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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.06.1938
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- 1938-06-02
- Erscheinungsdatum
- 02.06.1938
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gebiete der nationalökonomischen Markt- und Preistheorie ver nachlässigt werden dürften. Wenn gerade in solcher Lage die Forschung auf wirtschaftswissenschaftlichem Gebiete erlahmt, so fällt eine Leistung aus, aus die die Politik angewiesen ist und die sie erwarten darf. Es muss aber die Forscher lähmen, wenn ihre mittelbar oder unmittelbar doch an die Praxis gerichteten Schriften nur LOO—300 Käufer und vielleicht noch weniger Leser finden. Welches sind nun die Ursachen, aus denen sich die Krise des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums erklärt? Fangen wir bei uns selbst an: hat der B u ch h a n d e l etwas versäumt? Sein propagandistisches Können kann im ganzen gesehen füglich nicht in Zweifel gezogen werden. Die Verleger treiben im allgemeinen eine Propaganda, als wenn ein guter Absatz und mehrere Auf lagen erwartet werden dürften. Auf das Sortiment kommen wir noch zurück. Bleibt der von den Autoren häufig erhobene Ein wand, daß die Preisgcbarung verfehlt sei. Er ist unbe rechtigt. Mögen die Verfasser in ihren Lehrbüchern immerhin schreiben, daß im allgemeinen »kleiner Nutzen großen Umsatz- bringe, sie können bei sich doch auch Nachlesen, daß diese Faust regel nicht für jeden Markt gilt. Im vorliegenden Falle kann wohl jeder der beteiligten Verleger ein Lied davon singen, welche Fehlschläge er immer wieder erlitten hat, wenn er bei der Festsetzung der Preise und der Auflagehöhe rein wissenschaftlicher Veröffentlichungen es einmal nach jener Faustregel mit niedri gem Preise und entsprechend großer Auflage probierte. Die Krise kann ihre Ursachen also nicht im Bereiche der Vermittlerrolle des Buchhandels haben. Die Ursachen müssen vielmehr bei der Nachfrage oder bei den eigentlichen Produzen ten, den Verfassern, oder schließlich bei diesen beiden zusammen gesucht werden. In der Tat befindet sich die wirtschaftswissen schaftliche Forschung selb st noch immer in einer inneren Krise. Sie wurde von der fundamentalen Neuorientierung der praktischen Wirtschaftspolitik in Deutsch land — überwiegend, nicht allgemein! — unvorbereitet und in einem Zustande der inneren Unsicherheit angctroffcn. Es liegt aus der Hand, daß in solcher Lage des Faches das Angebot von wirtschaftswissenschaftlichem Schrifttum auf die nachfragende Praxis keinen starken Reiz ausübcn konnte. Denn diese darf Anregungen (in den Grenzen des einer Wissenschaft überhaupt Möglichen) erwarten, gegebenenfalls würde ihr wahres Inter esse auch die Entgegennahme fundierter produktiver Kritik er heischen. An internen Auseinandersetzungen über Methoden fragen und dergleichen hingegen nimmt sie prima viota nur sehr mittelbares Interesse. Umgekehrt leidet die Forschung bei ihrem Streben nach Neu orientierung sehr darunter, daß die wirtschaftliche und wirtschafts- politischc Praxis sehr zum Unterschied zu früheren Zeiten keine Verbindung mehr mit ihr hält. Man weiß oft gar nicht mehr, was das Schrifttum der Gelehrten unmittelbar und namentlich mittelbar — durch Schulung des Blickes für die tieferen Zu sammenhänge — der Praxis zu bieten hat. Es fehlt daher auch oft jene persönliche Verbindung, jener ständige Meinungsaus tausch zwischen Gelehrten und Praktikern, der eine wesentliche Vorbedingung guter Leistungen des Schrifttums ist. So schließt sich verhängnisvoll ein Kreis: Die Praxis verschließt sich der Wissenschaft, weil sie ihr Steine statt Brot gegeben hat, und die Wissenschaft kann nicht Brot statt Steine geben, weil sich die Praxis ihr verschließt. Damit kommen wir schon zu den Ursachen, die auf der Nach frageseite, bei den Bücherkäufern liegen. So gewiß die Krise des Schrifttums nicht überwunden werden kann, wenn nicht dieses Schrifttum Gutes leistet, so gewiß ist zur Überwindung der Krise doch auch ein erhöhtes Interesse der Leserkreise er forderlich. Sieht man von den Bibliotheken ab, deren Mittel noch einer wesentlichen Erhöhung bedürfen, wenn sie ihre alte Rolle als unentbehrliche Stammkundschaft wieder übernehmen sollen, so stellt sich das Problem von der Nachfragcseitc aus ge sehen folgendermaßen dar: Die Studenten kaufen noch immer weniger als früher. Allerdings spricht da der starke Rückgang ihrer Zahl mit. Wäre jedoch eine so genaue Nachfragestatistik möglich, so würde sich ohne Zweifel auch ein Rückgang auf den Kopf berechnet ergeben. Ich möchte aber auf die Dauer nicht sehr schwarz sehen. Die Zahl der Studenten wird allmählich dem Bedarf entsprechend wieder zunehmen, die Anforderungen an die wissenschaftlichen Leistungen werden zur Zeit gesteigert, und die Kaufkraft wird sich mit der allgemeinen Vermehrung des Volkswohlstandes gleichfalls erhöhen. Wesentlich wird sein, daß auch die Rechts studierenden wieder stärker aus den wirtschaftswissenschaftlichen Stoff hingewiesen werden, den sie mindestens als angehende Vcr- waltungsmänner unbedingt brauchen. Die Praxis ist zwar kaufkräftig, mehr und mehr auch wieder die Behörden und besonders die öffentlichen Körper schaften. Hier fehlt es jedoch an der Zeit zum Lesen. Man würde jedoch sehlgehen, wenn man den Zeitmangel allein verantwort lich machte. In jedem verantwortungsbewußten Manne an lei tender Stelle lebt das Bedürfnis zur Selbstkontrollierung und zur Aufnahme neuer Anregungen, insbesondere zur Gewinnung jenes Überblicks über das Ganze und jenes Einblicks in die tieferen Zusammenhänge, den zu vermitteln immer die vor nehmste Aufgabe der Wissenschaft war. Er würde daher auch bei stärkster Inanspruchnahme zum Buche greifen, wenn er sich nur von ihm diesen Erfolg verspräche! Aber er ist zu sehr daran ge wöhnt, vom »Theoretiker- nichts Gutes zu erwarten. Doch er befindet sich damit im Irrtum. Es ist mit der Krise dieses Faches so, wie mit nudcrpn Krisen auch: während sie der Öffentlichkeit erst in ihrem ganzen Umfang bewußt wird, sind bereits die Kräfte am Werke, die sie überwinden. Wer sich die Mühe nimmt, einen tieferen Einblick in die Arbeit zumal der mittleren und jüngeren Generation der Wirtschaftswissenschaftler zu nehnien, wird nicht verkennen können, daß bereits eine Reihe von Arbeiten entstanden ist und weiterhin entsteht, die sehr wohl geeignet sind, der wirtschaft lichen und insbesondere der wirtschafts- Politischcn Praxis wertvolle Aufklärungen und Anregungen zu bieten. Bei allen diesen Schriften ließen sich die Stellen der Praxis geradezu beim Namen nennen, die sie als Material für ihre Entschließungen mit Nutzen Heran gehen können. Es ist nur so, daß diese neuen Arbeiten meist noch in der Form der Monographie und der Abhandlung in wissen schaftlichen Archiven erscheinen, d. h. in einer Form, in der sie nur der wissenschaftlich gut vorgcschulte Praktiker ohne weiteres Produktiv auswerten kann. Aber bequem lesbare Lehrbücher, die wenig voraussctzen, dafür freilich eine um so vollkommenere Beherrschung des Stoffes durch den Verfasser bedingen, kommen eben weniger in einer Zeit des Aufbruches der Forschung zu neuen Zielen zustande als später, wenn das Neue zum sicheren Besitzstände geworden ist. Eine verständnisvolle Praxis müßte das in Rechnung stellen und mit dem Vorwurf »graue Theorie- vorsichtiger umgehen. Die Praxis versagt sich also dem wirtschaftswissenschaftlichem Schrifttum heute mehr, als es ihrem eigenen wohlverstan denen Interesse entspräche; d. h. die Ursachen der Krise dieses Schrifttums liegen unverkennbar auch aus der Seite der Nachfrage bei den in Frage kommenden Käufer- und Leser kreisen. Welche Maßnahmen zur Überwindung dieser Krise sind hiernach möglich? Wir fangen wieder bei uns selbst an. Der Verlag sollte bei allein Verständnis für den Eigenwert wissenschaftlicher For schungsarbeit heute planmäßig diejenigen Schriften bevorzugen, die der Praxis wirklich etwas zu geben haben. Das sind keines wegs die »leichtverständlichen-. Im Gegenteil, durch die Be vorzugung des sogenannten leichtverständlichen Schrifttums wird, wie sich hier und da schon jetzt zeigt, auf die Dauer ein Mißtrauen in den Leserkreisen gegenüber der Produktion der wissenschaftlichen Verlage erzeugt, das mehr schaden wird, als der Anfangserfolg genützt hat. Dagegen kann in der Tat die Lesbarkeit des Schrifttums erhöht werden, wenn die Verleger auf eine möglichst kurze Fassung der Schriften dringen. Das Sortiment kann überall da, wo es Fühlung mit ver antwortlichen Persönlichkeiten der wirtschaftlichen und wirt- fchastspolitischen Praxis hat oder gewinnen kann, viel tun, in- Nr. 126 Donnerstag, den 2. Juni 1S38 447
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