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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.09.1937
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- 1937-09-21
- Erscheinungsdatum
- 21.09.1937
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»Ham» (Eichenwald, das Sinnbild der germanischen, deutschen, also nationalen Poesie) nannten, da er von diesem Bund unge heure Folgen erwartete: Die Vereinigung aller deutschen Schrift steller, die sich von der bisherigen Theorie der Dichtkunst, dem »Regulbuche», von aller Ausländerei und Nachahmung befreite. Die Mitglieder des »Haines» sollten sich durch Deutschland zer streuen und dis Statthalter des von Klopstock erträumten Dichter staates werden, dessen Gesetzbuch er unter dem Titel »Die Deutsche Gelehrtenrepublik» (1774) auf Subskription im Selbstverlag her ausgab. Dieses neue Klopstockreich konnte nicht Wirklichkeit wer den. Die Forderungen nach Freiheit und Recht der dichterischen Persönlichkeit waren zu uferlos. Nur einzelne Jünglinge, wie der junge Goethe und andere Stürmer und Dränger, ließen sich von ihnen begeistern. Trotzdem erkennen wir heute an, daß Klopstock ein völkischer Gesetzgeber war, der schon damals mit Seherblick das Schrifttum als geistigen Raum der Nation erkannte und wertete. Neben den idealen, utopischen Ideen, die die erste Stufe des Erwachens der Schriftstellerpersönlichkeit als rein geistig charak terisieren, finden sich aber auch bei Klopstock schon genossenschaft liche Ideen, wenn sie auch keine wirklich lebensgestaltende Kraft besitzen. Aber Anregungen für die Zukunft enthielten sie doch. Ver mutlich sind es zum Teil Klopstocksche Gedanken, die Friedrich Schlegel in einem der späteren Athenäumsheste (1800) schreiben ließen: »Wie die Kausleute im Mittelalter, so sollen die Künstler jetzt zusammentretsn zu einer Hanse, um sich einigermaßen gegen seitig zu schützen». Auch der Wert der wirtschaftlichen Unabhängig keit für den Künstler und Schriftsteller wurde schon von den Ro mantikern erkannt. So schrieb Novalis, allerdings von einer schwel genden Phantasie fortgerissen, dem Freunde Friedrich Schlegel im Jahre 1789: »Eine Buch druckerei — ein Buch Handel muß das erste Stamen (sie!) sein; Jena — Hamburg oder die Schweiz, wenn Frieden wird, müssen Sitz der Büros werden. Jeder schaffe einige tüchtige Kandidaten. Gemeinschaftlicher Fleiß, gemeinschaft licher Kopf, gemeinschaftlicher Kredit kann den kleinen Zündfunken bald vergrößern. Ihr sollt nicht mehr von Buchhändlern literarisch und politisch gewissermaßen -spendieren». -Kann aber etwas wirk lich Positives von einer Zeit erwartet werden, in der man von einem freien Menschheitsverein künstlerischer Individualitäten und einer neuen Religion der Kunst und Humanität träumte, die das Genie und die unbewußt schaffende dichterische Willkür pries, und die Meisterschaft über den Stoff und die Darstellung bis zur sogenannten romantischen Ironie gesteigert wissen wollte, jenem geistigen Fliegenkönnen, wie Ricarda Huch diese romantische Be griffsbestimmung so gut erklärte? Jedoch trotz der wirklichkeits fremden phantastischen romantischen Theorien hat die Idee des Zusammenschließens der Schriftsteller in Gemeinschaften zu einer Art Hanse, welche die Romantiker ganz besonders charakterisiert, nachgewirkt. Sie wurde schließlich von der Schriststellerbewegung der vierziger Jahre wieder ausgenommen. Diese -wurzelt zwar noch in -dem jugendlich begeisterten Sturm und Drang des jungen Deutschland, aber innerlich ist sie reifer und positiver geworden. Immer mehr zwang die Realität der wirtschaftlichen Kämpfe den einzelnen, sich auf den Boden der Wirklichkeit zu stellen. Mehr und mehr wurde man sich der ökono mischen Ziele bewußt. Das souveräne Selbstgefühl, das noch der Schriftsteller des jungen Deutschland in den dreißiger Jahren ganz besonders für sich in -Anspruch nahm, trat immer mehr zurück vor der Notwendigkeit, durch genossenschaftliche Verbindungen zu er setzen, was dem einzelnen an Kraft fehlte. Man trat in öffentlichen Versammlungen, Vereinen und Körperschaften zusammen. Der scheinbar unüberwindliche Gegensatz von Individuum und Ge meinschaft, von Freiheit und Organisation begann in einem neuen Sinne überbrückt zu werden. Das Individuum, von dem damals alles ausging, sah in der Organisation nicht mehr die Fessel, son dern das einzige Mittel zur Hebung und Bereicherung der Einzel persönlichkeit. So führte der soziale Gedanke, wenn auch damals im Gegensatz zu heute mehr unbewußt, dem Staatsgedanken wieder neue Kraft zu. Das erwachende Solidaritätsgefühl in dem Deutsch land der vierziger Jahre ergriff nicht nur den einzelnen, sondern das ganze staatliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben. Die deutsche Nation im ganzen erwachte und versuchte, sich auf sich selbst zu besinnen. Auch in der Schriststellerbewegung dieser Jahre kommt das zum Ausdruck. Statt der romantisch-kosmopolitischen Ideen trat die nationale Idee mehr in den Vordergrund. Ihre freie Entfaltung zur alle umschließenden Gemeinschaft der deutschen Schriftsteller blieb allerdings noch ein Jahrhundert lang durch die liberalistischen Verstrickungen stark behindert, aus denen dieselbe sich ebensowenig befreien konnte wie der damals geborene Gedanke eines politisch geeinten Deutschen Reiches. Der erste Schriftsteilerbun-d, der eine deutsche Angelegenheit sein wollte und mit Erfolg in die weitere Entwicklung der Schrift stellerbewegung eingrkff, wurde im Jahre 1842 gegründet. Es war derLeipzigerLiteratenverein. Da seine Geschichte ein gehend behandelt wurde in meiner Schrift: »Die erste deutsche Schriftstellerorganisation und die Schriftstellerbewegung» (Leipzig, Verlag Kurt -Scholtze, 1921), kann ich mich -hier darauf beschränken, nur auf das Wesentliche hinzuweisen. Für keine deutsche Stadt waren die Vorbedingungen für eine solche Gründung damals so günstig wie für Leipzig. Der Zentral sitz des deutschen Buchhandels hatte eine große Anzahl Schrift steller aus aller Herren Länder nach Leipzig gelockt. Hier hatte auch das junge Deutschland sein Hauptguartier ausgeschlagen, und die alte Pleißestadt war wieder ein Mittelpunkt des deutschen lite rarischen Lebens geworden. Ihre angesehene literarische Stellung beruhte damals zum größten Teil auf den zahlreichen neuen Zeit schriftenunternehmen, die gerade in den vormärzlichen Jahren in Leipzig wie Pilze aus der Erde schossen, und zur Vergrößerung der Leipziger Schriftstellerkolonie wesentlich beitrugen. Besonders hier in Leipzig, der reichen Handels- und Messestadt, mutzte den auf Broterwerb mit der Feder angewiesenen Schriftstellern ihre wirt schaftliche Notlage zum Bewußtsein kommen. Die engen beruflichen Beziehungen der Schriftsteller untereinander verhalfen dem Ge danken zum Durchbruch, daß eine Besserung ihrer Lage nur durch Verbindung der Kräfte möglich sei. Der am 28. Januar 1842 gegründete Leipziger Literaten-Ver- cin sollte -daher nicht etwa ein literarischer Klub, der nur Selbst zweck ist, sein wie der 1827 in Berlin gegründete »Tunnel über der Spree» oder sein sogenannter Sohn, der 1828 in Leipzig gegrün dete »Tunnel über der Pleiße», der schon nach einigen Jahren zu einer bloßen geselligen Bereinigung, die noch heute besteht, herab gesunken -war. Der Zweck des Literatenvereins war, wie es in den Statuten heißt: »Gemeinsame Besprechung aller das Gesamt- interes-se der Literatur und des Literatenstandes betreffenden Vor kommnisse und Verhältnisse in persönlichen Zusammenkünften, die Wahrung allgemeiner Rechte und der Rechte des einzelnen, wenn sie von Gewicht für das Allgemeine sind». Sein einheitliches Zu sammenwirken wurde allerdings von vornherein gehemmt durch den Zusatz: »Da der Verein weder in literarischer noch politischer Hinsicht eine Wirksamkeit als Korporation ansprechen will, so be schränkt sich seine Tätigkeit in allen den Fällen, wo öffentliche Schritte im Interesse der Literatur erforderlich scheinen, darauf, die Vorbereitung derselben zu ermitteln. Im übrigen aber bleibt es ganz dem Ermessen seiner Mitglieder anheimgestellt, wie sie sich dabei individuell beteiligen wollen». Dennoch beabsichtigte der Verein, aus dem begrenzten fachlichen und örtlichen Kreis heraus zutreten: Außer den Schriftstellern von Beruf sollten alle, die in irgend einer Weise für die deutsche Literatur Interesse zeigten, her angezogen werden, ebenso wie der Verein sich über ganz Deutsch land verbreiten wollte. In Z 2 der Statuten vom Jahre 1843 heißt es daher: »Der Literatenverein besteht, seiner ursprünglichen-und wesentlichen Tendenz nach, aus wirklichen Literaten, und zwar aus jedem Gebiete und von jeder Richtung der Literatur. Doch können auch solche Mitglieder desselben werden, welche zwar nicht eigentlich Literaten sind, von welchen jedoch eine Förderung der- Zwecke des Vereins zu erwarten steht. Der Verein beschränkt sich keineswegs auf Leipzig und dessen nächste Umgebungen, sondern er will ein deutscher Literatenverein sein.» Der beabsichtigte Zweck dieser Bestimmungen trat ein. Der Literatenverein oder, wie er ab 1846 hieß, der Schriftstellerverein, begann über seinen bisherigen auf Leipzig beschränkten Wirkungs kreis hlnauszuwachsen. Die Mitgliederliste vom 1. Juli 1843 ver- zeichnete bereits 106 ordentliche Mitglieder, von denen 21 ihren Wohnsitz außerhalb Leipzigs hatten. Neben Schriftstellern der ver schiedensten Art und Literaturrichtung hatten auch Gelehrte und 74« Nr. S18 Dienstag, den 21. September 1937
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