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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1931-04-17
- Erscheinungsdatum
- 17.04.1931
- Sprache
- Deutsch
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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2508 88, 17. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. ö.DtsKn. BuSSandel. Erich Maria Remarque Der Weg zurück 7. Fortsetzung. So sehr ich mir auch den Kopf zerbreche, mir fällt nichts Rechtes ein. Von den Sachen draußen kann man mit Zivi listen nicht reden, und etwas anderes kenne ich ja nicht. „Ihr habt doch sicher hier viel mehr erlebt", sage ich ent- schuldigend. Das haben sie. Meine Schwestern erzählen, wie sie das Abendbrot zusammenhamstern mußten. Zweimal ist ihnen von den Gendarmen alles auf den Bahnhöfen abgenommen worden. Beim drittenmal haben sie die Eier in die Mäntel genäht, die Wurst in die Blusen gesteckt, und die Kartoffeln in Taschen unter den Röcken verborgen. Da sind sie durch gekommen. Ich höre ihnen etwas abwesend zu. Sie sind großgewor den, seit ich sie zum letztenmal gesehen habe. Vielleicht habe ich damals auch nicht so darauf geachtet, deshalb fällt es mir jetzt um so mehr auf. Ilse muß schon über siebzehn sein. Wie die Zeit vergeht — „Weißt du, daß Regierungsrat Pleister gestorben ist?" fragt mein Vater. Ich schüttele den Kopf. „Wann denn?" „Im Juli, ungefähr um den zwanzigsten herum —" Das Wasser auf dem Ofen singt. Ich spiele mit den Fransen der Tischdecke. So, im Juli, denke ich, im Juli — da haben wir in den letzten fünf Tagen sechsunddreißig Mann verloren; — doch ich weiß kaum noch von dreien, wie sie heißen, so viele kamen später noch dazu. „Was hat er denn gehabt?" frage ich, ein bißchen schläfrig von der un gewohnten Wärme des Zimmers, „Splitter oder Gewehr schuß?" „Aber Ernst", erwidert mein Vater verwundert, „er war doch gar kein Soldat! Lungenentzündung hat er gehabt." „Ach, richtig", sage ich und setze mich auf meinem Stuhl zurecht, „das gibt's ja auch noch." Sie berichten weiter, was seit meinem letzten Urlaub passiert ist. Der Schlächter an der Ecke ist von hungrigen Frauen halbtot geschlagen worden. Einmal, Ende August, hat es für jede Familie ein ganzes Pfund Fisch gegeben. Der Hund von Doktor Knott ist weggesangen und wahr scheinlich zu Seife verarbeitet worden. Fräulein Mentrup hat ein Kind gekriegt. Die Kartoffeln sind wieder teurer geworden. Nächste Woche soll es vielleicht auf dem Schlacht hof Knochen zu kaufen geben. Die zweite Tochter von Tante Grete hat im vorigen Monat geheiratet, einen Rittmeister sogar — Draußen klopft der Regen an die Scheiben. Ich ziehe die Schultern hoch. Sonderbar, wieder in einem Zimmer zu sitzen. Sonderbar, zu Hause zu sein — Meine Schwester hält inne. „Du hörst ja gar nicht zu, Ernst —", sagt sie erstaunt. „Doch, doch", versichere ich und raffe mich rasch zusammen, „einen Rittmeister, natürlich, einen Rittmeister hat sie ge heiratet." „Ja, stell dir vor, das Glück", fährt meine Schwester eifrig fort, „dabei hat sie doch das ganze Gesicht voll Sommer sprossen! Was sagst du nur dazu?" Was soll ich schon dazu sagen — wenn ein Rittmeister eine Schrapnellkugel ins Gehirn kriegt, ist er ebenso erledigt wie andere Menschen auch. Sie sprechen weiter, doch ich kann meine Gedanken nicht recht Zusammenhalten. Immer wieder schweifen sie ab. Ich stehe aus und sehe aus dem Fenster. Ein paar Unterhosen hängen auf der Leine. Sie flattern grau und träge in der Dämmerung. Das unsichere Halbdunkel der Bleiche flackert, — und plötzlich steigt schattenhaft und fern ein anderes Bild dahinter herauf; — flatternde Wäsche, eine einsame Mundharmonika im Abend, ein Vormarsch im Zwie licht, — und viele tote Neger in fahlen, blauen Mänteln, mit zerborstenen Lippen und blutigen Augen, — Gas. Das Bild ist einen Augenblick ganz deutlich, dann schwankt es und schwindet, die Unterhosen flattern hindurch, die Bleiche ist wieder da, und ich spüre hinter mir wieder das Zimmer mit Eltern, Wärme und Geborgenheit. Vorbei, denke ich er leichtert und wende mich rasch ab. „Weshalb bist du nur so zappelig, Ernst?" fragt mein Vater, „du hast noch keine Viertelstunde hintereinander ruhig gesessen." „Vielleicht ist er übermüdet", meint meine Mutter. „Nein", antworte ich etwas verwirrt und denke nach, „das nicht. Aber ich glaube fast, ich kann nicht mehr so lange auf einem Stuhl sitzen. Im Felde hatten wir keine, lagen wir immer herum, wie es grade traf. Ich bin es einfach nicht mehr gewöhnt." „Komisch", sagt mein Vater. Ich zucke die Achseln. Meine Mutter lächelt. „Warst du schon in deinem Zimmer?" fragt sie. „Noch nicht", erwidere ich und gehe hinüber. Mir schlägt das Herz, als ich die Tür öffne und im Dunkeln den Geruch der Bücher atme. Hastig knipse ich das Licht an. Dann blicke ich mich um. „Es ist alles genau so geblieben", sagt meine Schwester hinter mir. „Ja, ja", antworte ich abwehrend, denn ich möchte jetzt lieber allein sein. Doch die andern kommen auch schon. Sie bleiben in der Tür stehen und blicken mich aufmunternd an. Ich setze mich in den Lehnstuhl und lege die Hände auf die Tischplatte. Sie fühlt sich glatt und kühl an. Ja, alles ist so geblieben. Da liegt sogar noch immer der Briefbeschwerer aus braunem Marmor, den mir Karl Vogt geschenkt hat. Er hat seinen Platz wie früher neben dem Kompaß und dem Tintenfaß. Aber Karl Vogt ist am Kemmel gefallen. „Gefällt dir das Zimmer nicht mehr?" fragt meine Schwester. „Doch", sage ich zögernd, „aber es ist so klein —" Mein Vater lacht. „Es war doch früher genau so."
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