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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.04.1934
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- 1934-04-03
- Erscheinungsdatum
- 03.04.1934
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- Deutsch
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vom Werkgedankcn und würde sich in jeden, anderen Beruf un glücklich fühlen; er ist mit einem Wort der geborene Verleger. Damit ist an und für sich noch nichts darüber gesagt, ob er nun auch wirklich dafür begabt ist und etwas kann. Denn leider erleben wir ja immer wieder auf Schritt und Tritt im Leben, daß jemand besessen ist von der Leidenschaft für irgendeine Tätigkeit und doch darin lebenslänglich Stümper bleibt. So gibt cs Men schen mit einer todunglücklichen Liebe zur Diplomatie, gibt cs Leute, die immerfort organisieren müssen, ohne organisch denken zu können, gibt es V e r st a n d c s n a t u r e n ohne zu reichenden Verstand; und schließlich soll cs ja auch Menschen geben, die ihren innersten Lcbensbcruf in. Schreiben erblicken und die durch ihre Leistung niemand von der Berechtigung dieser Meinung zu überzeugen vermögen. Den richtigen Verleger, und zwar auch den tüchtigen, interessiert die wirtschaftliche Seite der Verlegerci nur insoweit, als sic eben für das Gedeihen, für die Fortführung und Vollendung seines verlegcrischcn Werks uner läßlich ist. Ein reiner Kaufmann kann also niemals Verleger sein, aber ein Verleger muß auch immer etwas Vcrlagsbuch st ä n d l c r sein, weil er sonst sein Werk aufs Spiel seht. Das Fehlen jedes kaufmännischen Instinkts im Verleger ist nur für einen kurzsichtigen Beschauer erfreulich, denn ein solcher reiner Tor im Gewand des Verlegers gefährdet in fahrlässigster Weise das ihn, anvcrtrautc geistige Gut seiner Autoren. Der Autor selbst hat das allergrößte Interesse daran, daß sein Verleger auch Ver- lagsbuchhändlcr ist. Der Autor wird sich dieser Wahrheit aber leider sehr oft erst dann bewußt, wenn fein Verleger umgeworfcn hat. Es ist damit nicht anders wie bei einem Ingenieur: Was hilft »ns die ganze ästhetische Schönheit einer Brücke, der ein wandfreie uferverbindendc Schwung ihrer Bogen, ihre meister hafte städtebauliche Eingliederung, wenn sic technisch nicht ein wandfrei d u r ch k o n st r u i e r t ist? Sie wird dann eben, wenn eine wirklich schwere Last hinüberrollt, zusammenbrcchen. Ebenso, wie ich nun vorher Vcrlagsbuchhändler und Verleger kurz zu skizzieren versucht habe, möchte ich mich zunächst über den Kritiker selbst äußern und bei ihm drei Typen unter scheiden: 1. Den Kritiker im Hauptamt. 2. Den schaffenden Dichter oder Denker, der nur gelegentlich zu dein Werk eines andern Stellung nimmt. 3. Den nebenamtlichen Buchreferenten, der im Leben einen bürgerlichen Beruf hat. Wir werden gleich sehen, wie sich diese drei Typen in der Praxis auswirkcu. Herr von Grolman meint, daß nur der ein echter Kritiker sei, der einigermaßen selbst das machen könne, was er beurteilt, natürlich nicht als Meister, sondern als Kenner. Herr Mehner vertritt in seinem vorzüglichen Aussah »Sinn und Unsinn der Buchbesprechung- die Auffassung, daß die Buchbespre chung Beurteilungsk unst sei und als solche vollkommen autonom neben jeder anderen geistigen Tätigkeit stehe. Mir scheint, hier stehen ideale Forderung und tatsächliche Wirklichkeit in ewigem Widerspruch. Die Fähigkeit zur Theorie und die zur Praxis ist säst nie in demselben Menschen vereinigt. Dennoch aber gibt es in der Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte immer wieder ein zelne Naturen von einer merkwürdigen genialen Allseitigkeit, klare Denker, die zugleich schöpferische Künstler und Dichter waren, Menschen, die imstande waren, eine verstandesmäßig klar durch dachte Theorie oder Philosophie ihrer Kunst aufzustellen und dann wieder blühende Kunstwerke zu schaffen. In der bildenden Kunst nenne ich Lionardo, Dürer und von den neueren Adolf Hildebrand; in der Musik Robert Schumann, Richard Wagner und Hans Pfitzner. In der Dichtung möchte ich Schiller und unter den Heutigen Kolbenheyer erwähnen. In der Politik ge nügt der einzige Name Hitler. Aber das sind eben die großen Sondcrfälle. Leider können wir mit diesen im täglichen Leben nicht rechnen, doch es ist immer gut, den Blick auf sie gerichtet zu halten. Und nun besteht in der Praxis leider fast immer eine merk würdige Art Haßliebe zwischen dem Theoretiker und dem Praktiker, die, wenn auch meistens unausgesprochen, als Untertan in vielen Äußerungen zu verspüren ist. Sic können einander eben fast nie leiden, mag cs sich nun handeln um Ästhetiker und Künst ler, um Kricgswisseuschaftler und Heerführer, um Volkswirt- schaftlcr und Industriekapitäne, um Kritiker und Dichter. Dabei kann im Grunde genommen keiner den andern entbehren, denn einer lernt vom andern. Mag der Dichter, Schauspieler oder Musiker noch so sehr über die Kritiken schimpfen — er liest sic doch, wenn auch sozusagen hinter seinem eigenen Rücken. Und anderer seits der Kritiker: Was soll er machen, wenn der Dichter ihm nicht zu nächst das Material zur Kritik liefert? Da es sich hier um menschliche Grundeigcnschastcn handelt, ist mit einer Änderung des Verhält nisses nicht zu rechnen, aber es gilt hier dasselbe, was jüngst der Führer über die Beziehungen zu unserem östlichen Nachbarn ge sagt hat: «Deutsche und Polen werden sich daran gewöhnen müs sen, daß sie nebeneinander leben». Es gibt nur e i n Mittel, die feindlichen Brüder, die Verkörpere! von Theorie und Praxis zu einigen, aber dieses ist auch unfehlbar: sie müssen das eigene Ich im Dienst für die Gcmeinschast, für das große Ganze verbrennen! Und darum war der Augenblick zur Verständigung nie so günstig wie heute, wo uns alle eine einzige große Flamme durchglüht. Es bestehen zweifellos zwei Gefahren. Die erste ist fol gende: Der Nur-Kritikcr mit rein analytischer Begabung, jedoch ohne urschöpfcrisches Vermögen, ist leicht in Versuchung, nur in» der Kritik, nicht um des Buches willen, zu kritisieren, also ohne verstehende Liebe und daher letzten Endes kurzsichtig zu urteilen; er gleicht dann dem Kind, das nicht ruht, bis es eine Uhr auscinaudcrgenommcn hat, und daun hilflos vor den ein zelnen Schräubchen steht. Die andere, dieser entgegengesetzte Gefahr ist folgende: Der selbstschöpferische DichterundKün st- l c r, der das Werk eines anderen zu beurteilen hat, ist in einem Maße eiugesponnen in seine eigene, urkrästig sein ganzes Wesen durchdringende Betrachtnngswclt, daß er einem fremden Werk überhaupt nicht gerecht zu werden vermag; für ihn besteht der Gradmesser für den Wert eines solchen Werkes meist darin, in wieweit cs seine eigene Schöpferkraft befruchtet. Für die Tagespraxis fragt cs sich nun: Wer soll Bü cher besprechen und was soll mit der Buchbesprechung erreicht werden? Es ist gar kein Zweifel, daß wir eine zum Teil sehr hoch stehende Buchkritik haben, und dies ist in den Diskussionen und Aussätzen der letzten Zeit nicht genügend zum Ausdruck gebracht worden. Da sind in erster Linie.zu nennen die literarischen Zeitschriften wie die »Neue Literatur«, die »Literatur» und die neue »Literarische Welt«, dann die verschiedenen altbekannten Monatsschriften, dann aber auch die wöchentlichen Literatur-Bei lagen mancher großen Wochen- oder Tageszeitung. An, meisten möchte ich aber die Arbeit der Volksbibliothekare und der ihnen nahestehenden Kreise hcrvorhcbcu. In den Zeitschriften, die in erster Linie den Volksbibliothckcn dienen und von Volksbiblio- thekarcn herausgegeben werden, spricht sich ein hohes Maß von Verantwortungsbewußtsein, vom kritischen Verstand und von Jdcalisnius aus. Die Hauptursache dafür liegt neben der guten geistigen Vorbildung, die die Mitarbeiter haben, darin, daß sic keinen Interessen dienen, sondern daß ihr Blick stets auf dem Ganze» des Volkes ruht und daß sie nicht einen Augenblick die Seele des Volkes aus den Augen verlieren. Dies ist über haupt dersPringendePunktbeiallerBuchkritik. Sie ist, wie Hellmuth Langcnbuchcr bereits in seinem richtung gebenden Aufsatz «Vorbemerkungen zu dem Thema: Sinn und Unsinn der Buchbesprechung- im Buchhändler-Börsenblatt ge sagt hat, dazu da, zwischen dem Buch und der Leserschaft zu ver mitteln und bei der letzteren eine Aufnahmebereitschaft zu er zeugen. Diese Aufgabe ist also eine andere als die der eigentlichen Literatur-Kritik. Die Literatur-Kritik wendet sich an den Autor und die Fachgcnossen von, Bau, die B u ch b e s p r c ch u u g au die Leserschast. Es ist im allgemeinen falsch, beides mitein ander zu vermengen. Deswegen gehört die Litcraturkritik in die literarischen Fachzeitschriften, die von den geistig Schaffenden und geistigen Arbeitern überhaupt gelesen werden, die Buchbespre chung dagegen in die Tages- und Wochenzeitung und in die kul turell hochstehende, aber mehr volkstümlich gehaltene Familien- 2S1
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