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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.11.1922
- Strukturtyp
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- 1922-11-13
- Erscheinungsdatum
- 13.11.1922
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- Deutsch
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für Schüler und Erwachsene E r müsse unter allen Umstanden hinaus. Der Kax ist unerbittlich. Backhaus wirft sich mit einem Schreie der Verzweiflung in die Bank und hebt an, ergreifend zu schluchzen. Da gewährt ihm Kax seinen Willen. Der Lafontaine wird wieder zur Hand genommen, die Stunde geht weiter. Franke übersetzt fließend. Da steht einer aus: Es sei vielleicht ratsam, wenn er nach den Hinausgcgangcnen sähe; denen könne ein Unheil zngestoßen sein. Der Kax gestattet es großmütig. Nach und nach leert sich die Klasse; die Hälfte der Schüler ist draußen oder vielmehr »unten«. Sie sitzen beim Hausmann und paffen Zigaretten. Schließlich wirb der Primus ansgcsandt, die Verschwundenen zn- rückzubeordern. - Der Primus läßt sich unten beim Hausmann, stürmisch begrüßt, nieder, und die Hausmannsfran bringt ihm ein Glas Milch und eine be legte Semmel. Zwei Minuten vor Schluß der Stunde treffen sie alle miteinander wieder ein mit gräßlich verzogenen Gesichtern und die Taschen tücher in den Mund gepfropft, um nicht vor Gelächter zu platzen. Oftmals geschah es auch, daß im Gegenteil kein einziger hinaus mußte. Dann wurde »Bänke-Nücken« gespielt. Die Ultimi fingen an, die in der Mitte Sitzenden rückten nach, und die Ersten schlossen. Die Kunst war die, daß sämtlich« Bänke ohne Zwischenraum an die Rückwand des Klassenzimmers geschoben werden mußten; die letzte Bank stand schließlich eingekeilt in der äußersten Ecke. Durch das Nach rücken der übrigen entstand vor dem Pult eine Art Tanzplatz: und ans diesem bewegte sich der Kax mit Anmut und Unfähig, eiNWschreiicn. Einer unserer Frechsten brachte gelegentlich seinen älteren Bruder, der ebenfalls Schüler des Kax war, mit und setzte ihn auf den Platz eines, der infolge Krankheit fehlte. Der Kax unternahm nichts dagegen. Schriftliche Hausaufgaben zu stellen, wagte er selten. Unvergeßlich ist mir ein »Thöme«, das wir über die Pfingstferie» anfbekommen hatten. Ehe es zurückgcgeben wurde, erschien der Kax in der Klasse, roch nach Wacholder und verkündete: Fünfzehn Schäler hätten die g lc i ch e Arbeit abgeliefert. Wenn sich diese Fünfzehn freiwillig in der nächsten Panse am Lehrerzimmer einfönden würden, wolle er von einer döszö- plünarischen Bestrafung absehen. In der Pause umlagerten achtnndzwanzig Mann das Lehrerzimmer, nämlich die ganze Klasse. Der Primus, der die Arbeit überseht hatte, war anstandshalber mitgegangen. Hineingefallen wäre ich auch beinahe einmal, und das war fol gendermaßen: Mein Nachbar hatte einst, in der Absicht, etwas Unerhörtes anzu- stcllen, eine Gießkanne mitgcbracht; eine Gießkanne, wie man sic im Haushalt für die Blumen anf dem Fenstersims verwendet; eine schöne, handliche Gießkanne. Dieser Gießkanne bemächtigte ich mich und versteckte sie unter der Bank. ! Während der Lektüre einer Komödie Molisrcs stach mich der Hafer, und ich schleuderte das grüne Ding mit großer Kraft an die Tür. Die Wirkung war einzigartig. Tenn das blecherne Gerät vollführtc einen mörderischen Nadan, und Lehrer wie Kameraden fuhren entsetzt! in die Höhe und glotzten ent geistert. ^ Jemand stönte (grundlos): »Hilfe! — Ich bin getroffen!« linier allseitiger Teilnahme unsererseits schritt der Kar nach dem Schirmständer, unter den die Gießkanne gestürzt war, hob das ver dächtige Möbel anf und hinkte, als ob er's verauktionieren wolle, durch die Klasse. Auf mich zu. »Reimann, das waren Sö!« »Nein, Herr Professor!« Er verschlang mich mit den Blicken, sträubte de» Bart und roch mehr denn je nach Wacholder. Einen nach dem andern fragte er, wie ein Inquisitor, ob er es ge wesen sei. Keiner antwortete Ja. Beim Primus, den er honetterweise auslteß, sprach er: »Kann mör jömand erklören, wö das passöhrt öst?« Ein Schlaumeier verkündete, die Gießkanne habe bereits v o r der Stunde auf dem Schirmständer gelegen und sei höchstwahrscheinlich »einfach heruntergefallen«. Mit Treuherzigkeit! ward dies von allen Seiten bestätigt, und der Kax, obzwar er selbst an solche Möglichkeiten nicht glaubte, beruhigte sich. Die Stunde wäre glatt abgelaufen, wenn nicht Ungetüm, der Übermütige, eine Handvoll Kupfergeld prasselnd an die Wandtafel ge worfen hätte. Das erboste den Kax derart, daß er sich aufblähte, und schwel- gend die Klasse verließ, die Gießkanne in der Hand wie eine Kost barkeit. Herausgekriegt hätte er freilich den Täter keinesfalls, wenn er nicht die Hilfe des scharfsinnigen Mathematiklehrers in Anspruch ge nommen hätte. Dem war dies ein gefundenes Fressen. Sehr Man ging er vor: Seiner Berechnung nach kamen nur diejenigen in Betracht, deren Betragen-Zensur ischlechter war als 11>. Drei Mann hatten die 2s, einer hatte die 2 und einer die 3. Die fünf führte er nach Schulschlnß in die Aula und verteilte sie in dem öden Raume, damit sie sich nicht verständigen könnten. Er selbst setzte sich an das Harmonium und nahm Mann für Mann ins Gebet. Jedes Wort stenographierte er nach. Als er alle verhört hatte, klappte er sein Buch zu und entließ die fünf. Am folgenden Morgen bestellte er in den Pausen die nicht ver nommenen dreiundzwanzig in den Konferenzsaal und fragte jeden einzeln, ob er irgendeinen Kameraden von dem Verdachte, die Pfennige geworfen zu haben, frei sprechen könne. Auf diese Weife erwies es sich, daß ein gewisser Ungetüm und ein gewisser Reimann nicht von den: Verdachte freizusprechcn seien; denn jeglicher hatte zwei oder drei > Namen der Unbeteiligten angegeben. ! Am selben Tag« kaufte sich der Mathematikprofessor uns beide, in- >dem er mich ins Gesangszimmer sperrte und den Ungetüm in die Bibliothek. Nach einer Weile kam er zu mir gestürmt und schnob: »Ungetüm hat gestanden, daß Sie's gewesen sind! Geben Sie's zu?« Ich gab's zu. Ich wußte nicht, daß er das umgekehrte Manöver soeben bet Unge tüm angewandt, und daß auch dieser die Tat eingestandcn hatte. Als er über unser Haupt zwei Stunden Karzer verhängte, ver sickerte Ungetüm, er ganz allein sei der Täter gewesen, worauf der ge wisse Reimann in die heilige Beteuerung ausbrach, er ganz allein sei der Täter gewesen. Es war ein edler Wettstreit. Was wollte der Mathematiker tun? Er ließ uns beide straffrei ausgehen: denn der Kax behauptete, es könne nur einer die Schweunereu mit den Kopfermönzen verübt haben. Seitdem herrschte jedoch ein geivanntes Verhältnis zwischen dem Kax und mir. und ick mußte auf der Hut sein. Meine Tätigkeit in den französischen Stunden besckränkte sick in der Folgezeit darauf, daß ich, wenn es mir gerade cinfiel, mit verstell ter Stimme »Kar!« brüllte. Das batte ick mir dermaßen anaewöbnt. daß ich unlängst, als ick -»fällig wjt dem Kar in ein imd derselben Elektriscken subr — ich batte ihn seit vielen Fahren nickt gefeben. und da saß er mir gegenüber: arro gant, eitel wie ie und venetrant nach Wacholder duftend —- daß ich an mick halten mußte, um nicht laut »Kar« zu rillen. ^tch habe mich dann vorsichtshalber auf die Hintere Plattform gestellt. Aus dem soeben erscheinenden Werk: Das Pankerbuch. Geschichten vom Gymnasium von Hans Reimann. Brosch, ca. 2.—, geb. ca. 3.—. 11/10 mit 40?z. Schlüsselzahl des Börscnvcreins. Auslieferung durch Earl Fr. Fleischer. — Paul Steegemann, Hannover. für Schüler und Erwachsene
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