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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.10.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-10-09
- Erscheinungsdatum
- 09.10.1911
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- Deutsch
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- Saxonica
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^ 235, S. Oktober 1811. Nichtamtlicher Teil. BSrsmilE s, d. Dtsch», Bucht,«ndel. 117 5 5 sondern die Gemeinschaft aller muß diese Vortragsabende (richtiger erscheint mir »Dichterabende,) in jeder einzelnen Stadt veranstalten. Wenn sich erst diese Erkenntnis Bahn gebrochen hat, kommen wir auf dieser modernen Grundlage Wieder zu den alten, erhabenen Gebräuchen der Barden und Rhapsoden zurück. Die Verwaltung der Zentralstelle müßte die Redaktion des Börsenblattes übernehmen unter Beratung sachkundiger Leute, wozu auch die Dichter gehören. Durch diese Zentral stelle könnten die Kosten auf die Hälfte herabgesetzt werden. Die Dichter könnten dann ihre Vorträge hintereinander absolvieren. Natürlich wird es Sache der Dichter sein, daß sie die nötigen Vorbedingungen zu so einer Rundreise erfüllen. Es genügt nicht, die Zeilen, die man gedichtet hat, fehlerlos herunterzulesen. Man muß auch imstande sein, das hören zu lassen, was zwischen den Zeilen steht. Denn es gibt nichts Jammervolleres als einen Dichter, der sein bestes Gedicht vorliest und es dabei durch seine rezitatorische Un fähigkeit in aller Liebe ermordet. Aber auch diese Unglück lichen brauchen vor den andern nicht zurückzutreten. Wenn sie eben nicht lernen wollen oder können, dann mögen sie sich einen Rezitator halten. Der mag dann als ihr Vertreter bei der Zentralstelle seine Karte und seine Autorisation abgeben. Ebenso übel aber ist die andere Manier. Theatermätzchen gehören nicht auf das Rednerpult. Sie widersprechen der Würde der Dichtung. Sogar die humoristische Dichtung muß ihre Würde bewahren. Es geht nicht an, daß ein moderner Barde auf dem Podium herum- hoppst und Grimassen wie ein Halbaffe schneidet, auch wenn er Schnurren erzählt. Nicht alle deutschen Dichter können vorlesen, sehr wenige können gut vorlesen, und bei diesen wenigen eignet sich durchaus nicht alles zum Vortkag, was sie geschrieben haben. Eine Schreibe ist keine Rede, meinte der alte Bischer. Aber eine Schreibe ist noch lange keine Vorlese! Ein zartes, lyrisches Gedicht in einem Raum vor mehr als 100 Per sonen vorzulesen, das ist schon ein sehr großes Wagnis. Fünf solcher Gedichte, hintereinander verabreicht, können schon eine Katastrophe höherer Ordnung erzeugen. Am besten eignet sich zum Vortrag die Ballade. Sie ist ja eigens zu dem Zwecke des lauten Vortrags gedichtet. Und wenn sie sich nicht vortragen läßt, dann ist es eben keine Ballade. In der Prosa ist die Novelle dis gegebene Form für den Vor trag, nur darf sie nicht zu lang und vor allem nicht lang weilig sein. Auch Romankapitel, wenn sie die nötige Spannung in sich haben, lassen sich vorlesen. Es wird aber immer Stückwerk bleiben und die Zuhörer zum Teil unbe friedigt lassen. Doch vielleicht ist das gerade ein Anreiz, den betreffenden Roman zu lesen. Und dann der Humor. Ein Dichter, der Humor hat, hat das Publikum schon halb in der Tasche, bevor er den Mund auftut. Die andere Hälfte steckt er schon beim dritten Satze ein. Denn die Humoristen können fast ausnahmslos gut lesen. Es ist natürlich viel schwieriger, eine ernste Sache, als eine humoristische zum Vortrag zu bringen. Über das Drama kann ich mich kurz fassen, es gehört aus die Bühne, woran die Lesesaulheit der Dramaturgen nicht ein Jota ändert. Nun gibt es noch eine andere Art von literarischem Vortrag. Es stellt sich ein möglichst gescheiter Mensch hin und plaudert ein Feuilleton über irgend einen Dichter herunter. Das halte ich für völlig verwerflich, wenn man die Gelegenheit hat, den Dichter selbst zu hören. Kunstwerke, die Erklärungen nötig haben, um verstanden zu werden, sind keine Kunstwerke. Und Einführungen in das Kunstwerk sind bei dem Publikum, das hier in Betracht kommt, überflüssig. Ich fasse zum Schluß meine Ansicht zu folgenden Thesen zusammen: 1. In jeder Stadt bildet sich auf Grund der Sorti menter-Vereinigung ein Komitee zur Veranstaltung von Dichterabenden, sodaß für jeden dieser Abende alle Buch handlungen geschlossen eintreten. 2. In Leipzig bildet sich im Anschluß an die Redaktion des Börsenblattes eine Zentralstelle, die Anmeldungen ent- gcgennimmt, sowohl von seiten der Buchhändler als auch der Dichter, die Rundreisen der Vortragenden zusammenstellt, für event. Vertretungen sorgt und Abrechnung leistet. 3. Im Börsenblatt wird eine besondere Rubrik für diese Organisation geschaffen, wo die betreffenden Nachrichten veröffentlicht werden. 4. Überschüsse kommen zu gleichen Teilen der Schiller stiftung und dem Unterstützungsverein Deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehülfen zugute. Wedel-Schulau. Ewald Gerhard Seeliger. IV. Ich habe mit großem Interesse die beiden Aufsätze Friemars über »Vortragsabende« im »Börsenblatt« ge lesen, und ich glaube bestimmt, daß ein jeder Autor, von dem im Buchhandel Werke erschienen sind, den dort ge gebenen Anregungen freudigen und hoffnungsvollen Herzens zustimmen wird. Eine jede Aktion, den Absatz guter Bücher, die bisher das Dasein eines Anachoreten geführt haben, zu steigern, erscheint segensreich. Und eine Wandlung der gegenwärtigen, namentlich für den Schriftsteller recht tristen Verhältnisse kann nur dann eintreten, wenn sich der Sortimenter etwas mehr als bisher »entmaterialisiert« und dafür individueller wird. Vorausgesetzt, daß es dem Sorti menter gelingt, Dichter zu finden, die als vollwertige Rcproduzenten ihrer Arbeiten anzusehen sind, wird er seine »Stangen Goldes» nicht nutzlos verausgabt haben. Natürlich wird es schwer fallen, Dichter ausfindig zu machen, die vermöge ihrer Vortragskunst imstande find, ein Publikum mehrere Stunden hindurch zu fesseln. Ich glaube, daß es nur wenige im deutschen Dichterwalde gibt, die als gute Rezitatoren vor dem Forum der Öffentlichkeit zu bestehen vermögen. Aber der Sortimenter muß eben Entdecker werden. Er muß sich selbst aus dem behaglichen Dunkel seines Ladens aufscheuchen und sich als Pionier einer neuen und dankbaren Idee fühlen. Seine Mühe wird belohnt werden. Wozu besäße unser Sortimenter eine so große Suggestivkraft auf Geschmack und Geiftesrichtung des Publikums? Gr.-Lichterfelde-West. Leo Heller. V. Die Idee, zur Popularisierung und Verbreitung der Schriften eines Autors Vortragsabende zu veranstalten, halte ich an und für sich sür recht glücklich. Alles, was bestimmt ist, den Kontakt zwischen Autor und Publikum herzustellen, muß der Sache wegen begrüßt werden. Da der Belletrist und Lyriker aber ein Blüinlein ist, das im Verborgenen blüht — geht ein gut Teil des Publi kums, das für Theater und Kunstausstellungen Interesse hat, achtlos an ihm vorüber. Erst wenn die Presse, die Maß gebenden ihn beachten, — leihen sie sich vielleicht seine Bücher. Wir müssen sorgen, daß sie sie kaufen. Inwiefern es gelingen wird, das Publikum durch Vor tragsabende sür die Werke eines Dichters zu interessieren, ist freilich eine zweite Frage. Mich dünkt es undurchführbar und aussichtslos zugleich, immer zu solch einem Abend den Autor selbst vors Publi kum zu bringen. Wir alle haben das ja dutzendmal erlebt, IS2S»
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