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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1931
- Strukturtyp
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- 1931-04-25
- Erscheinungsdatum
- 25.04.1931
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- Deutsch
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U 95, 25. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblattf. d.Dtschn.Buchhanb«!. 2725 dem Tode furchtlos ins eherne Antlitz gesehen und Ihre große Pflicht getan, und wenn auch der Endsieg unseren Waffen nicht beschicken war, so wollen wir jetzt um so mehr in heißer Liebe zu unserm schwergeprüften Daterlan-e zusammenstehen, wir wollen wiederaufbauen trotz aller feindlichen Mächte, im Sinne unseres Altmeisters Goethe, der so knorrig aus den Jahrhunderten in unsere verworrene Zeit herübermahnt: Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten I" Die Stimme des Alten sinkt um eine Terz. Sie trägt jetzt einen Flor und ist in Salböl gebadet. Lin Ruck geht durch die schwarze Schar der Lehrer. Ihre Gesichter zeigen Samm lung und Ernst. „Besonders gedenken aber wollen wir der gefallenen Zöglinge unserer Anstalt, die freudig hinausgeeilt sind, um die Heimat zu schützen, und geblieben sind auf dem Felde der Ehre. Einundzwanzig Kameraden sind nicht mehr unter uns; — einundzwanzig Kämpfer haben den ruhm reichen Tod der Waffen gefunden; — einundzwanzig Helden ruhen in fremder Erde aus vom Klirren der Schlacht und schlummern den ewigen Schlaf unterm grünen Rasen —" In diesem Augenblick ertönt ein kurzes, brüllendes Ge lächter. Der Direktor hält peinlich betroffen inne. Das Gelächter geht von Willy aus, der klotzig wie ein Kleider schrank dasteht. Sein Gesicht ist puterrot, so wütend ist er. „Grüner Rosen — grüner Rasen —", stottert er, „ewiger Schlaf? Im Trichterdreck liegen sie, kaputtgeschossen, zerrissen, im Sumpf versackt —. Grüner RasenI Wir sind hier doch nicht in der Gesangstundei" Cr fuchtelt mit den Armen wie eine Windmühle im Sturm. „Heldentod! Wie ihr euch das vorstellt I Wollen Sie wissen, wie der kleine Hoyer gestorben ist? Den ganzen Tag hat er im Drahtverhau gelegen und geschrien, und die Därme hingen ihm wie Makkaroni aus dem Bauch. Dann hat ihm ein Sprengstück die Finger weg gerissen und zwei Stunden später einen Fetzen vom Bein, und er hat immer noch gelebt und versucht, sich mit der anderen Hand die Därme reinzustopfen, und schließlich abends war er fertig. Als wir dann herankonnten nachts, war er durchlöchert wie ein Reibeisen. Erzählen Sie doch seiner Mutter, wie er gestorben ist, wenn Sie Eourage haben!" Der Direktor ist bleich geworden. Er schwankt, ob er die Disziplin wahren oder begütigen soll. Aber er kommt weder zum einen noch zum andern. „Herr Direktor", fängt Albert Troßke an, „wir sind nicht hier, um von Ihnen zu hören, daß wir unsere Sache gut gemacht haben, trotzdem wir leider nicht siegen konnten. Darauf scheißen wir —" Der Direktor zuckt zusammen, mit ihm das ganze Kollegium, die Aula wankt, die Orgel bebt. „Ich muß doch bitten, wenigstens im Ausdruck —", versucht er entrüstet — „Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße!" wiederholt Albert, „das war jahrelang unser drittes Wort, damit Sie es endlich einmal wissen! Wenn es uns draußen so dreckig ging, daß wir Ihren ganzen Quatsch schon längst vergessen hatten, haben wir die gähne zusammengebissen und Scheiße gesagt, und dann ging es wieder. Sie scheinen gar nicht zu ahnen, was los ist! Hier kommen keine braven Zöglinge, hier kommen keine lieben Schüler, hier kommen Soldaten!" „Aber meine Herren", ruft der Alte fast flehentlich, „ein Mißverständnis — ein peinliches Mißverständnis —' Er kann nicht zu Ende reden. Er wird unterbrochen von Helmuth Reinersmann, der an der Pser seinen verwundeten Bruder im schwersten Feuer zurückholte und ihn tot am Verbandplatz abladen mußte. „Gefallen", sagt er wild, „gefallen sin- die nicht, damit Reden darüber gehalten werden. Das sind unsere Kameraden, fertig, und wir wollen nicht, daß darüber gequatscht wird!" Ein wüstes Durcheinander entsteht. Der Direktor steht entsetzt und völlig hilflos da. Das Lehrerkollegium gleicht einer Schar aufgescheuchter Hühner. Nur zwei Lehrer sind ruhig. Sie waren Soldaten. Der Alte versucht, uns auf jeden Fall zu besänftigen. Wir sind zu viele und Willy steht zu mächtig trompetend vor ihm. Wer weiß auch, was von diesen verwilderten Kerlen noch zu erwarten ist, vielleicht ziehen sie in der nächsten Minute sogar noch Handgranaten aus den Taschen. Er wedelt mit seinen Armen wie ein Erzengel mit den Flügeln. Aber niemand hört auf ihn. Doch auf einmal ebbt der Tumult ab. Ludwig Breyer ist vorgetreten. Es wird ruhig. „Herr Direktor", sagt Ludwig mit seiner klaren Stimme. „Sie haben den Krieg auf Ihre Weise gesehen. Mit fliegenden Fahnen, mit Begeisterung und Marschmusik. Aber Sie haben ihn nur bis zum Bahnhof gesehen, von dem wir abfuhren. Wir wollen Sie deshalb nicht tadeln. Wir alle haben ja ebenso gedacht wie Sie. Aber inzwischen haben wir die andere Seite kennengelernt. Das Pathos von 1914 zerstob davor bald zu nichts. Wir haben trotzdem durchgehalten, denn etwas Tieferes hielt uns zusammen, etwas, das erst draußen entstanden ist, eine Ver antwortung, von der Sie nichts wissen und Uber die man nicht reden kann." Ludwig sieht einen Augenblick vor sich hin. Dann streicht er sich Uber die Stirn und spricht weiter. „Wir verlangen keine Rechenschaft von Ihnen; — das wäre töricht, denn niemand hat gewußt, was kam. Aber wir verlangen von Ihnen, daß Sie uns nicht wieder vorschreiben, wie wir über diese Dinge denken sollen. Mr sind begeistert aus- gezogen, das Wort Vaterland auf den Lippen; — und wir sind still heimgekehrt, aber den Begriff Vaterland im Herzen. Darum bitten wir Sie jetzt, zu schweigen. Lassen Sie die großen Worte. Sie passen nicht mehr für uns. Sie passen auch nicht für unsere toten Kameraden. Wir haben sie sterben sehen. Die Erinnerung daran ist noch so nahe, daß wir es nicht ertragen können, wenn über sie so gesprochen wird, wie Sie es tun. Sie sind für mehr gestorben als dafür." Es ist ganz still geworden. Der Direktor preßt die Hände zusammen. „Aber Breyer", sagt er leise, „so — so war es doch nicht gemeint —" Ludwig schweigt. Nach einer Weile fährt der Direktor fort. „Dann sagen Sie mir doch selbst, was Sie wollen." Wir sehen uns an. Was wir wollen? Ja, wenn das so einfach in einem Satz zu sagen wäre. Ein starkes Gefühl brodelt unklar in uns, aber gleich Worte? Worte haben wir dafür noch nicht. Vielleicht werden wir ste später einmal haben! Fortsetzung morgen! 37S*
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