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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.09.1937
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1937-09-16
- Erscheinungsdatum
- 16.09.1937
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- Deutsch
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füllte, bot in ihrer ruf Schwarz und Weiß abgestimmten Fesl- Ileidung eine berückende Sinfonie aus Farben, wie sie einem Degas vorgefchwebt haben mochte. Immer wieder richteten sich die Blicke der Laufende auf die Ehrenloge, wo neben Staatssekretär Funk Frankreichs großer Beelhooentenner und Freund deutjcher Kunst, Kammerpräsident und Bürgermeister Edouard Herriot, Platz genommen hatte. Den Glanz- und Höhepunkt dieses den deutschen Kunsttanz in seinen verschiedenen Formen bietenden Abends bildete die Gruppe Günther-München. Die von einer stimmungsvollen Begleitmusik untermalten Tänze schlugen das Haus mit ihrem bald lebensbejahenden Rhythmus, bald ihrer kultischen Feierlichkeit gleichsam in zauberischen Bann. »Eine Eigenart der Vorführungen des Günther-Ballettes ist die musikalische Stütze, die ihnen als Grundlage dient-, schrieb andern Tags das große Pariser Morgenblatt »Lxeslsior«. »Einige Schalmeien, einige Tamburinen und eine Gruppe Xylophone, — manchmal ein mehr gemurmeltes als gesungenes Rezitativ, bestreiten die musikalische Begleitung. Aber was sür ein unfaßbar, märchenhafter Zauber liegt darin!« Harald Kreutzbergs von starker Eigenart und Be herrschung der Mittel getragene Tanzschöpsungen wurden durch das sarbenfrohe an den Volkstanz sich anlehnende Ballett »Tanz um die Welt« abgelöst, das die Tanzgruppe des Deutschen Opern hauses Berlin in ihren prächtigen Kostümen mit jener scheinbar selbstverständlichen Natürlichkeit gestaltete, die ein untrüglicher Gradmesser und Ausdruck sür volllommenste Beherrschung der Mittel ist. Und als dann gegen Mitternacht mit dem »Kaiser walzer« von Johann Strauß die ganz in Weiß gekleideten leicht beschwingten Paare den Schlußpuntt hinter den aus Melodie und Bewegung gefügten bunten Bilderbogen setzten, da stimmte das verwöhnte Publikum in Logen und Orchester in die entfesselten Begeisterungsruse der Jugend aus der Galerie mit ein. Der dritte Tag der Deutschen Kulturwoche war dem deutschen Kunst- und Volkslieds gewidmet, das unter einem in Paris bisher niemals erlebten Einsatz der besten deutschen Chöre die Tausende im Pleyelsaale versammelten Pariser und Ausländer zu Sympathiekundgebungen chinriß. Es ist schwer zu sagen, wer die Palme des Sieges an diesem Abend davontrug. War es der Kölner Männer-Gesang-Verein, der unter der Stabführung von Generalmusikdirektor Pros. Eugen Pabst mit einer Blutenlese unserer schönsten Volkslieder den ganzen Saal mit heimatlicher Stimmung erfüllte? War es Heinrich Schlusnus' inniger und be seelter Vortrag von Liedern Schuberts, Hugo Wolss oder von Richard Strauß? Oder waren es die zweihundertundsünfzig Sän ger und Sängerinnen des Kittelschen Chors aus Berlin, die unter der meisterlichen Stabführung ihres Dirigenten einen einzigen Block bildeten, ein von glockenreinen Stimmen widerhallendes Gefäß, aus dessen Tiefen das erlösende »dlon vonluncka in noter- num« des Brullnerschen »re Oenm« ausjauchzte durch den Saal? Am Montag, dem 6. September, gab die Stadt Köln, die als einzige Stadt der Welt aus der Purster Weltausstellung einen eigenen Pavillon in bevorzugter Lage am Seineuser besitzt, im Rahmen der Kulturwoche einen künstlerischen Unterhaltungsabend, der den Kölner Sängern Gelegenheit bot, vor Tausenden von Ausstellungsbesuchern zu singen. Der Chor hatte aus einem vor der Terrasse des Kölner Hauses verankertem Boot Aufstellung genommen. Als dann unterm Lichtzauber der Scheinwerfer, und angesichts der taghell erleuchteten Ausstellungsbauten unsere schönsten Volkslieder weithin vernehmbar aus hundert Männer- kehlen aufstiegen in die Pariser Nacht, da war es wie ein schöner Traum, bis der vom Pont Jöna und den von endlosen Zuhörer- tetten umsäumten Kais herüberdröhnende Beifallsdonner von der unsaßbaren Wirklichkeit überzeugte. Es war nicht nur für alle Deutschen, sondern vor allem sür die Pariser selbst ein unvergeß liches Erlebnis, deutsche Volkslieder im Herzen der sranzösischen Hauptstadt unter freiem Himmel zu vernehmen. Am gleichen Abend hatte sich im Theater der Champs Elysöes »Ganz Paris« Stelldichein gegeben, um Richard Strauß' »Ro senkavalier- zu vernehmen. Trotz der glühenden Sommer hitze war der Saal ausverkauft und als das Orchester der Staats oper Berlin mit dem für den erkrankten Komponisten eingejprun- genen Generalmujildirettor Prof. 1)r. Clemens Krauß an die Pulte trat, durste es gleich reichliche Vorschußlorbeeren ernten. Unter der Gesamtleitung von Generalintendant Heinz Tietjen, der Regie Josef Gielens, der technischen Leitung von Jos. Klein und dem idealen Zusammenwirken von Orchester und Darstellung wurde die von den bezaubernden Bühnenbildern des verstorbenen Leo Pasetti untermalte Aufführung des nach Inhalt und Aus stattung den Franzosen leicht zugänglichen Werks zu einem der vielen Gipfelpunkte der Kulturwoche. Es gab keine »großen« und »kleinen« Rollen an diesem Abend. Jeder einzelne Künstler rang in restloser Erfüllung der ihm zugewiesenen Ausgabe um die ge meinsame Palme des Sieges deutscher Kunst. »Clemens Krauß und das Orchester der Staatsoper Berlin sowie der flott sich ab wickelnde Dialog haben dem Straußschen Werk seinen tvahren Charakter als Spieloper erhalten«, stellte der nicht leicht zusrie- denzustellende Kritiker des »Tempo« mit rückhaltloser Anerken nung sest. Der 7. September 1937, der Beethovens Neunte Symphonie brachte, wird als Tag von geschichtlicher Bedeu tung in den Annalen des deutsch-sranzösijchen Kulturaustausches mit ehernen Lettern eingeschrieben stehen. Schon beim Betreten des Großen Pariser Konzerthauses Pleyel wurde man von der Ahnung eines großen Geschehens erfaßt. Republikanische Garde in Paradeuniform umsäumte die mit Plüschteppichen aufgelegte Halle, in der Staatssekretär Funk, der Deutsche Botschafter Gras Welczeck, sowie alle Mitglieder des Empfangsausschusses in großem Ordensschmuck die bedeutendsten Ehrengäste begrüßten. Die Mit glieder der französischen Regierung, das Diplomatische Korps, dar unter der Französische Botschafter in Berlin, Francois Poncet, zahlreiche Senatoren und Abgeordnete hatten bereits im Saale Platz genommen, als die vom Philharmonischen Orchester ange stimmte »Marseillaise« das Eintreffen des Staatspräsidenten Lebrun ankündigte. Als dann bei den Klängen des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes die im Saale anwesenden Reichsdeutschen den Arm zum deutschen Gruß erhoben, und die Tausende von Franzosen in respektvoller Haltung dis deutschen Hymnen mit- anhörten, da war es wie ein Ausbruch zu noch größerem Ge schehen. Furtwängler tritt unter rauschendem Beifall ans Pult. Dann tritt tiefste Stille ein, die zwei volle Stunden von der in religiöser Andacht lauschenden Gemeinde gewahrt wird. Vom glei chen Gefühl waren das Philharmonische Orchester, der Kittelsche Chor und die Solisten beseelt, als sie von dem Bewußtsein ihrer völkerverbindenden Mission durchdrungen, sich auf den Spuren des unsterblichen Genius durchrangen zum erlösenden Freuden schrei »Und der Cherub steht vor Gott«. Und das Wunder geschah: die Tausende tranken jede Note, jeden Ton in sich hinein. Beet hovens »Neunte« läuterte die Seelen, erhob die Herzen, — und als das »Such ihn überm Sternenzelt! Über Sternen muß er wohnen«, unter dem vollen Einsatz von Chor, Solisten und Or chester hinbrauste über den Saal, wußten sich die Tausende in Brüderlichkeit verbunden. Eine Sekunde weichender Beklemmung, tiefen Atemholens: dann prasselten die Beifallsstürme nieder und steigerten sich bis zur Raserei. Bis hinaus in den nächtlichen Fau- bourg Saint Honorö hatte sich das Echo dieses historischen Abends fortgepslanzt, und als Staatspräsident Lebrun zwischen den mit blantgezogenem Säbel die Ehren erweisenden Garden das Konzert- Haus verließ, da spiegelte sich seine eigene Ergriffenheit auch in den Gesichtern der draußen harrenden Menge. »Unvergeßliche Augenblicke, die uns die geniale Schöpfung Beethovens in neuem Lichte zeigten-, schrieb ein französisches Blatt. »Möchte die Neunte Symphonie, deren Verse von Schiller mit solcher Kraft und Über zeugung das Ideal der Brüderlichkeit verkünden, das im Herzen Beethovens glühte, bald von allen Menschen verstanden und ver wirklicht werden-, äußerte sich ein anderes. Mit der Ausführung der Opern »Walküre», »Tristan« und »Ariadne auf Naxos- fand die Deutsche Kulturwoche ihren denk würdigen Abschluß. 73»
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