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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.10.1924
- Strukturtyp
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- 1924-10-13
- Erscheinungsdatum
- 13.10.1924
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137 62Börscnblatt f. d. Dtichn. Buchhandel. Redaktioneller Teil- X. 241, 13. Oktober 1924. chende Matz kollegialen Entgegenkommens gezeigt haben und ob nicht eine Einwirkung auf ihn auch durch weniger strenge Mit tel zu erreichen gewesen wäre». Es kommt also in solchen Fällen immer auf die Lagerung der Umstände und auf die ethisch-wirtschaftliche Grundlage an; die Vergleichung der beiden Urteile ist in dieser Hinsicht beson ders lehrreich. Das moderne Holzschnittbuch. Mit gütiger Erlaubnis des Buchenau L Reichert Verla ges in M ll n ch e n bringen wir aus dem jetzt erschienenen Doppel-! Heft 3/4 der »B ü ch e r st u b e« ein Bruchstück aus dem reich illustrier ten Aufsatz Paul Nenners über obiges Thema: D e r l i t e r a r i s ch e W e r t. Ich beschränke mich, mit bewußter Einseitigkeit, darauf, vom Werte der Illustration zu sprechen als einer Leistung bildender Kunst. Der Illustrator kann sich plump oder delikat, dumm oder witzig mit dem zu illustrierenden Text befassen. Er kann die äußere Situation zur Anschauung bringen oder die innere symboli sieren, dem Texte wörtlich folgen oder ironischen Abstand nehmen; er kann Milieu und Landschaft schildern oder in Porträts und Figurinen^ die Typen und Charaktere der handelnden Personen darstellen; er > kann zarte Arabesken um die Dichtung legen oder an irgendeine in ihr vorkvmmende Metapher anknüpfend ein freies Phantasiegebilde schaffen: dies alles wird falsch oder richtig sein: d. h. man wird im Meridian literarischen Beurtcilens stets Gründe dafür anführen kön nen, ob die Auffassung des Illustrators dem Verfasser gerecht wird oder nicht: im Meridian des künstlerischen Beurteilens haben solche Er wägungen keinen Platz. (Der Autor selbst pflegt dem Illustrator mit der sauersüßen Höflichkeit zu begegnen, mit der man einen Zwangs- micter in seine Wohnung ausnimmt; humane Zeichner quartieren sich ja auch nur bei Verstorbenen ein oder beim Dramatiker, der sowieso im Hotel wohnt.) Die Kunstgeschichte kennt und achtet viele Zeichner! von ausgesprochen literarischer Phantasie; sie bewertet sie jedoch ledig-! lich als Spezialität. Vor ihrem Nichtcrstuhl gilt oft der Analphabet,? der nichts als Bauern, Ochsen und Schweine zeichnet, ebensoviel oder gar mehr. Reichtum an Geist und Erfindung sind nicht gering zu schätzen, aber sie bestimmen nicht den Rang des Zeichners in der bil denden Kunst. Man hat Max Klinger überschätzt, weil man dem künstlerischen Wert seines Werkes den deutschen »Tiefsinn« hinzuzählte; man hat jahrelang Bruno Paul höher gestellt als Rudolf Wilke, weil die Re dakteure des Simplizissimus mehr Witz hatten als die der Jugend; man hat die Größe Obcrländers verkannt, weil man ihn mit dem literarischen Niveau der Fliegenden Blätter verbunden glaubte. Die Zeit korrigiert diese Fehlurteile mit bewunderswerter Sicherheit. Es ist vielleicht kein Zufall, daß ein so eminent literarischer Künst ler wie Alfred Kubin alles Literarische ablegt, wenn er seine höchsten Gipfel erklimmt. Mit den Zeichnungen zu Dostojewskis Doppel gänger*) hat er das beste illustrierte Buch der neueren Zeit geschaffen; doch was ist an diesen Illustrationen literarisch? Kubin führt uns schweigend durch den unheimlich dunklen Gang der Dichtung und läßt nur von Zeit zu Zeit ein Licht aufflammen. Der dekorative Wert. Innerhalb der bildenden Künste sind es zum mindesten zwei, die ihre Ansprüche an die Illustration stellen. Sie ist graphische Einzelleistung und zugleich Teil des Buches. Doch das besteht nicht aus Illustrationen, wie die Mauer aus Ziegel steinen; Graphik nimmt vielmehr im Buche den Platz ein, den Malerei in der Architektur hat; auch das Wandbild ist ja ein in sich beschlos senes Ganze; zugleich jedoch als farbiger Fleck, als raumbegrenzende Fläche künstlerisches Ausdrucksmittcl des Architekten und damit ein Stück Architektur. Wer architektonische Zusammenhänge fühlt und schöbt, wird zuallererst prüfen, ob die Illustration ohne Nest in die künstlerische Einheit des Buches aufgeht oder nicht. Bei geschriebenen und mit der Hand illuminierten Büchern klingen disparate Techniken harmonisch zusammen. Bei mechanisch verviel fältigten, also gedruckten Büchern ist das anders. Wenn beides: Schrift und Bild, radiert sind, und zwar so radiert, wie von Emil Rudolf Weiß und Nen4e Sintenis die Sapphischen Oden der Maröes-Gesell-! schaft**), bleibt dem empfindlichsten Geschmack nichts zu wünschen übrig. ^ Diese Verwandtschaft der graphischen Elemente von *) Dostojewski, F. M.: Der Doppelgänger. Mit 60 Bildern (Fe derzeichnungen in Strichätzung) von Alfred Kubin. München. Neue Ausgabe. 1022. N. Piyer L Eo. **) Sappho, Gedichte im griechischen Urtext. Mit radiertem Text und Bildern von E. N. Keiß und Nenöe Sintenis. 31. Druck der Maröes-Gesellschaft. München. 1621. N. Piper L Co. Schrift und Bild finden wir im Buchdruck nur dort, wo auch die Illustrationen von geschnittenem Holz oder Metall oder von deren gal- vanoplastischer Nachbildung gedruckt sind. Dem Druck vom geätzten Klischee fehlen Bestimmtheit und Schürfe des Konkurs, die nur der senkrecht abfallende Rand des Schnittes ergibt. Dabei ist es zunächst ohne Belang, ob der Stock vom Künster selbst geschnitten ist, oder nach dessen Zeichnung vom Lylographen. Die Verwandtschaft der graphi schen Elemente ist durch die Technik allein nicht verbürgt. Sie muß sich auch erweisen in der Übereinstimmung des Duktus, des handschrift- was der Buchkünstler seinen Zwecken: der architektonischen Buch gestaltung, dienstbar machen kann. Was die Illustration außer die sem dekorativen Werte noch bietet, kann die Wirkung des Buches als einer künstlerischen Einheit, für die der Buch-Architekt verant wortlich ist, nicht mehr steigern, sondern geht auf Rechnung des Zeich ners. Der aber ist, auch wenn etwas aus seinem Werke anwend bar ist, ein freier Künstler und hat sich vor dem Forum der freien K u n st zu verantworten. Architekt und Buchkünstler wären Pfuscher, wenn sie bei Wand bild und Illustration auf andere Werte rechnen würden als ans die sen dekorativen, der allein ihrer Raum- und Buchgestaltung zu dienen vermag. Leider kennen und anerkennen deshalb so viele von ihnen nur diesen Gebrauchswert. Sie protegieren die wendige Geschicklichkeit, die sich rasch nach ihren Ansprüchen zu richten weiß, und geben sich ungern ab mit der tiefer schürfenden Pflugschar des echten Talents. Wenn es schon bedauerlich ist, daß dadurch die meisten Aufträge an den zweiten Rang vergeben werden, so wird die Verkennung des spezifisch-künst lerischen Wertes durch Architekten und Kunstgewerbler geradezu ge fährlich, wenn diese Unberufenen auch den Unterricht in den freien Künsten in ihre Hand nehmen wollen. Bildnerei, Malerei, Graphik sind anwendbar; aber darin beruht nicht ihr eigentlicher Wert. Wir fassen den Begriff des Dekorativen so weit wie möglich; wir wollen darunter alles verstehen, was man mit den Worten: das Architek tonische, Musikalische, Rhythmische in bildender Kunst meint: immer bleibt etwas, was freie Kunst von Ornament unterscheidet. Die architektonischen und gewiß auch die handgewerklichen Quali täten sind bei Hildebrand und seiner Schule größer als bei dem »Ton-Patzer« Rodln; und doch ist Nodin der weitaus stärkere und nachhaltiger wirkende Plastiker. Wenn sich auch alle Illustrationen in Büchern befinden und alle Bilder an Wänden hängen, und wenn auch niemand bestreiten kann, daß dieser Schmuck der Bücher und Wände (Taut, Schmücke dein Heim nicht!) zumeist fragwürdig und immer ent behrlich ist, so haben dennoch Illustrationen und Bilder eine Daseins berechtigung, die sie nicht dem Platz verdanken, an dem sie sind. Die Trauben der hohen Kunst müssen nicht ungenießbar sein, wenn sie sich einmal vom kunstgewerblichen Fuchs nicht fressen lassen. Der graphische Wert, zugleich Apologie der freien K ü n st e. Klingen der Farbe, Wogen der Linie, rhythmische Gliederung der Fläche, das alles hat die freie Kunst mit angewandter gemeinsam; wir sprechen von freier Kunst, wenn zu diesen Werten das Bildnerische, das Darstellende hinzukommt. Was wird dargestellt? Der Künstler nennt es »Natur«. Dem Akademiker älterer Observanz ist die »Natur« die »objektive Welt«; er leitet daraus den Begriff des »richtigen« und »falschen« Zeichnens ab. (Anatomie, Perspektive usw.) Der Impressionist teilt seinen Irrtum. Doch will er durch geistreich abkürzenden Vortrag (Zeichnen ist Weglassen!) seine Subiektivität, sein Talent und Temperament dieser Allerwelts-Welt gegenüber manifestieren und legt mit den Augen blinzelnd atmosphärische Distanz zwischen sich und die jedermann zugänglichen Dinge. Eine letzte Kon sequenz ziehen die abstrakten Ismen aus diesem Irrtum. Sie ver werfen jede gegenständliche Darstellung als die sinnlose Bemühung, etwas sichtbar zu machen, das ohnedies sichtbar wäre. Sie sind Asketen und tun gut daran. Wenn ein Künstler die »Natur« verdächtigt, so haben wir allen Grund, gegen seine Natur mißtrauisch zu sein. Der Sprachgebrauch bezeichnet eine Malerei, die auf jede Darstellung ver zichtet, mit einer gewissen Folgerichtigkeit als kunstgewerblich. Was der Künstler »Natur« nennt, ist seine Kosmogonie, seine höchst persönliche Weltschöpfung. Von ihm aus gesehen ist das einzelne Werk das Mittel, die Bausteine zu diesem Kosmos zusammenzutragen, die eigene k ü n st l e r i s ch e E r l c b n i s s p h ä r e zu realisieren (die beim bildenden Künstler immer eine Sphäre optischer Erleb nisse ist); vom Publikum aus gesehen: Eingangspforte in diesen Er- lebnisbercich. Es bilst uns nichts, im Winter an den Walchensee zu fahren oder bei bedecktem Himmel in der Umgebung von Air spazieren zu gehen, um an der Erlebnisspbäre Corinths oder Cezanncs teil zu haben: dazu gibt es nur einen Zugang, ihre Bilder. Kunst ist nicht
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