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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.11.1937
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- 1937-11-11
- Erscheinungsdatum
- 11.11.1937
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- Deutsch
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Kasse immer erst nach vollbrachter Leistung gingen. Wir würben sie nicht mehr leichtfertig, sie würden uns nicht mehr kleinlich schelten. Es gibt Verleger und Schriftsteller, die einander spinnefeind sind, und es gibt neben unzähligen guten Beziehungen auch echte Freundschaften unter Angehörigen dieser so innig aufeinander an gewiesenen Berufe. Wir Verleger können vom Schriftsteller wohl Manuskripte, doch keine Freundschaft einfordern, aber wo sie für uns blüht, Pflegen wir sie mit bedächtiger Liebe und mit inniger Dankbarkeit. Denn mag es in unserm Hause unter Büchern und Papier, mit Werbe- und Vertriebsabteilung, mit Buchhaltung und Kasse und all dem hundertfachen Kram, der zu jedem Verlag ge hört, oft laut, ja lärmend und höchst ungemütlich zugehen, denn selbst in die verständigste und ruhigste Besprechung schrillt das Telefon mit einer gänzlich unnötigen Mitteilung oder einer blödsinnigen Frage — das Wesen des Verlegers wie des Schrift stellers kann sich nur in der Stille entwickeln. Beide brauchen die Welt und ihre bunten Anregungen, den Alltag mit seiner Plage, und mancher kann sogar die Hetze nicht entbehren, doch wenn uns ein gutes Buch einfallen soll, das man mit Aussicht auf Erfolg machen könnte, so brauchen wir die Stille so gut wie der Dichter, der an seinen Träumen spinnt. Jeder bedarf des andern, jeder will etwas vom andern, und manchmal auch, was man beim besten Willen nicht geben kann. Wir sind enttäuscht. Wir verwünschen uns und unseren Beruf. Wir halten Lesen und Schreiben und vor allen Dingen das Verlegen für eine Verrücktheit. Zu Millionen stehen die Bücher in den Bibliotheken, und es sind unübertreffliche Meisterwerke, in allen Zungen redend, darunter. Hat es wirklich einen Sinn, immer von neuem zu erzählen und zu drucken, daß Hans die Grete nur nach erheblichen Schwierigkeiten bekommt oder daß das Landleben sittlichen Wert hat? Hat es einen Sinn, das ohnehin unübersehbare Schrifttum über Goethe durch eine Untersuchung zu vermehren, die seine Beziehung zur Bienenzucht beleuchtet? In der Tat: man kann zweifeln! Doch dann festigt sich im Verleger wie im Verfasser der Glaube an Beruf und Be rufung. Wenige nur sind auserwählt, wahrhaft schöpferisch zu wir ken, aber viele sind berufen, unsere geistigen, die künstlerischen wie die wissenschaftlichen Güter unseres Volkes zu bewahren, und schon allein durch diese Pflege zu vermehren. Vielleicht erscheint, was dieser Verleger und jener Autor spendet, einer ferneren Zu kunft als eine kleine, doch nie als eine unbeträchtliche Gabe. Wir sind auch aus geistigem Gebiet eingebildete Toren, wenn wir in der Erwartung des künstlerischen Genius das mittlerweile sich regende Handwerk verachten. Im Gegenteil: Zunftgerechtes Hand werk ist alles, was wir vom Autor fordern und fordern müssen. Alles darüber hinaus ist Gnade, die sich nicht kommandieren und organisieren läßt. Von dieser Gnade roden wir nicht, allein wir warten darauf, Verleger und Verfasser, wie auf den Heiligen Geist. Und nichts ist lächerlicher und trauriger, als wenn er trotz allem Warten unerkannt einkehrt und wieder verschwindet. Dann hören wir, zu spät, das leise Knacken eines Schreibtischschlosses: Grill parzer verstaut seine Dramen, — oder einen durch Novemberstille peitschenden Pistolenschuß: Kleist nimmt Abschied. Dann spüren wir, daß wir vom Schriftsteller wohl manches fordern dürfen, daß uns aber der Genius nur beschenken kann, und daß wir uns glück lich preisen dürfen, wenn wir den Wert seiner Gaben zu würdigen imstande sind. Adolf Bartels zum 75. Geburtstag am 15. November 1937*) Hochverehrter Herr Professor Bartels! Als ich vor mehr als zehn Jahren als junger Student der Germanistik mit hochgespannten Erwartungen eine der ältesten deutschen Universitäten bezog, um tiefer als es mir bis dahin möglich war, in die Geheimnisse der Wissenschaft von der deut schen Sprache und deutschen Dichtung einzudringen, da war der einzige Lehrer, der mir an der gewählten Universität die ersten Erkenntnisse über die Geschichte der deutschen Dichtung vermitteln sollte, ein Jude. Von meinem Vater im Hinblick auf die geistige Beeinflussung des deutschen Volkes durch das Judentum, die be sonders in den Jahren nach dem Kriege immer mehr zu einer brutalen Vorherrschaft geworden war, hellhörig gemacht, brachte ich es nicht fertig, die Vorlesungen dieses damals sehr geschätzten Mannes mehr als eine Woche lang mit anzuhören. Als Anfänger hatte ich ja zunächst auch damit zu tun, mir die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeiten? zu erwerben. Ich belegte also die vor geschriebenen Anfänger-Seminar-llbungen; aber als ich ahnungs los die erste Seminarsitzung besuchte, da saß vor mir — wieder ein Jude. Ich habe einige Semester danach die Universität ge wechselt und fand an der neuen Hochschule mein Fach wiederum stark durchsetzt mit Juden. Das war in den Jahren, als der Na tionalsozialismus schon vernehmlich an die Tore Pochte, deren vsfnung ihm den Weg zur Gestaltung des Schicksals des deutschen Volkes frei machen sollte. Ich weiß, daß viele meiner Studiengenossen diesen Zustand an unfern deutschen Hochschulen bitter beklagten. Freilich blieb allen denen, die daran dachten, ihr Studium mit staatlichen Prü fungen abzuschließen, nichts andres übrig, als sich damit abzu finden. Mir schien dieses Sichabsinden doch zu gefährlich, als daß ich längere Zeit hätte vergehen lassen können, um mich schließlich aus den einzig möglichen Ausweg zu begeben: ich stellte mich aus Dieser Brief an den Altmeister Prof. Bartels erschien in etwas gekürzter Fassung im Novemberhest von »Westermanns Monats heften-. all den Fachgebieten, auf denen uns als Lehrer nur Juden zur Verfügung standen, auf eigne Füße. Damals bin ich dann zum erstenmal Ihren Werken begegnet. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich begnügte mich nicht damit, Ihre Bücher zu lesen und durchzuarbeiten, sondern ich holte mir von den Büche reien alte Jahrgänge Ihrer Zeitschrift »Deutsches Schrift tum- und ackerte sie gewissenhaft durch. Die Auszüge, die ich mir dabei gemacht habe, liegen mir vor, während ich diese Zeilen an Sie schreibe. Ihre Bücher, diese lauteren und scharfen Waffen in dem Kamps um die deutsche Wiedergeburt, haben ja eine verhältnismäßig große Verbreitung gesunden und sind tief ins Volk gedrungen. Mit großer Freude beobachtete ich, daß Ihre einbändige Ausgabe der »Geschichte der deutschen Literatur-, die der Verlag Westecmann seit vielen Jahren betreut, Auslage um Auflage erlebt. Aber wie viele Menschen wissen davon, welch ungeheure Fülle von Stoff Sie in Ihrer Zeitschrift »Deutsches Schrifttum- zusammengetragen und verarbeitet haben? Wie viele Menschen wissen davon, daß Sie in diesen Blättern jahrzehntelang den jeweiligen Pegelstand des literarischen Lebens unseres Volkes aufs gewissenhafteste ver zeichnet haben? Wie viele wissen davon, daß Sie hier die gleiche Arbeit, die Sie in Ihrem großen dreibändigen Litecaturwerk für das deutsche Schrifttum von anderthalb Jahrtausenden geleistet haben, mit nicht geringerer Eindeutigkeit für das Schrift tum durchführten, das Jahr um Jahr um Sie aufwuchs und von Ihnen gesichtet werden mußte, da Sie es stets auch für Ihre Aufgabe hielten, den Menschen Ihrer Zeit einen Weg durch das literarische Gestrüpp zu bahnen, was ja damals so unendlich viel schwerer war als heute. Gewiß, Sie haben in Ihrem Urteil in Ablehnung oder Zustimmung vielleicht manchmal »da- nobengehauen-. Wer von all denen, die als Mittler im litera rischen Leben stehen, hätte das noch nicht getan? Sie haben ja auch nie den Anspruch erhoben, für alle Ewigkeit hinein festzu stellen, was aus der Fülle der literarischen Neuerscheinungen »bleiben» würde und nach Jahrhunderten noch lebendig wäre und gültigen Wert besäße. »07
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