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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.01.1938
- Strukturtyp
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- 1938-01-18
- Erscheinungsdatum
- 18.01.1938
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- Deutsch
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Struwwelpeter echte Laienarbeiten sein, die zur Freude der Kinder entstanden. Ebensogut können aber große Künstler in schlichter und doch in sich reich gestalteter Weise Werte Herstellen, die der einfachen Stufe des Kindes nahekommen. Äußerlich sieht das so aus: Die Meister arbeiten ohne gebrochene und ge deckte Farbklänge, sie verwenden sparsam oder gar nicht die Mittel der Verkürzungen und Überschneidungen, der räumlichen, perspektivischen Darstellung. Dann ist noch ein weiteres möglich. Kinder, die In reiner, unverdorbener Weise zeichnen, könnten noch Jüngeren Bilderbücher Herstellen. Von echter Laienarbeit haben wir neben dem Struwwel peter wohl die schönsten Beispiele in Blättern der alten Münch ner Bilderbögen und in den anderen von Gustav Kühn aus Neuruppin. Da finden wir die ansprechenden Bildergeschichten: Was trägt die Gans auf ihrem Schnabel?, die Bilder vom Abendgebet, dem Schutzengel bei den Kindern im Walde. Weiter werden dem Kinde Bilder zu den Bolkssagen vorgeführt oder moralische Belehrungen dargebracht. Eine Serie der über zwei tausend Münchner Bögen zeigt die Geschichte der Kostüme, andere Reihen beziehen sich auf Zeitereignisse. Die schönsten Blätter bleiben aber immer die, auf denen Schwind, Pocci, Speckter und andere Romantiker ihre naive Kunst bringen, etwa die mit den Märchenbildern, mit den Zeichnungen vom Herrn Winter, vom Schweineschlachten, vom Kaminkehrer. Heute sind mit den Lübecker Bilderbögen Nachfahren dieser alten verehrungswürdigen Blätter entstanden, die übrigens in späten Auflagen immer noch im Buchladen zu kaufen sind. Hier, in dieser neuen Serie ist der Versuch gemacht worden, Bilder von Künstlern, von erwachsenen Laien und von Kindern zeich nen zu lassen. Ein Junge erzählt in vielen Bildern vom Fluge des Ikarus, ein anderer von einer Reise um die Welt. Der Lü becker Künstler Mahlau stellt in schöner Weise Bilder zur Ent wicklung des Flugwesens oder zur Geschichte der Eisenbahn zu sammen. So wächst hier langsam eine Reihe schöner Blätter. Ein rocht mutiger Versuch, ein von Kindern gearbeitetes Bilderbuch zu schaffen, ist das Heftchen »Der erste Mai- aus dem Lometsch-Verlag. Da haben zwanzig Mädchen der Sexta einer Kasseler Schule zusammengcsessen, um das Bild des Fcst- zuges zu gestalten. Jedes Mädchen gab sein Teil, sei es beim Malen der Pferde und Wagen, der marschierenden Menschen oder bei der Umrahmung der bunten Bilder mit Girlanden und Fahnen. Wir möchten glauben, daß hier ein neuer Weg mit Er folg beschritten wurde. Es ist verständlich, daß gerade Erzieher sich diesen neuen Wegen zuwandten. Zwei bemerkenswerte Ergebnisse liegen da auch in anderer Richtung vor. Der NS.-Lehrerbund in Ham burg hat vor kurzem eine neue Jung-Deutschland-Fibel hernus gegeben. Uns interessieren die Bilder. Sie sind in trefflicher Weise geschaffen von Walter Schröder, einem Künstler und Schulmann zugleich. Als Zeichner weiß er den Illustrationen und selbständigen Bildern eine schwingende Linie und lebendi gen Umriß zu geben. Als Kunsterzieher weiß er um die Forde rungen der Klarheit und Übersichtlichkeit, der schlichten und kind lichen Darstellung der uns umgebenden Welt. Eine erstaunliche Fülle und Anmut und unerschöpfliche Fabulierlust herrschen auf den hundert Seiten dieses Buches. Diese Fibel ist insbesondere für den hansischen Lebensraum gedacht. Die Illustration des Reichslcscbuchcs, das im Gesamt aufbau einheitlich für alle Landschaften und dann in einzelnen Teilen unterschieden geschaffen wurde, ist ähnlichen Gesichts punkten unterstellt. Das Wichtigste hieran ist nun, daß zum Teil Bildmaterial der wenig bekannten Holzfchnittmcistcr des Mittel alters verwendet wird. Die Bebilderung ist also dem eingangs nusgcführten Gedanken unterstellt und damit ist das Beispiel für die vierte Möglichkeit gegeben: Bildgut der einfachen Geistcshaltung früher Zeiten muß dem Kinde willkommene Augenfreude sein. In den Seiten des Lesebuches steht das vertraute Gedicht des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havel land, der seine Dorfkinder so sehr liebte, daß er ihnen nach sei nem Tode noch, genau wie zu Lebzeiten, Birnen schenken wollte. Darum ließ er sich Birnen ins Grab legen und der hervor wachsende Baum gab neuen Generationen von Kindern seinen Früchtesegen. Als Bild — es ist kaum noch eine Illustration im geläufigen Sinne — steht ein wundervoll eindringlicher und kräftiger Holzschnitt des David Kandel da. Was früher einmal der Wunsch der Kunsterzieher war, dem Kinde beste und hohe Kunst darzubieten, wird so in neuem Geiste erreicht. Jeder kennt die naturalistischen und impressionistischen Bilder der Lehr- und Geschichtenbücher. Versuche zeigen, daß Kinder vieles auf diesen Bildern gar nicht lesen können und falsch deuten. Noch schlimmer, da in sich unwahr, ist das Zeich nen von Illustrationen in »kindertümlicher« Weise. Diese geben immer noch die Hauptmasse der Kinderbuchbilder ab. Heute wis sen wir besser, was auszuwählen ist, wenn uns die großen Meister zur Hilfe kommen sollen. Vieles aus den Arbeiten des Offenbacher Kreises ist den Kindern schon so lieb, daß sie es wieder und wieder hervor holen. Verdienstvoll ist es, daß der Insel-Verlag diese Zeichnun gen und Schnitte weit verbreiten half. Wir brauchen nur an das Blumenbuch von Koch und das Kräuterbuch von Harwerth zu denken. Ähnlich dürften auch die mittelalterlichen Zeichnun gen in der Reihe der Jnselbücherei wirken: Der Sachsenspiegel, die Bilder der manessischen Handschrift. Ja, aus ganz gleichen Gedanken können wir das Formgut einer weiteren Bildergruppe den Kindern zur verständnisvollen Freude bereitstellen. Im Buch der Goldfische des Insel-Berlages haben wir Beispiele der ostasiatischen großen Kunst, die auch auf diesen hohen Stufen schlichte, ursprüngliche Reinheit und Formenklarheit bewahrt hat. Auch die Stiche der Künstler zwischen Barock und Bieder meier in den Bändchen dieser Reihe, der Sibylla Merian, Hüb ners, entsprechen in ihrer Gestaltung den Bedingungen, die dem Bildhunger des Kindes Genüge tun. In der Biedermeierzeit war es weitverbreitetes Streben der Künstler, recht vielen im ganzen Volke sich Mitteilen zu können. Nur die Namen von Künstlern, die wir auch als Unfertiger von »Kindcrbildcrn» ken nen, sollen hier andcuten, daß ein zweiter Kreis desselben Pro blems (nämlich die Frage nach guter Volkskunst aus Künstlers Hand) um das von uns beschriebene liegt. Zeichnungen Schwinds, Richters, Spcckters, Poccis, Lysers, Cruikshanks, Scherenschnitte Fröhlichs und Konewkas geben davon Zeugnis. Daß heute eine ähnliche Lage sich vorfindet wie zur Zeit dieser Künstler, scheint in zweierlei Weise bedeutsam werden zu wollen. Es sieht einmal so aus, als ob wieder Künstler schaffen werden, die in weit größerem Maße von vielen im Volk geliebt werden können als die der letzten Jahrzehnte; dann aber wäre nüt solch einem Wirken auch die Gewähr dafür gegeben, daß in noch größerem Umfange, als die beschriebenen Anfänge cs zei gen, den kleinen Dingen des Lebens — wie unfern Bilder büchern und Bilderbögen — ein starker künstlerischer Schwung mitgegeben werden könnte. Nun fehlt zur Vollständigkeit der Übersicht indes noch das letzte und lustige Schlußstllck. Karikaturisten verwirklichen mit den sparsamen Mitteln, die sic meist anwenden, die Forderun gen, die an gutes, kindeigenes Bildgut zu stellen sind. Der Er folg und die Beliebtheit des Max und Moritz ist so zu erklären. Heute geben die köstlichen Zeichnungen E. O. Plauens in seinen Vater- und Sohngeschichten und deren Verbreitung und Beliebt heit bei den Kindern wieder den besten Beweis für unsere Überlegung. Die bildnerischen Werke, die aus formal schlichter, trotzdem künstlerisch hochwertiger Stufe stehen, sind das Einzige und Beste zugleich, was den Kindern, die selbst noch auf einfachen Stufen der geistigen Entwicklung stehen, in die Hände zu geben ist. B. Arbeiter SÄ Nr. 14 Dienstag, den 16. Januar 1698
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