Gelegenheit zum Erlernen der Sprache gibt es überall; aber man muß diese Gelegenheit auch suchen und sie benutzen, wenn sie sich bietet, denn sonst wird man finden, daß man auch nach jahrelangem Aufenthalt in Paris noch nicht imstande ist, sich glatt und fließend auszudrücken oder gar einen fehlerlosen Brief zu schreiben. Sehr zu empfehlen ist ein näherer Anschluß an den jenigen französischen Kollegen im Geschäft, dessen Art einem am meisten zusagt, und bei dem liebenswürdigen und zuvorkommen den Charakter der Franzosen wird ein solcher Anschluß nicht schwer fallen. Eine ausgezeichnete Übung ist auch die tägliche Lektüre irgendeiner Pariser Zeitung, an deren Einteilung und Stil man sich bald gewöhnt, und die man schon deshalb lesen sollte, um über die Tagesereignisse der Weltstadt genau unter richtet zu sein. Ein ebenso gutes, aber leider ziemlich teures Mittel ist der Besuch eines der vielen Pariser Theater, und unter diesen besonders des »Illsstrs brun^uis«, das außer der prak tischen Übung auch noch einen hohen künstlerischen Genuß bietet. — Neben allen diesen Mitteln ist es am einfachsten und besten, sich einen sogenannten »Sprachenaustausch« zu suchen, in der Art, daß man einem jungen Franzosen deutsche Konversationsstunden erteilt und dafür mit ihm französisch spricht. Wenn man keine geeignete Persönlichkeit dafür findet, so hilft eine Anfrage in dem schon erwähnten französischen Gehilfenverein, der »^Wociution amicale«, von deren Mitgliedern bestimmt Offerten eingehen wer den, im schlimmsten Falle eine kleine Annonce im »jourrmlr oder »lVlatin«. Auch sonst sollte man sich keine Gelegenheit entgehen lassen, irgend ein französisches Gespräch anzuknüpfen, sei es mit dem Kellner im Restaurant oder mit dem Kutscher im Omnibus; Anstoß wird man auch beim stärksten Radebrechen kaum erregen. Damit will ich durchaus nicht sagen, daß man in Paris alles Heimatliche abstreifen und nur noch »französisch« leben soll; es wird niemandem etwas schaden, wenn er mit deutschsprechenden Freunden oder Bekannten einen Sonntagsspaziergang unternimmt, oder, wenn er Lust danach empfindet, auch von Zeit zu Zeit ein mal in den ausländischen Buchhandlungsgehilfenvereiu geht, wo durch die Freigebigkeit deutscher Verleger die heimatlichen Zeit schriften in ziemlicher Vollzähligkeit aufliegen. Nur sollte man sich davor hüten, daß nicht der deutsche Umgang zum Nachteil des französischen vorherrschend wird, denn das wirkliche, gute Fran zösisch, nicht das notdürftigste Radebrechen, lernt sich viel schwerer, als man glaubt. Auf welches Einkommen darf nun der ausländische Gehilfe in Paris rechnen, und welche Aussichten bieten sich ihm für ein weiteres Fortkommen? In bezug auf das Gehalt hat zwar die »Allgemeine Vereinigung Deutscher Buchhandlungsgehilfen« in ihrer Mindestgehaltstabelle den Betrag von 175 Frcs. »festgesetzt«, aber doch möchte ich jedem, dem eine Stelle mit 150 Frcs. Anfangsge halt oder gar noch weniger angeboten wird, sehr angelegentlich empfehlen, sofort zuzugreifen, denn sonst finden sich gleich 30 oder 40 andere Bewerber, die den Posten zu den genannten Bedingungen mit Freuden übernehmen würden. Jedenfalls dürste das von der Allgemeinen Vereinigung genannte Minimum von 175 Frcs. neu ankommenden, jüngeren Gehilfen im Alter von 22 bis24 Jahren als Anfangsgehalt so gut wie nie geboten werden, nicht in einem Falle unter hundert. Mit 150 Frcs. kann sich ein junger Gehilfe, wenn nicht gerade in der ersten Zeit Anforderungen auf Erneuerung seiner Garderobe an ihn herantreten, schlecht und recht in Paris durchschlagen, und ist'er wirklich tüchtig, so bekommt er auch bald mehr. Große Sprünge wird man dabei natürlich nicht machen können; aber Paris bietet selbst für den verwöhntesten Großstädter so viel Neues und Interessantes, daß man sich für einige Zeit schon mit einem etwas knappen Gehalt begnügen kann, das übrigens für junge Gehilfen, von denen hier die Rede ist, kaum ge ringer ist als das in Deutschland übliche. Auch ist Paris nur wenig teurer als andere Großstädte, und der Grund dafür, daß man hier mehr Geld braucht als anderswo, liegt nur darin, daß in Paris die Gelegenheit und die Versuchung zum Geldausgeben sehr viel größer ist als in anderen Städten, — das steht sogar im Baedeker. Aber es gibt so viel in Paris, das auch mit geringen Mitteln genossen werden kann. Bei einem abendlichen Spazier gang über die großen Boulevards oder sonst in verkehrsreichen Straßen kann man das berühmte Pariser Straßenleben, das wohl in keiner andern Großstadt so bunt und so abwechslungsreich ist wie hier, in seiner ganzen Vielgestaltigkeit beobachten; Sonntags ist bei gutem Wetter ein Spaziergang in die Champs Elysses oder in den Lois cls Loulogne zu empfehlen, bei schlechtem die Be sichtigung irgend einer der zahlreichen Sehenswürdigkeiten in Paris oder der Besuch eines Museums; alles dies bietet viel und kostet gar nichts. Die große Mehrzahl aller herkommenden Gehilfen betrachtet Paris nur als Durchgangsstation nach London oder anderswohin, und bleibt zu wenig hier — meistens nur 1 bis 2 Jahre —, als daß eine nennenswerte Gehaltserhöhung gerechtfertigt wäre. Diejenigen aber, die hier bleiben wollen, können nach einigen Jahren, wenn sie den Geschäftsbetrieb und die Sprache ganz beherrschen, auch andere Ansprüche machen, und können sich durch Fleiß und Arbeit, die beide auch in Paris sehr geschätzt sind, in verhältnis- 495»
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