40, 17. Februar 1911. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. 2083 chfMUni Leipziger Neueste Nachrichten: Paul Zifferer hat sich zunächst einen Namen durch seine stilistisch überaus durchgefeilten Feuilletons erworben. Das war allerbeste Wiener Schule, doch mit einem sehr prononeierten, auf Flaubert und Maupassant zurückweisenden französischen Einschlag. Keine geistreichen Schaum schlägereien, sondern sehr prägnante, oft verblüffend unmittelbare Inszenierungen virtuos erhaschter Lebensimpressionen. So zeigte sich schon in diesen Feuilletons der gewandt mischende, mit sicherster Verve agierende Farbenkünstler. Von hier bis zum Novellisten war dann der Sprung kein großer. And doch tritt uns Zifferer in seinen Novellen als ein Neuer entgegen. Er versteht die Farben mehr unterzuordnen und wirft seine Hauptkraft auf die streng-konsequente und logisch-lückenlose Durchführung seiner jeweiligen Themas Zifferer erblickt im Leben ein Maskenspiel, und die Menschen spielen darin Rollen, in denen sie ihr eigentliches Wesen mit fremden Larven zudecken Menschen, die gleichsam von sich selber abgedrängt und sozusagen mit einer fremden Lebensart wie mit einem Gauklerkleid überzogen werden, sind Zifferers Marionetten und Akteure: ein bunter Schwarm von Sonderlingen, Schwächlingen und Narren, die wie sorglich aufgespießte Schmetterlinge auf der sicher gehandhabten Nadel ihres Herrn und Meisters stecken Pester Lloyd: Dieser Novellenband des geistvollen Wiener Schriftstellers ist gewiß den vielen, die seine kultivierte, künstlerische Prosa liebgewannen, eine Wunscherfüllung. Was man längst ahnte, bestätigt sich hier: daß hinter dem sprachgewandten und liebenswürdigen Feuilletonisten Paul Zifferer eine eigenwüchsige, moderne Persönlichkeit und eine starke dichterische Begabung stecke. Für die deutsche Novelle scheint seit kurzem, nach vielerlei impressionistischen und naturalistischen Künsteleien unter bald französischem, bald skandinavischem Einfluß wieder eine Zeit neuer Reife anzubrechen, die unverkennbar den Anschluß an die alte Kunstform dieses Genres sucht. Doch auch inmitten des Besten dieser jüngsten Produktion werden die Novellen Zifferers in der ersten Reihe stehen. Hier sind fast durchwegs die höchsten Ansprüche erfüllt: eine rein gegenständlich fesselnde Begebenheit wird mit virtuoser Technik vorgetragen, doch im Hintergründe der Erzählung steht ein tiefer und ernster Gedanke, und vom Wege, den sie uns entlang führt, gibt es rechts und links weite und überraschende Ausblicke auf mancherlei Menschentum und Menschenschicksal, auf große und kleine Wellen Dieser Novellenband gehört zu jenen seltenen Büchern, deren Inhalt literarisches Gewicht hat, deren Form voll künstlerischen Reizes ist, und die dabei so unterhaltend und fesselnd sind, daß sie den Anspruchsvollsten wie den Bescheidenen gleich viel geben. Ein Buch also, das seinen Weg machen wird. Münchener Neueste Nachrichten: Hier ist^ein ganz ursprüngliches Erzählertalent, überall i st ein Einfall immer ein dichterischer Einfall, und die feinsten Beziehungen strömen dem Dichter wie mühelos zu. Man kann auf dieses Buch nicht laut genug Hinweisen; denn mit ihm hat Deutschland einen Erzähler ersten Ranges mehr. *2 -