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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1940
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1940-04-27
- Erscheinungsdatum
- 27.04.1940
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- Deutsch
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In Sachen „Dora Holdenrieth" vsr !itsrc>ri;cks Qsricktskof vsrlicincjslr über 6sr> „7agsio!ci»t"-komc>n rade recht zur Hauptverhaudluug gegen die Angeklagte Dora Holdenrieth ein. Die Bänke sind mit lesefrendigen Zuschauern aller Schattierungen dicht beseht, die Zeu gen stehen draußen auf dem Flur; es ist ein Gremium von Lesern des „Hamburger Tageblatt", das sich in Brand- Dora Holdenrieth erhebt sich gerade von der Anklage bank und steht vor dem Nichtcrgestühl; sie lehnt sich an das kleine Tischdhen, an dem ihr Rechtsanwalt, der be- son): Wie heißen Sie mit allen Vornamen? An geklagte: Dora Holdenrieth. - Wie alt sind Sie? - 16 Jahre. - Eltern nicht anwesend? - Nein. - Ist ein Protokoll s ührer: Der gesetzliche Vertreter, der gei stige Vater der Angeklagten, der elsaßdeutsche Dichter Paul Bertololy, durch Evakuierung am Erscheinen verhindert. Jetziger Aufenthalt unbekannt. Vorsitzender: Bestehen Bedenken gegen die Eröff nung der Hauptverhandlung? Staatsanwalt und Rechtsanwalt: Keine Be denken. haben, strafbar nach § 183,^ Abs. 2, des Kulturstrafge setzes. Angeklagte Holdenrieth, wie stellen Sie sich dazu? Dora Holdenrieth: Ich stehe nach wie vor zu mei ner Handlungsweise, bin mir jedoch nicht bewußt, da durch öffentliches Ärgernis hervorgerufen zu haben. Verteidiger: Ich habe den Eindruck, daß das ver- ehrliche Gericht über den Gang des Geschehens, wie er in der Anklageschrift festgclegt ist, nicht zureichend orien tiert ist, und beantrage daher, zu diesem Fragenkomplex die Zeugen zu vernehmen. Vorsitzender: Das Gericht gibt diesem Antrag statt. Wir wollen jedoch zunächst im Rahmen der Beweisauf nahme hören, was uns die terminlich geladenen Zeugen zu sagen haben. Bestehen Bedenken gegen eine gleich zeitige Einvernahme der Zeugen? - Keine. Justizwachtmeister (ruft in den Flur): Alle Zeu gen in Strafsache Holdenrieth. Die Zeugen gruppieren sich im Halbkreis und werden nach ihrem Verwandten-und Verschwägertenverhältnis zur Angeklagten befragt. Auf Aufforderung des Vor sitzenden machen sie nacheinander ihre Aussage. Frau E. G.: Dieses Buch ist weder literarisch noch psychologisch gut. Uud daß es einen ethischen Wert hat, wird ja wohl niemand denken. Im Gegenteil: es weist geradezu schmutzige Stellen auf, die durch kitschiges und phrasenhaftes Gerede überdeckt werden sollen. Ich hörte von vielen Menschen, auch von Eltern halbwüchsiger Kinder, die entsetzt waren über ein so öffentliches Er scheinen eines solchen Buches. Sie deuken gewiß, ich sei ältlich und angesäuert und dies alles sei Moralin-Gc mccker. O nein, ich bin eine junge,modcrne Frau, die froh ist, daß ihre Kinder zu klein sind, um dies lesen zu können. Frau B. M.: Da bin ich als junge Soldatenfrau ganz anderer Meinung. Jeden Tag freue ich mich über die Fortsetzung des NomanS. Ist er nicht ein Tagebuch? Eine liebe Erinnerung, die sich viele zurückrufen können, wenn sie nur wollen? Glücklich, wem die erste Liebe zu solch einem reinen Erlebnis wurde. Die Geschichte ist so wahrheitsgetreu, ich könnte sie nicht anders von mir er zählen, und alle sind sie wieder da, die entsetzten alten Jungfern und die vielen anderen putzigen Gestalten. Herr H. P.: Da hört ja wohl nun alles auf! Beim Lesen dieses Romans, da packt einen ja das Grauen. Da wird bei der Schilderung von Gedanken und Vorgängen nur in Superlativen geschwelgt und sich in Ausdrücken bewegt wie „kribbelte, schwül, gefährlich, heiß, Fieber, küssen, ängstliche Schreie, verwirrte Haare, erschöpft, durchglüht, verklärt, erdrückter Atem, duukel geschweif ter Mund" - und wie sie alle noch heißen mögen! Ich aber habe eine 14jährige Tochter, die auch gern die Zei tung liest. Ich möchte nicht, daß sie durch den Inhalt dieses Romans verdorben wird. Auch die Dame, die mir die Romanausschnitte gab, aus denen die oben zitierten Stellen stammen, hat ein Kind im gleichen Alter . . . Vorsitzender: Da wollen wir doch gleich einmal die Zeugin vernehmen, die im gleichen Alter mit der An geklagten steht. Die 16jährige H. B.: Ich muß zunächst sagen, daß dieser Roman sich sehr von den üblichen Zeitungsroma nen unterscheidet. Er hat mir viel Freude gemacht. Wenu einige Leute an der angeblichen Unmoral des Nomaus Anstoß nehmen, so kann man sie nur bedauern. Men schen mit jungen und aufgeschlossenen Herzen wird die Geschichte der Dora Holdenrieth sehr gefallen . . . Kapitänleutnant M.-G.: Ja, nicht umsonst bat ich das H. T., mir für unsere Bordbibliothek drei Belege des laufenden Romans zur Verfügung zu stellen. Meine Männer reißen sich um die täglichen „Brocken", die ich die auch Kinderhaben. Wir können uns nicht denken^daß Menschen, die genau wissen, was gut uud böse ist und die frei von Prüderie an einen solchen Roman heran- über die nur das über Lebenserfahrungen verfügende, „Alter" unter Ausschluß der Öffentlichkeit sprechen kann. Denjenigen aber, die glauben, den Roman zu profanen ich bitte die Herren um ihre Ausführungen. Neisebuchhändler W. S-, Berlin: Ich möchte sa gen, daß ich selten ein so gutes Buch gelesen habe, das kein Jugendbuch ist, aber die Seele eiues jugendlichen Liebespaares schildert, wie dies nur ein Meister der Sprache fertigbringen konnte. Ich habe das Buch in einem Zuge ausgelesen. Es wird in die Reihe der ganz großen Romane der Weltliteratur eingehen und eine Millionenauflage erreichen. Hofbuchhändler P. S., Hanau: Weun mir eines für das Buch zu sprechen scheint, so ist es die Tatsache, daß ich beim Lesen immer wieder an zwei Namen er innert worden bin, die unter unseren Dichtern schon einen etwas gesicherten Platz einnehmen, nämlich Gott fried Keller und Ludwig Thoma. Weuu man ein Buch schon überhaupt crnsthaftdem „Grünen Heinrich"gegen überstellen kann, so kann es nicht schlecht sein. Und noch etwas spricht für dieses Buch, daß es den Leser wahrhaft zu erschüttern vermag. Bücherstuben-Besitzer v. d. V., Berlin: Wirgra- tulieren dem Verlag zu diesem neuen Dichter. Unter den fach bezwingenden Schönheit und Einmaligkeit. Vorsitzender: Ich schließe die Beweisausuahul Herr Staatsanwalt, ich bitte um Ihren Antrag. unterzogen haben. Ich darf das um so mehr an dies! Stelle sagen, als ich die Angeklagte Holdenrieth vT Kindesbeinen an kenne und sie gewissermaßen untl teidigung noch etwas zu sagen habe, nur still mit de! Kopf schüttelt, zieht sich das Gericht zur Beratung zl rück. Eine Bewegung sichtlicher Spannung verebbt i zu sagen: Das Gericht hat nach sorgsamer Abwägml aller der Momente, die für und wider diesen Fall sprl chen, den Eindruck gewonnen, daß Dora Holdenrieth I keiner Form gegen den guten literarischen Geschmcl verstoßen hat, sofern alle Gutgewillten mit derselbe! Ehrfurcht diesen Liebesroman entgegennehmen- von dl auch ihr geistiger Vater, der Elsaßdeutsche Paul Bert! loly, beseelt war, als er mit tiefer Liebe dieser schöml deutschenMüdchengestaltund ihrem verzauberten juugcl Verchrerzum Leben verhals. HerrStaatsanwalt? -Vel zichteaufRcchtsmittel.-TamitistdasUrteilrechtskräfti! Sämtliche Zeugenaussagen sind, wie einleitend bl
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