^ 4/ielleicht", schreibt Wilhelm von Bülow Ln dem Bericht über seine Flucht aus russischer Gefan genschaft, „hätte keiner von uns die Frage beantworten können, warum er eigentlich fliehen wollte, da es so aussichtslos schien. Die Antwort aber hätte lauten müssen: Weil ich muß, weil ich zu jung bin, um hier zu verkommen, weil ich an die Front will, weil ich das Leben nicht mehr ertragen könnte, wenn ich diesen willen und diese Hoffnung nicht mehr hätte!" Der Neunzehnjährige kann sich hinter dem Stacheldraht des Gefangenenlagers nicht „einrichten" wie es viele seiner Kameraden können. Zn Grenburg findet er die ersten Helfer. Auf abenteuer lichen wegen flieht er mit fünf Kameraden durch Turkestan nach Persien. Über zooo km haben sie zurückgelegt, die russische Grenze ist schon überschritten. Sie glauben ihre Freiheit wieder zu haben — da werden sie verraten und zurückgeschleppt. Gefängnis folgt auf Gefängnis. Schwere Krankheit scheint neue Fluchtpläne zunichte zu machen. Aber der Zwanzigjährige ist stärker, wieder hinter Stacheldraht sinnt er nur auf Flucht. Zn Kowo-Kikolajewsk scheint das Schicksal günstig: Lin deutsch-russischer Kaufmann will ihn als Diener mit nach China nehmen. Alles ist vorbereitet, da wird er für ein Lagervergehen Ln Arrest gesteckt. Hier ist Flucht unmöglich, der Kaufmann muß ohne ihn reisen. Aber unverzagt findet der Gefangene neue Wege. Polen be schaffen dänische Pässe. Drei Tage auf der Flucht, wieder eingefangen und mit Kerker bestraft! Zn Omsk kommt die Nachricht vom Ausbruch der Revolution. Nun gelingt ein neuer Flucht versuch. Znmiüen der Unordnung wird Grenburg erreicht. Aber die Geldmittel sind erschöpft, die alten Freunde nicht mehr zu finden, wer Ln dieser Zeü für zweifelhafte Geschäfte kein Geschick hat, kommt um. Hunger treibt den Flüchtling ins Gefangenenlager zurück. Lr muß erst wieder zu Kräften kommen und neue Mittel zur Flucht finden. Znmiüen der Vürgerkriegs- wirren gelingt es, die fchneeverwehten Steppen des südlichen Rußlands zu durchqueren, weiter nördlich führen fahrplanlose, von den Bolschewisten requirierte Züge bis ins revolutionserschüt- terte Petersburg. Zweimal versucht der Flüchtling nach Finnland zu entkommen, zweimal wird 4084 Nr. 220 Donnerstag, den 28. September 1997