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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.04.1937
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- 1937-04-10
- Erscheinungsdatum
- 10.04.1937
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auch mit Einsatz aller seiner Gehilfen mit dem besten Willen nicht übersteigen kann, denn er soll ja außerdem täglich acht bis zehn Stunden in seinem Laden stehen und Bücher verkaufen! Ich will mit meinen Ausführungen lediglich gleichsam ein Stimmungsbild geben. Ich will versuchen, die Lage so zu zeichnen, wie sie sich mir dargeboten hat bei einer ausmerksamen Betrachtung der schöngeistigen Produktion etwa von Anfang August bis Mitte Dezember vorigen Jahres. Die Zahlen, die ich bringe, sind also alles andere als statistisch vollständig. Sie deuten aber den Rahmen für Me diejenigen doch einigermaßen zuverlässig an, die als Schriftleiter, Buchbesprecher, Buchhändler in irgendeiner Weise als Mittler zwischen Verlag und Leserschaft mit der Bucherzeugung zu tun haben. Romane. Es lagen mir zur Prüfung und Lektüre aus dieser Herbstproduk tion etwa hundertundfünfzig Romane vor, dazu kommen zehn Erscheinungen, die ich als Kurzromane bezeichnen möchte, Erzeugnisse einer eigenartigen Zwischensorm, die weder Novelle oder Erzählung, noch Roman sind; dazu kommen weiterhin zehn Erlebnisberichte, die ebenfalls eine Zwischenform darstellen, insofern, als sie weder reine Dichtung noch reine Erlebnisdarstellung (Kol portage) sind. Auch diese eigentümlichen Zwischensormen sind ein Charakteristikum der Produktion der letzten Jahre. Davon soll weiter unten noch die Rede sein. Unter den hundertundfünfzig Romanen befinden sich etwa hun dert geschichtliche Romane. Die Vermischung der Gattungen ist innerhalb des historischen Romans bereits über die Grenzen des Erträglichen Hinausgetrieben worden. Da gibt es Mischungen zwischen Biographie und Roman, zwischen Roman und historischer Darstel lung, zwischen romanhafter Biographie und historischer Darstellung, alles in allem ein hemmungsloses Durcheinander. Unter den hundert historischen Romanen oder romanähnlichen Werken befinden sich eine Reihe bester Sachen, die meist anerkannte uitd allgemein durchgedrun gene Dichter zu Verfassern haben. Von allen hundert sind etwa sechzig von eben noch durchschnittlichem Wert, aber kaum belangvoll, etwa zehn sind sehr ungleich im Wert, etwa fünfzehn überragen das von uns angenommene Durchschnittsmaß, weitere zehn bis fünfzehn find als sehr gute, vier bis fünf davon als bleibende Leistungen anzu- sprechcn. Als Stoffe dienen zur Zeit besonders gerne Persönlichkeiten der Kunst- und Kulturgeschichte, Staatsmänner, Könige. Ich habe zehn Musiker- und zehn Dichterromane gesehen, fünfmal standen geschichtliche Frauengestalten im Mittelpunkt. Unter den ge schichtlichen Epochen werden der Dreißigjährige Krieg, die Zeit zwischen 1808 und 1813 und zwischen 1848 und 1866 be vorzugt. Das Verhältnis zwischen Kaiser Barbarossa und Heinrich dem Löwen wurde viermal in den Mittelpunkt histo rischer Romane gestellt. Vielfach zeigt sich, daß historische Stoffe lediglich als Tarnung gewählt werden für Versuche, rein private oder gesellschaftliche Ange legenheiten, wie sie heute nicht mehr gefragt sind, auf dem Umweg über historische Zustände zur Darstellung zu bringen. Erfreulich ist, daß einige junge Dichter mit ihren Erstlingswerken weit über alles Private hinausgewachsen sind, indem sie gezeigt haben, daß der histo rische Roman sehr wohl eine Aufgabe zu erfüllen hat, wenn in ihm ein Bild vom ewigen Wesen und Schicksal unseres Volkes ersteht. An Stoffen herrscht sonst neben der Geschichte die Liebe vor. Das ist ja weiter nicht verwunderlich, die Liebe ist das Thema, das Dichter reizen wird, solange es Dichter gibt. Auch Liebesromane können, ohne daß mit Worten davon irgendwie die Rede ist, Gefäß eines neuen Zeitgefühls werden. Wieder sind es ein paar junge Dich ter, die dies mit Erstlingswerken bewiesen haben. Bemerkenswert ist außerdem die Behandlung desrussischen Themas, bei dem aber größter Takt geboten ist. Die Lebensgemeinschaft der Kleinstadt hat ebenfalls zwei Darstellungen gefunden. Überhaupt läßt sich ein merkliches Rück wandern vom Land zur Stadt fcststcllen. Das hat sein Gutes, da es sicher falsch war, so wie die Konjunktur es tat, die Großstadt nur in ihrer dämonischen Furchtbarkeit neben das Land zu stellen, das an geblich ohne Sünde ist. An Romanen, die als eigentlich humoristisch anzusehen sind, habe ich drei gezählt. Das Thema »Kra f t d u r ch F reud e« hat mehrfach Behand lung gefunden, zum Teil recht glückliche. Politische Themen im engeren Sinne sind fast überhaupt nicht bearbeitet worden — Flucht in die Geschichte. Wir werden ab- Ivarten, was das laufende Jahr in dieser Hinsicht bringt. Was dieTitel anbetrisft, so ist neben merkwürdig vielen ähn lichlautenden Titeln eine eigentümliche Begriffsübertragung auf neu zeitliche Formen festzustellen, manche Dichter tun es nicht anders, ihre Romane müssen »Chronik« oder »Saga» oder ähnlich genannt werden. Zu den zehn Kurzromanen ist besonderes nicht zu sagen, sie entspringen zum Teil, auch der Inhalt beweist das, einer gewissen augenblicklichen Verlegenheit ihrer Verfasser. Die Erlebnisberichte befassen sich in der Hauptsache mit der Zeit zwischen 1918 und 1923, im weiteren Rahmen zwischen 1914 und 1933. Sie zeigen, wie schwierig eine wirklich künstlerische Meisterung dieses zeitnahen Stoffes noch ist. Mehrmals hat Berg mannsleben und Bergmannsschicksal Gestaltung gefunden, eine er freuliche Erscheinung. Einer großen Liebe erfreuen sich seit neuestem die epischen Kurz formen, wie Erzählung, Geschichte und Novelle. Festzustellen ist dabei eine große Begriffsverwilderung. Jeder nennt jedes kleine Werklein mit dem anspruchsvollen Titel Novelle, ob es sich nun um eine etwas ausgeführte Anekdote, oder um eine schlichte Erzählung, oder gar nur um einen harmlosen Bericht handelt. Ich habe etwa dreißig Novellen-Einzelausgaben und zehn Novellen-Sammelbände gezählt. Angeschlossen seien hier im Hinblick auf die gemeinsame Form die Übersetzungen. Der deutsche Verlag ist nach wie vor von einer geradezu verblüffenden Übersetzungssreudigkeit. Da ich im Hinblick auf Übersetzungen diejenigen Werke, mit denen ich mich beschäftigen will, noch stärker auswähle als bei deutschen Sachen, dürfte die von mir festgestellte Zahl allenfalls nur etwa die Hälfte des tatsächlich übersetzten erfassen. Ich habe rund dreißig Übersetzungen gezählt. Am stärksten beteiligt sind neben dem nordischen Sprachkreis die englische und die amerikanische Literatur. Hier sind auch einige wirklich gute Sachen herausgekommen, sowohl aus der englischen wie aus den nordischen Sprachen. Daneben steht Polen mit etwa fünf Übertra gungen, die französische Literatur mit ebensoviel. Ein paar spanische, tschechische uiü> russische (aus der Emigration) Sachen waren eben falls festzustellen. Auch die Grupps der autobiographischen Bücher ist stark besetzt. Ich habe alles in allem etwa zwanzig Bücher dieser Art gezählt, fünfzehn davon stammen von Dichtern. Sie sind zum Teil aufschlußreich als Rechenschaftsablegung und Rechtfertigung einer be stimmten Haltung. Lyrik. Und nun die Gedichte. Man hat in den letzten Jahren oft gesagt, es würden keine Gedichtbände gedruckt. Die Herbstproduktion 1936 straft diese Behauptung Lügen. Es haben mir etwa dreißig Gedicht bände Vorgelegen. Eine andere Frage ist natürlich, ob sie auch gekauft und gelesen werden. Es ist unter diesen dreißig Gedichtbänden sehr viel Bemerkenswertes, besonders bei jungen Dichtern ist ein großer Ernst im Ringen um die Form festzustellen. Im allgemeinen läßt sich von einem gewissen Zögern den neuen Inhalten gegenüber spre chen. Man sollte sich davor hüten, die nichtssagende Unterscheidung zwi schen sogenannter privater und sogenannter politischer Lyrik weiterhin aufrechtzuerhalten. Auch private, oder sagen wir besser persönliche Lyrik kann Ausdruck eines neuen Lebensgefühles und einer neuen Haltung sein. An Gedichtbänden, deren Verfasser aus einer betont politischen Haltung heraus dichten, habe ich fünf gezählt, meist von Dichtern der jüngsten nationalsozialistischen Dichtergeneration. Es ist dabei die erfreuliche Feststellung zu machen, daß diese jungen Dichter ihrem eigenen Schaffen gegenüber sehr selbstkritisch sind. Einige Vertreter der sogenannten unpolitischen Richtung versuchen sich, bewußt oder unbewußt, in die Abseitsstellung der »Stillen im Lande« hineinzu dichten. Sie mögen einmal überprüfen, ob diese ihre Haltung richtig 314 Nr. 81 Sonnabend, den 10. April 1987
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