Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.10.1897

^ 231, 5. Oktober 1897. Nichtamtlicher Teil. 7099 Nichtamtlicher Teil. Die zweite internationale bibliographische Konferenz zu Brüssel,*) 2.-4. August 1897. In Nr. 148 d. Bl. vom 30. Juni ist auf die Bedeutung des für Anfang August nach Brüssel einberufen gewesenen Kongresses hingewiesen worden, und es mag hier unter Vor behalt eingehenderer Besprechung nach Erscheinen der offiziellen Protokolle ein vorläufiger kürzerer Bericht gegeben werden. Wohl an hundert Teilnehmer hatten sich zu der Kon ferenz eingefunden, darunter aus Amerika C. A. Cutter von der Korbes Uiblurx in Northampton, ein durch seine zahl reichen Schriften, insbesondere die 6»t»lo^us Kalos, bekannter und verdienter Bibliothekar der neuen Welt, W. S. Biscoe, der Nachfolger Deweys an der Bibliothek in Albany, Andrews aus Chicago, Bouquillon aus Washington, aus England als Delegierter der Bibliothek des Lritisb LIussuw Mac Farlane, aus Schweden der Bibliothekar von Stockholm Lundstedt als Delegierter der schwedischen Regierung, aus Frankreich Funck-Brentano, Baudouin, General Ssbert, Mitglied des Institut äs kr-wos, aus der Schweiz I)r. Field, der Direktor des Züricher Oonoiliuw bibliogr»pbiouw, aus Ungarn 0r. Eztcgar als Vertreter der Museumsbibliothek in Budapest, aus Prag Professor F. Prusik und vr. F. Prusik, der Heraus geber des Krok; aus Rußland war der Historiker Sergei Jlovaisky, Professor an der Odessaer Universität, erschienen, aus Wien Carl Junker, Sekretär des Institut international äe öiblioxrapbis für Oesterreich, zugleich von der k k geographischen Gesellschaft in Wien entsendet. Als Dele gierter der spanischen Regierung war Mukioz Rivero einge troffen. Daneben hatte auch ein großer Teil der in Brüssel ansässigen Gelehrten und Bibliothekare sich an dem Kongreß beteiligt: Boelpaepe, Bibliothekar der Advokatenkammer, Brants, Sekretär der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Descamps-David, Senator und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, E. Fstis, Generaldirektor der königlichen Bibliothek, Emil Hennequin, der Leiter des militär-karto graphischen Institutes, vr. Joseph, ein Deutscher, der an der llvivsrsitö Ilouvslle die Professur für Archäologie innehat, van Lee, Sektionschef im Unterrichtsministerium, Luerquin, Bibliothekar daselbst, M. Mourlon, der Leiter der geologischen Anstalt, Oscar Schepens, der gegenwärtige Präsident des bel gischen Buchhändlerverbandes (Zooiöts bslxs äe Vibrairis), sowie der Vizepräsident Zech-Du Biez, der Redakteur der lüblio^rsxbis äs kelZiyus E. Vandevelde, und viele andere. Daneben war eine nach Hunderten zählende Menge von Begrüßungsschreiben, Zustimmungskundgebungen und Ent schuldigungsbriefen wegen verhinderter persönlicher Teilnahme angelangt, und es liefen während der drei Tage, die die Konferenz währte, Telegramme und Schreiben dieses Inhalts fortlaufend ein. Die bedeutendsten Bibliotheken der alten und der neuen Welt, Gelehrte aus Deutschland, England und Frankreich, wissenschaftliche Vereinigungen, Buchhändler haben ihrer lebhaften Sympathie für die Bestrebungen des Kongresses Ausdruck verliehen. Die Namen aller dieser werden in dem offiziellen Berichte verzeichnet werden. Von den zahlreich eingelaufenen Berichten und Gutachten konnte bei der Arbeitsüberhäufung der dortigen Buchdrucker infolge der zahlreichen Kongresse nur ein geringer Teil recht zeitig fertiggestellt werden. Vorgelegt wurden der Bericht des Sekretärs Carl Junker »lieber den Stand der Biblio graphie in Oesterreich«, eine äußerst anregungsreiche Arbeit, *) Vgl. auch den Bericht von Carl Junker in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 173, 175. PikruMchMer Jahrgarg. die soeben bei A. Hölder in Wien erschienen ist und auf die wir noch eingehender zurückkommen werden, Cutters kurze Mitteilung über die von ihm erfundene kxpiwsivs Olussillostioo, die im Verlaufe der Verhandlungen von ihm noch ein gehend erläutert und verteidigt wurde, dann ein Aufsatz über die Dezimalklassifikation, ein anderer, ziemlich verworrener, über eine neue Form bibliographisch genauer Titelkopieen, ein ausführliches, vier Quartseiten fassendes Cirkular des italienischen Verlegers Piero Barbdra in Florenz betreffend den dritten Punkt des Programmes, die Beteiligung des Buch handels an der Ausarbeitung des bibliographischen Reper toriums, und schließlich die beiden Referate des Unterzeichneten über »Organisation des allgemeinen bibliographischen Reper toriums« und »Abfassung der Titelkopieen«, von denen das erstere ein Abdruck aus dem in Nr. 148 d. Bl. enthaltenen Aufsatze »Die zweite internationale bibliographische Kon ferenz« ist, das zweite die Verwendung farbiger Zettel behufs Unterscheidung der Bücher, Zeitschriftenaufsätze und Ab handlungen in Sammelbänden bespricht und für die ver schiedenen Arten der Titelkopieen von Druckschriften Proben giebt. Zugleich konnten Probeabzüge vorgelegt werden von den vollständig ausgearbeiteten Dezimal-Klassifikationstafeln der auf das gesamte Eisenbahnwesen bezüglichen Litteratur. Die Verbesserungen gegenüber dem englischen Original, sowie die Uebersetzung rühren von L Weissenbruch, dem Chef- Ingenieur der belgischen Eisenbahnen, her. General Söbert verteilte den Probedruck der von ihm ausge arbeiteten Dezimal-Klassifikationstafeln der photographischen Wissenschaften. Desgleichen lagen teils Prospekte, teils die ersten Lieferungen neuer periodischer Bibliographien vor, die teils mit Unterstützung des Oküce, teils selb ständig nach den Klassen des Dezimalsystems geordnet er scheinen und bestimmt sind, Teile das künftigen Universal- Repertoriums zu bilden, so eine LiblioKrspbi» ülsäio» Itulio», unter der Redaktion von Dott. Tullio Rossi Doria als Bei lage des Uolielinioo herausgegeben, eine Libliograpbi» Nusi- eslis Italic», von Jda Nazari zusammengestellt und in der Zeitschrift I/Insszoants äi ülusio» veröffentlicht. Eine Liblio- Fr»pki» kbilosoxbio», Looiologie», ^stronowie», Zoologie», Anatomie», kk^sioloßie», Oststrio» s Oinseologio» werden be reits seit längerer Zeit fortlaufend veröffentlicht. Doch muß nachdrücklichst betont werden, daß die Mehrzahl dieser Unternehmungen verfrüht und von proble matischem Wertei st. Wenige der genannten Bibliographieen sind vollständig, und gerade darum kommen sie, mögen sie auch sonst in Ermangelung anderer Hilfsmittel von größtem Nutzen sein, für das Universal-Repertorium kaum in Betracht. Man sollte vorderhand, wie schon wiederholt gefordert wurde, nur darauf sehen, die Vorbereitungen zu treffen und die nötigen Vorarbeiten einzuleiten, damit dann an einem gegebenen Zeit punkte die fortlaufende und die Forderung der Vollständigkeit und Zuverlässigkeit erfüllende bibliographische Verzeichnung ins Werk gesetzt werden könne. Von welch problematischem Werte die Anhäufung von Titeln ist, bei denen man weder die Gewähr zeitlicher noch lokaler Vollständigkeit hat, ist schon in früheren Aufsätzen dargelegt worden. Sonntag den 1. August, abends, wurden die Mitglieder der Konferenz zu einem Rout geladen, das der Magistrat von Brüssel seinen Gästen zu Ehren im Rathause veranstaltete. Montag den 2. August, 10 Uhr vormittags, begann die Kon ferenz ihre Thätigkeit. Der Senator Chevalier Descamps- David, der Präsident des Institut International äs 6ibliogr»pbis, eröffnete die Sitzung; er begrüßte die Versammlung, insbesondere die Vertreter der Regierungen, und sprach die Hoffnung aus, daß die Konferenz, die nicht den Zweck habe, Lärm zu machen, sondern 951