Wieder geht da» dumpfe Signal, schon ganz nahe, und nun sieht man den Dampfer langsam beim „Brausenden Wasser" um die Ecke biegen. Er hat noch die Positions- latcrnen gesetzt, obgleich es schon fast Tag geworden ist. Der Nordost wühlt ihm den Qualm au» dem Schornstein und wirft ihn in Fetzen den Harrenden ins Gesicht. Rhyth misch tuckt, wie Herzschlag, die Maschine im Schiffsrumpf, der immer näher kommt, eine kleine Bugwelle vor sich herschiebend. Das Vorschiff ist heute über Mannshöhe mit Kisten bestellt: Sprotten, Bücklinge, Flundern, Heringe, Räucherlachs und Aal. Sie kommen aus den Räuchereien von Schiewenhorst und Bodenwinkel, von Pasewark und Bohnsack, von Östlich- und Westlich-Neufähr und von Heubude. Fischerfrauen und Räucherer stehen zwischen den Stapeln und sammeln sich zum Ausladen vor ihrer Ware an der Reling. Sie wissen, welchem Ansturm sie jetzt Trotz zu bieten haben. Nun ist er schon ganz nahe, der schwarze Kasten. Der Kapitän läßt die Maschine rück wärts gehen und lugt beim Heranschwojen aus dem Steuerhaus. Der Schiffsjunge macht die Ankerleine klar und das Laufbrett. Mit Volldampf rückwärts schrammt die „Diana" am Bollwerk längs, daß die Bohlen ächzen. Der Wurfanker klirrt aufs Halte eisen, die Maschine steht, das Tau kreiselt schneidend um den Poller, der Dampfer hält. Wer von den Ankommenden die Ware selbst verhökern will, drängt jetzt von Bord, durchbricht den Schwarm der Wartenden auf der Brücke und rennt wie gestochen davon, im Wettlaus um den besten Stand am Markt. Schon setzt der Gegensturm auf den Dampfer ein. Die Jüngeren springen, kaum daß die „Diana" vertäut ist, auf die Scheuerleiste. Ein Expedient rutscht mit den glatten Sohlen vom vereisten Holze ab, sängt sich mit den Händen am Geländer und steht mit zwei Schwüngen an Bord. Der dicken Iäschke gelingt es natürlich nicht, auf- zucntern, dafür schreit sie um so greller: „Delleske, micne Oal! Eck hew bestellt, her mit ennl" Dom Bollwerk werfen die erfahrenen Fischfrauen abgebundene Schürzen, Kopftücher oder Säcke auf die Kisten, die Körbe, die Kübel, denn, was man belegt hat, gilt als gekauft.' „Niegen Kest' Sprotte hcww eck beställt! ... Dat es mien Lachs! ... Loate Se mich doch tofrede, Sc Rachull, allet welle Se hewwel ... Kick de Fabelsche, de giez- hammcl, nich een Pond well se mi loate!... Hände weg, das gehört Firma Sörensen! ... Koarl, kemmst nich, de Flundern sind all geklaut! ... Zehn Se wech, Mann, Ihre Kijt' is all oben!... gibst her, Du Lcidak, ich knall Dir 'n paar vore Freet!" ... Das ist der Kamps ums Brot. Mit zierlichen Worten gewinnt ihn keiner. Das Leben ist hart zwischen Kähnen und Kuttern. Wer alt ist oder schwach, muß hinten stehen, und keine Seele hilft: „Mein Gott, Herr Paleschke, geben Sie mir doch fünf Pfund Stremellachs ab!" Der steht mit breitem Kreuz vor seinem Kistenstapel: „achtzehn ... zwanzig ... zweiundzwanzig I Stimmt! Emil, bring' se ricber!" „Herr Paleschke ..." „Was woll'n Se? Heit' am Sylvester? Nee!" Der vergrämten Dreißigerin, deren Mann vorigen Herbst vor Hela geblieben ist und die für fünf Kinder zu rackern hat, stehen die Tränen im alten Gesicht: „Och Gott, och Gott doch, was mach' ich bloß! Wenn Anton Reschkc aus Schiewenhorst nicht die zwei Sprottcnkisten und den Spaltaal mit Gewalt festgehalten hätte, wäre auch Mutter Nvetzel heute leer aus gegangen. Sie will schon erleichtert aufatmen, aber da fällt ihr ein: „Reschkechen, mien Stremellachs? Eck hew ne Bestellung!" „Bringt meine Frau mit dem nächsten Dampfer. Sind nich mit fertig geworden." ' Seit vor einigen Jahren die .Danziger Fischzentraie" eingerichtet wurde, ist der Absatz anders geregelt. Ib