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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.07.1911
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- 1911-07-19
- Erscheinungsdatum
- 19.07.1911
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8406 Börsen«»« s. d. Lisch». BuWalldel. Mchtamtlicher Teil. 165, 19. Juli 1911. und Zeichenlehrerin und Vorleserin der Königin Augusta. Sie hatte in ihrem elterlichen Hause noch den alten Heiden Goethe kennen gelernt und mußte wundervoll von ihm zu erzählen. Sie war das reine Quecksilber, lustig und lachte mit Vorliebe laut auf. Ihr begegnete Hertz mit einer rührenden Verehrung und Hingebung; leider lud er die gute alte Dame, wenn sie in der schönsten Schilderung war, in sein Privatkontor, damit sie sich setzen könne. Wir kamen um manche Schilderung, die man heute mit Gold aufwiegen würde. Anders ihr Bruder Friedrich, ein grimmiger Hagen und bitterböser Held. Hertz ließ bei ihm Ludwig Hahns Leitfaden der brandenburgisch-preußischen Geschichte drucken und bestellte in einem Brief eine neue Auflage, welchen Brief Ferdinand Springer, der ihn abends zur Post geben sollte, etwa sechs Tage lang in der Tasche behielt. Leider beriet ihn der ältere Lehrling, als er es ihm erzählte, ziemlich einfältig, er solle an Frommann, indem er ihm den Brief sandte, die Bitte richten, er wöge das Vorkommnis entschuldigen und dem Chef, der auf die Bestätigung des Auftrags mit Un geduld wartete, nichts verraten. Er tat es, und zwei Tage darauf kam ein Brief aus Jena, der den Vorfall mit hämischen Worten meldete. Der Chef war wider alles Er warten außerordentlich milde gestimmt, putzte den Sünder zwar herunter, hielt ihm dann aber einen Briefbogen hin und fing an zu diktieren; Herrn Friedrich Frommann in Jena. Dann ein Halt! Springer mußte eine andere Arbeit erledigen, und Hertz rieb dem Jenenser den Kümmel, daß es eine Art hatte. Sein Lehrling habe sich vertrauensvoll an ihn gewandt und er dieses Vertrauen getäuscht. Versehen könnten überall Vorkommen, aber es sei nicht zu billigen, daß man sie so verwerte, und er sei ihm für die Angeberei gar nicht dankbar. So handelte der Chef an seinem Lehr ling, der allerdings sein Liebling war, aber er hätte es bei jedem anderen auch getan. Seine ehrliche Gesinnung verlangte die gleiche, um was es sich auch immer handeln mochte. Den SamStag-Abend benutzte der Chef damals mit Vorliebe dazu, in der letzten Stunde die beiden Lehrlinge auf ihre Kenntnisse in der Geschichte und ihren Hilfsnussen- schasten, Völkerkunde und Verwandtem, zu prüfen und nach den neuen Erscheinungen der Woche zu fragen. Ferdinand war dem älteren entschieden in der Fixigkeit über, dieser aber ihm nicht selten in der Richtigkeit. Einmal war Springer in übler Laune — cs war bald nach der Bestellanstalts- Affäre — und sprach offenbar absichtlich den Namen des bekannten Breslauer Professors Cohn als Kann aus, blieb auch auf Vermahnung dabei, daß sich in diesem Fall der Name so ausspreche, und nun ging der Tanz los. Er wurde heruntergekanzelt, als ob er an den scheußlichen Hempelschen Beischlüssen, die eigentlich gerade Hertz am meisten im Magen hatte, ein Majestälsverbrechen begangen habe, und als der ältere Lehrling ihm beisprang und gleichfalls klagte, wie man doch in dieser Beziehung Jahr und Tag hinter den Lauf burschen rangiert habe, wandte sich auch gegen ihn das Gewitter. Mit dem Ciceronianischen tzaoneguo tavckom begann es, dann kam das mittelalterliche Latein des Leutpriesters Schluß mußte wieder der alte Horaz herhalten, und seine paterva rura wurden ihm für den Berus des göttlichen Eumaios empfohlen. Denn ein Buchhändler werden Sie nie, hieß es mit Vorliebe. Aber geschadet haben diese Examina beiden nichts. Hertz wußte, was er wollte, und vor allem wußte er viel und das Viele richtig. Es handelte sich bei ihm nicht um Namen und Titel, sondern stets auch um den Inhalt. Der Stoff des Sophokleischen Oedipus aus Kolonos war ihm so ver traut wie Goethes Erwachter Epimenidcs, griechische und römische Historiker kannte er wie einer, in der Metrik wußte er trefflich Bescheid, die Maler der römischen Renaissance be urteilte er gleichermaßen mit Kenntnis und Geschmack. Nie verlor er sich in Redewendungen, sondern blieb immer sach lich und stofflich. Was Wunder, wenn sich eine so glücklich veranlagte und lebhafte Natur wie die Ferd. Springers an der seines Lehrherrn entzündete, wenn er fühlte, daß Wissen Macht ist, und sich darauf sein System gründete. Das freilich hat da mals keiner von uns geahnt, und er selbst vielleicht auch nicht, daß er, der in der Lehre kaum je von Literatur auf dem Gebiete der angewandten Naturwissenschaften hörte, dereinst der berufenste Vertreter dieses Verlagszweiges werden sollte. Aber ihm sagte die Art seines Lehrherrn trotz allem im Innersten zu, er mochte frühzeitig begreifen, wie das schon betont wurde, daß eine allgemeine Bildung auch die Grund lage der speziellen Fachbetätigung sein muß. So wurde er nachgerade Sortimenter, Verleger und Kommissionär, wie es sein Vater auch gewesen war, und cs hätte scheinen können, als ob er ein Ähnliches als er strebenswertes Ziel im Auge habe; das aber war keineswegs der Fall, und aus vielen Äußerungen konnte man schließen, daß er von vornherein ausschließlich der Verlagstätigkeit zu gewandt war und blieb. Auf eine höhere Ausbildung seiner Lehrlinge hielt der Chef in jenen Jahren besonders große Stücke. So mußte Ferdinand Springer gleich seinem Vorgänger einige öffent liche Vorlesungen in der Universität, insbesondere bei Curtius, Müllenhoff und Werder, allwöchentlich einmal besuchen, und regelmäßig knüpfte sich daran ein längeres Examen im Geschäft. Hertz selbst besuchte noch bis in sein höheres Alter einige all gemein bildende Vorlesungen, und Herman Grimm nannte ihn mir Stolz gelegentlich seinen ältesten Hörer. Jeweils forderte er auch zum Theaterbesuch auf, stiftete ein Billet und bestimmte die Stücke nach seiner Wahl, die indes bei Springer nicht selten auf mehr oder minder leb haften Widerstand stießen. Denn dieser, eine Frohnatur, neigte vornehmlich dem heiteren Genre zu, das damals Wallner und die Friedrich-Wilhelmstadt boten, und war von den seriösen Darbietungen am Schillerplatz wesentlich weniger entzückt. So vergingen die Lehrjahre bei ernster Arbeit, an der cs nie fehlte, und kurzen Ruhepausen, die eben doch auch eine gewisse geistige Teilnahme beanspruchten. Der Chef durfte sich seines Lehrlings freuen, der in allem eine tüchtige Natur bekundete, die von Schonung nichts wissen, vielmehr an sich größere Ansprüche gestellt wissen wollte. Und an Anerkennung fehlte es dem Strebsamen nicht, der des öfteren seinem älteien Mitarbeiter als Muster von klarer und kluger Denkungsart und emsiger Geschäftstätigkeit hingestellt wurde. Und mit Recht. Der Jüngling ließ den späteren Mann erkennen, der zielbewußt, wenn auch in vielem ganz eigenartig, geschäftlich eine Herrennatur, nach keiner Seite ein Herdenmensch, zu meist ernst und nachdenklich, dann wieder kindlich-heiter, seinen Weg ging, der zum Höchsten führte. Schon damals ließ sich Springer in Neigung und Abneigung, Ansichten und Absichten nicht beirren; er konnte gut schweigen, ohne doch durch Geheimtuerei zu verletzen, war ein leidlicher Sprecher, dem es an Gedanken gar nie, doch auch nicht am geeigneten Ausdruck fehlte, sowie eine Persönlichkeit von festem Willen und unbeugsamer Konsequenz, — dabei ein guter Kamerad, der, wir wissen es, einem hübschen Scherz, ja einem tollen Streich nie abhold war. So luden uns einstmals seine Eltern zu einem Abend brot. Hans Hertz, des Meisters Ältester, die bravste Haut, Albert Goldschmidt, Leonhard Simion, wer sonst noch und wir beide waren von der Partie. Man war ganz unter
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