^ 7g, 8. April IS13. Künftig erscheinende Bücher. ssri-nblau f. d. Dtichn. Duchy-nd-l. 3659 Aber daö gerade scheint sie gereizt zu haben, und so hat sie diesen Stoff, aus dem die Marlitt eine rührende Geschichte gebraut hätte, zu einem Kabinettstück ihrer Kunst ge formt. Es geht dabei freilich ohne ein wenig Jonglieren nicht ab, aber auch die ar tistische Sicherheit, die sie darin zeigt, macht Vergnügen. Daö Ganze ist aber weit mehr als ein blendendes Varietekunststück. Sie erzählt die Geschichte eines ungleichen Ehe paare«, deren weiblicher Teil, die junge Gräfin, der Versuchung zu einer kleinen Liebelei unterliegt. Der ein ganzes Stück ältere, lebenskluge Graf will sich das späte Glück stillen Friedens um jeden Preis erhalten, oder alles verlieren. Er setzt alles auf eine Karte, sperrt Madeleine mit dem geliebten Vicomte in ein Turmgemach deö Schlosses — und erreicht, was er erhofft. Daö dauernde Beisammensein der beiden in inkomfortabeln Verhältnissen — der Vicomte gäbe alsbald für eine Zigarette einige Jahre seines Leben« — macht Kanten und Ecken fühlbar, die vorher keines gesehen, und so werden sie von ihrer Liebe geheilt. Das alte Schloß mit der teils sagenhaften Tradition gibt den Vor gängen einen romantischen Schimmer, der zwar gänzlich unmodern und an anderer Stelle streng verpönt wäre. Aber wie Karin Michadlis sich mit freundlichem Spott darüber hinwegsetzt, was man jetzt hier und jetzt da von dem Romancier verlangt — dieses persönliche Hervortrcten steht ihr gut zu Gesicht —, so weiß sie auch diese roman tische Ingredienz als ihr gerade so paffend aufzuweisen und richtig anzubringen. Gewiß werde» manche das Buch gering schätzen, insbesondere die strengen Richter der Tabulatur. Diesem eigenwilligen, persönlichen Buch gegenüber ist jedoch Strenge nicht am Platz. Man muß der Erzählerin, die ihre Geschichte so liebenswürdig und so unterhaltend vor zubringen weiß, nicht auf die kunstfertigen Finger, sondern in das leise und verschmitzt lächelnde Gesicht schauen. Früher erschien in unserin Verlag und sei neuerdings empfohlen: Karin Michaelis-Stangeland Jens Himmelreich und andere Erzählungen Einzige berechtigte Übersetzung aus dem Deutschen von Hermann Kiy Umschlag- und Einbandzeichnung von Alphons Woelfle Zweite Auflage Geheftet 2 Mark, gebunden 3 Mark Neue Freie Presse, Wien: Karin Michaelis, die berühmte Verfasserin des Nomanes «Das gefährliche Alter", bringt in diesem Band eine Auslese von kleinen, feinen Novellen, die dänische Zartheit und Ge fühlslyrik mit einer fast Maupassantschen Keckheit und Ironie zu einem besonderen Ganzen verbinden. Aus allen diesen Geschichten spricht der mutige Sinn der Dichterin, der sich nicht scheut, an heikle Probleme mit offenen Worten und offenen Augen heranzutreten. Davon gibt gleich die köstliche Titel novelle «Jens Himmelreich" eine Probe. . . . Auch in den anderen Novellen wählt die Dichterin Pro bleme, die in der Hand einer minder starken Begabung banal oder gar abstoßend wirken könnten. Einige der Geschichten sind ganz frei von erotischen Pointen. Es sind köstliche Satiren auf menschliche Be schränktheiten und Seltsamkeiten. Die Erzählung von dem alten diebischen Fräulein, die allen Bestohlenen Legate auf ihr Vermögen gibt und sie damit zur Duldung der kleinen Diebstähle bewegt, könnte von Balzac geschrieben sein. Bezugsbedingungen: In Rechnung mit 25U, bar mit ZZVs^o, Partie 7/6 Albert Langen, Verlag, München