Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 218 (R. 109) Leipzig, Dienstag den 21. September 1937 104. Jahrgang Am 16. September 1937 verstarb im Alter von 73 Jahren Herr Verlagsbuchhändler vr. ti. c. Paul Schumann Mitinhaber des Verlages I. Engelhorns Nachf. in Stuttgart Der Verewigte hat eine vielseitige und erfolgreiche ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohls des Gesamtbuchhandels entfaltet. Der Börsenverein gedenkt seiner tatkräftigen Mitarbeit im Vorstand in den Zähren 1917-1923 als Erster Schriftführer, aber auch seiner aufopferungs vollen Betätigung in zahlreichen Ausschüssen und Kommissionen. Vom Vertrauen seiner Berufsgenossen getragen, hat der Verstorbene auch in anderen öffentlichen Ämtern seine reichen Berufserfahrungen selbstlos zur Verfügung gestellt. Für dies es hingebungsvolleWirken schuldet der deutsche Buchhandel dem Dahingegangenen tiefsten Dank über das Grab hinaus. Sein Andenken wird allezeit im Buchhandel fortleben. Leipzig, den 17. September 1937 Wilhelm Baur, Vorsteher Vom ersten deutschen Schriftstellerbund im Jahre 1842 zur Reichsschrifttumskammer im nationalsozialistischen Deutschland Von Dr. Johannes Losmann, Direktor der Leipziger Stadtbibliothek «Stirb und werde!« Das ist das Urgesetz vom Leben jedes einzelnen ebenso wie von allem, was von Menschen erdacht und geschaffen wird. Auch veraltete Weltanschauungen müssen weichen vor neuen lebendigen Ideen, die oft, wenn ihre Zeit gekommen ist, mit geradezu elementarer Macht Hervorbrechen. Diese werden um so dauerhaftere neue Lebensformen schaffen, wenn sie nicht im luftleeren Raume stehen, sondern mit der Vergangenheit durch klare Erkenntnisse über Wert oder Unwert der Gedanken und Ge schehnisse, die der Geschichte angehören, verbunden sind. Solche Überlegungen geben uns die Berechtigung zu einer entwicklungs- geschichtlichen Betrachtung in großen Umrissen über die Anfänge des organisatorischen Zusammenschlusses' der Vertreter des deut schen Schrifttums und die Neugestaltung dieser kulturellen Orga nisation im dritten Deutschen Reich. Das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien haben die neue Staatsaufsassung des zwanzigsten Jahr hunderts verwirklicht. Sie ist ganz erfüllt von dem völkischen Ge- meinschastsgedanken, dem das Individuum sich völlig unterzuord nen hat. Durch diese bewußte Abkehr vom Liberalismus wurde die liberalistische Epoche überwunden, die seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts den schrankenlosen Individualismus Proklamierte und den selbstsüchtigen Jch-Menschen auf den Schild gehoben hatte. Hierdurch war in der europäischen Welt eine ungeheure Umwand lung des staatlichen und persönlichen Lebens ausgelöst worden. In Frankreich wurde von dieser großen Bewegung sofort das ganze Volk ergriffen, und suchte durch den schroffen Bruch mit den be stehenden politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen, durch die Re volution unter der Losung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zum ersehnten Ziele zu kommen. Bei den Deutschen, dem Volk der -Dichter und Denker«, äußerte sich das Erwachen des Ich zunächst hauptsächlich auf literarischem Gebiete. Etwa mit dem Jahre 1765 begann die zwei Jahrzehnte andauernde große geistige Bewegung, die als die -»Sturm- und Drangzeit« oder besser als die Genie periode bezeichnet wird. In dem Rückblick auf diese selbstherrliche Durchgangsstufe seines Lebens berichtet Goethe im zwölften Buche von »Dichtung und Wahrheit« auch von einer -allgemeinen Be wegung«, die unter den deutschen Schriftstellern entstand mit dem Ziel, ihre Belange selbständig zu vertreten und durchzufetzen, indem sie sich von jeder fremden Bevormundung, vor allem auch von den Verlegern unabhängig zu machen suchten. Dieses erste Anfangs stadium der Schriftstellerbewegung ist mit dem Namen Klopstock aus das engste verbunden. Dieser war nachweislich stark beeinflußt durch Ideen von Leibniz, der mit einem seiner Liebllngsgedanken, die Gelehrten und Schriftsteller durch genossenschaftliche Selbst hilfe von den Fesseln des Buchhandels zu befreien, dem achtzehnten Jahrhundert und vor allem Klopstock vorausgegangen ist. Klyp- stock nahm lebhaften Anteil an dem 1772 in Göttingen von einigen schwärmerischen Studenten gegründeten Dichterbund, den sie 745