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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.04.1911
- Strukturtyp
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- 1911-04-10
- Erscheinungsdatum
- 10.04.1911
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In späteren Jahren führte sie ihr angegriffener Gesundheitszustand nach Marienbad zur Kur, wohin ihr Bruder sie begleiten mußte, um alle fernzuhalten, die sich ihr nähern wollten, da sie gar bald der Gegenstand allgemeinster Aufmerksamkeit war Wofür in aller Welt, dachte ich, können diese Fremden mich halten? Ja, diese Frage wurde mir erst im dritten Jahre meines Aufenthaltes in Marienbad beantwortet. „Wissen Sie", sagte eine ungarische Gräfin, die nicht ruhte, bis sie meine Bekanntschaft gemacht hatte, .die geistlichen .Herren halten Sie, die einsame, schwarzgekleidete Dame, die sich niemals in den Schwarm mischt, sondern stets die Stille aufsucht, für eine barmherzige Schwester, die der Welt Valet gesagt hat, um Liebeswerke zu tun." Ich war höchst erstaunt, daß der Amstand, daß eine Kranke, die Einsamkeit sucht, zu solchen Schlußfolgerungen führen konnte. „Wollen Sie mir einen Gefallen erweisen?" fragte ich. .In einigen Tagen reise ich heim. Würden Sie den Herren dann wohl milteilen, daß die Dame, die sie so oft gegrüßt haben, eine dänische Schauspielerin sei, nicht eine deutsche, nichteine französische, nicht eine italienische, sondern eine dänische, die sich in allem und jedem von jenen Frauen unterscheidet, die ihre Ehre darein setzen, fürstliche und adelige Liebhaber zu besitzen, die sie wie Prinzessinnen aussteuern. Dänemark ist ein kleines Land, aber ein Land, dessen Bewohner den ehren müssen, den sie lieben sollen." „Ich hatte viele romantische Ideen über das Zusammenleben von Eheleuten, und Helbergs angeborene Feinheit half mir, sie durchzuführen, selbst da, wo sie zuweilen an das Kindische streiften. Noch jetzt bin ich übrigens der Meinung, daß Ehegatten in ihrem gegenseitigen Verhältnis nicht vorsichtig genug sein können und sich einander nicht im geistigen oder leiblichen Neglige zeigen dürfen. Besonders im letzteren tut man sicherlich gut, das ganze Leben hindurch einander fremd zu bleiben." „Als ich am 2. Januar 1864 zum 127. Male in Heibergs Clverhöj auftrat, wußte niemand im Publikum oder im Theaterpersonal, daß ich zum letzten Male auf der Bühne stand. Meine Wirksamkeit als Schauspielerin war nun für immer vorbei. Sie liegt vor mir wie ein Buch mit engbeschriebenenen Blättern, auf denen meine Abrechnung verzeichnet steht. Das Endresultat war die beständig wiedcrkehrende Frage: Ist die Schauspielkunst eine moralisch berechtigte Kunst? Ich dachte an Briese mir unbekannter Jünglinge, die mir dankten, daß sie, durch meine Kunst aus dem moralischen Verderben herausgerissen, eine edlere Lebensauffassung bekommen hätten, sodaß noch Männer aus ihnen werden könnten, die ihres Vaterlandes würdig seien. Ich dachte an Briefe mir unbekannter junger Mädchen, die mir dankten, daß ich ihnen die Welt der Poesie geöffnet habe — an Briefe mir unbekannter Mütter, die mir schrieben, daß ich ihnen die triviale Arbeit des täglichen Lebens durch meine Kunst erleichtert habe. Von meinem achtzehnten Lebensjahre an habe ich die Wirkung der Schauspielkunst ans die verschiedensten Seelen beobachtet, und das Resultat war, daß ich der Ansicht zustimmen muß, sie könne der Moralität eines Menschen wohl gefährlich werden. Man muß bedenken, daß ich bei meiner Behandlung über die Versuchungen und Kämpfe eines Theaterlebens das dänische Nationaltheater meiner Zeit im Auge habe, das hinsichtlich der moralischen Verhältnisse vielleicht am reinsten dastand. Schon durch das Publikum wurden die Schauspieler gezwungen, ihr privates Leben streng zu bewachen. Man hätte leichter bei dem zweideutigen Wandel einer Gräfin durch die Finger gesehen als bei dem einer Schauspielerin. Ließ diese sich etwas zuschulden kommen, so wandte sich die Gunst des Publikums schnell von ihr ab. Außerdem ist die dänische Nation klein und ihre Ver hältnisse sind durchsichtig. Bei uns war keine Rede von Herren, die mit ungeheuren Summen die Gunst erkaufen. Selbst unser Ballettpersonal stand mit ganz geringen Ausnahmen in dieser Beziehung vielleicht einzig in der Welt da. So war der Schauspielerstand in Dänemark kein verachteter Stand. Die Männer wurden vom König dekoriert, die Frauen verkehrten als Freundinnen mit den ersten Damen der Gesellschaft, wenn sie diesen an Geist und Bildung gleichkamen. Aber trotz alledem gibt es hier große seelische Gefahren, die es gilt zu bekämpfen und zu überwinden." Allgemein stimmungsvoll schließt das Buch mit dem Kapitel: Mein siebenzigster Geburtstag, und mit den außerordentlichen Ehrungen, die der seltenen Frau dabei wurden. .So laßt mich nun auch schließen. Es ist an der Zeit. Viel habe ich in diesen meinen Erinnerungen mitgeteilt, vielleicht zu viel. Aber wie offen man auch ist — es bleibt doch stets bei jedem Menschen eins im Herzen verborgen: das innerste Verhältnis zu seinem Gott. Das läßt sich der Welt nicht offenbaren, und das darf sie auch nicht erfahren. Aber doch ist das meine Hoffnung, daß man erkennen möge: hier hat ein Mensch gesprochen, der nach Wahrheit strebte, der litt und stritt, um die Fähigkeiten zu entwickeln, die eine gnädige Vorsehung ihm anvertraute. Möge dort oben der Herr zu mir sagen: „Du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über vieles setzen!" Auf Lolmers Friedhof zu Kopenhagen liegt rosenumrankt ein stilles Grab mit der einfachen Inschrift: Johanne Luise Heiberg * d. 22. Nov. 1812 s d. 2l. Dez. 1890. Dort ruht an der Seite des edlen Gatten diese herrliche Frau. H. Haesiel Verlag in Leipzig.
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