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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1931-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1931
- Sprache
- Deutsch
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2280 ^ 81, 9. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f.b.Dychn. Buchhandel. Die Lust ist milde wie Wein. Das ist kein November, das ist März. Der Himmel blaßblau und klar. In den Lachen am Wege spiegelt sich die Sonne. Wir gehen durch eine Pappelallee. Die Bäume stehen zu beiden Seiten der Straße, hoch und fast unversehrt, nur manchmal fehlt einer. Diese Gegend war früher Hinterland, sie ist nicht so verwüstet worden wie die Kilometer davor, die wir Tag um Tag, Meter um Meter aufgegeben haben. Die Sonne leuchtet auf der braunen Zeltbahn, und während wir durch die gelben Alleen gehen, schweben segelnd immerfort Blätter darauf herunter; einige fallen hinein. In der Lazarettstation ist alles voll. Viele Verwundete liegen schon vor der Tür. Wir lassen Weßling einstweilen auch draußen. Eine Anzahl Armverwundeter mit weißen Verbänden formiert sich zum Abmarsch. Das Lazarett wird schon auf gelöst. Ein Arzt läuft herum und untersucht die Neu gekommenen. Einen Mann, dem das Bein lose, falsch ge knickt im Kniegelenk hängt, läßt er sofort hereinschaffen. Weßling wird nur verbunden und bleibt draußen. Er wacht aus seinem Dösen auf und sieht dem Arzt nach. „Weshalb geht er denn ab?" „Wird schon wiedeckommen", sage ich. „Aber ich muß doch rein, ich muß doch operiert werden." Er wird mit einemmal furchtbar aufgeregt und tastet nach dem Verband. „Das muß doch gleich genäht werden." Wir versuchen, ihn zu beruhigen. Cr ist ganz grün und schwitzt vor Angst: „Adolf, renn hinterher, er soll kommen." Bethke zögert einen Moment. Aber er kann nicht anders unter Weßlings Augen, obschon er weiß, daß es keinen Zweck hat. Ich sehe ihn mit dem Arzt sprechen. Weßling blickt ihm nach, so weit er kann, es sieht schrecklich aus, wie er den Kopf herumzudrehen versucht. Bethke kommt so zurück, daß Weßling ihn nicht er blicken kann, schüttelt den Kopf, zeigt mit den Fingern eins und macht mit dem Munde unhörbar: Li — ne Stun — de — Wir setzen zuversichtliche Gesichter auf. Aber wer kann einen sterbenden Bauern täuschen! Als Bethke ihm sagt, er werde später operiert werden, die Wunde müsse erst etwas anheilen, weiß Weßling schon alles. Einen Augenblick schweigt er, dann keucht er leise: „Ja, da steht ihr und seid heil — und kommt nach Hause — und ich — vier Jahre und so was — vier Jahre — und so was —" „Du kommst ja gleich rein ins Lazarett, Heinrich", tröstet Bethke ihn. Er wehrt ab. „Laßt man." Von da ab sagt er nicht mehr viel. Er will auch nicht hineingetragen werden, sondern draußen bleiben. Das Laza rett liegt an einem kleinen Hang. Die Allee, die wir ge kommen sind, kann man von hier aus weithin sehen. Sie ist bunt und golden. Die Erde liegt still und weich und ge borgen da, sogar Aecker sind zu sehen, kleine, braune, auf gegrabene Stücke, dicht beim Lazarett. Wenn der Wind den Blut- und Citerbrodem wegsegt, kann man den herben Geruch der Schollen riechen. Die Ferne ist blau und alles sehr friedlich; denn der Blick von hier geht nicht zur Front. Die Front liegt rechts. Weßling ist still. Er betrachtet alles ganz genau. Die Augen sind aufmerksam und klar. Cr ist Bauer und ver steht sich mit der Landschaft noch besser und anders als wir. Er weiß, daß er jetzt weg muß. Deshalb will er nichts ver säumen und wendet keinen Blick mehr ab. Von Minute zu Minute wird er blasser. Endlich macht er eine Bewegung und flüstert: „Ernst . . ." Ich beuge mich zu seinem Munde herunter. „Nimm meine Sachen heraus", sagt er. „Das hat doch noch Zeit, Heinrich . . ." „Nein, nein. Los." Ich lege sie vor ihm hin. Die Brieftasche aus abge schabtem Kaliko, das Messer, die Uhr, das Geld — man kennt das ja allmählich. Lose in der Brieftasche liegt das Bild seiner Frau. „Zeig her", sagt er. Ich nehme es heraus und halte es so, daß er es sehen kann. Es ist ein klares, bräunliches Gesicht. Er betrachtet es. Nach einer Weile flüstert er: „Das ist dann alles weg", und die Lippen zittern ihm. Endlich wendet er den Kopf ab. „Nimm's mit", sagt er. Ich weiß nicht, was er meint, aber ich will nicht noch lange fragen und stecke es deshalb in die Tasche. „Das bring ihr . ..", er fleht auf das andere. Ich nicke. „Und sag ihr ...", er sieht mich mit einem sonder baren, großen Blick an, murmelt, schüttelt den Kopf und stöhnt. Ich versuche krampfhaft, noch etwas zu verstehen, doch er gurgelt nur noch, reckt sich, atmet schwerer und lang samer, mit Pausen, stockend — dann noch einmal ganz tief und seufzend — und hat plötzlich Augen, als sei er erblindet, und ist tot. » » » Am nächsten Morgen liegen wir zum letzten Male vorn. Es wird kaum noch geschossen. Der Krieg ist zu Ende. In einer Stunde sollen wir abziehen. Wir brauchen nun nie wieder hierher. Wenn wir gehen, gehen wir für immer. Wir zerstören, was zu zerstören ist. Wenig genug. Ein paar Unterstände. Dann kommt der Befehl zum Rückzug. Es ist ein sonderbarer Moment. Mr stehen beieinander und sehen nach vorn. Leichte Nebelschwaden liegen über dem Boden. Die Trichterlinien und Gräben sind deutlich erkennbar. Es sind zwar nur noch die letzten Linien, denn dieses hier gehört zur Reservestellung, aber es ist doch immer noch Feuerbereich. Wie oft sind wir durch diesen Laufgraben vorgegangen; wie oft mit wenigen durch ihn zurückgekommen. — Grau liegt die eintönige Landschaft vor uns — in der Ferne der Rest des Wäldchens, ein paar Stümpfe, die Ruinen des Dorfes, dazwischen eine hohe, einsame Mauer, die sich immer noch gehalten hat. „Ja", sagt Bethke nachdenklich, „da hat man nun vier Jahre drin gesessen. . ." „Verdammt ja", nickt Kosole. „Und nun ist einfach Schluß." „Mensch, Mensch", Willy Homeyer lehnt sich gegen die Brustwehr. „Komisch so was, nicht . . ." Wir stehen und starren. Die Ferme, der Waldrest, die Höhen, die Linien am Horizont drüben, das war eine furcht bare Welt und ein schweres Leben. Und jetzt bleibt das ohne weiteres zurück, wenn wir die Füße vorwärtssetzen, es versinkt Schritt für Schritt hinter uns, und in einer Stunde ist es weg, als wäre es nie dagewesen. Wer kann das begreifen! Fortsetzung morgen!
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