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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.08.1899
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- 1899-08-09
- Erscheinungsdatum
- 09.08.1899
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- Deutsch
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5668 Nichtamtlicher Teil. 183, g, August 1899, oder, wie sich Otto Ernst feiner Zeit ausdrückte: »ein Luxus, ein Leckerbissen für wenige Feinschmecker-, so wollte ich damit den Widerspruch zwischen seiner Auffassung und der in der These ausgesprochenen geltend machen. Auch ich bin der Meinung, daß es bei vielen Menschen, geschweige denn Kindern, vergebliches Liebesmühen ist, sie die Schönheiten so mancher Kunstwerke auch nur ahnen zu lassen; stehe ich doch selbst vor so manchem stagend und forschend. Wenn nun die Verfasser der Denkschrift, die offenbar von denselben Ge danken ausgehen, sagen: »Sicherlich täuscht sich der Prüfungs ausschuß, wenn er meint, die großen Massen der Volksschlller litterarisch urteilsfähig machen zu können-, und dann weiterhin: »Für die Volksschulen, auch auf deren Oberstufe, sollten sie demnach ohne weiteres in Wegfall kommen-, so scheinen sie allerdings der Meinung zu sein, daß das nur bei Bolks- schülern der Fall sei, darum jedes Streben nach diesem Ziele zu unterlassen wäre. So wenig ich der These des Prüfungs ausschusses zustimmen kann, so wenig einer solchen An schauung, Auf dem letzten evangelisch-sozialen Kongreß in Kiel sprach Professor Paulsen, der bekannte Ethiker, über: Die Wandlungen des Bildungsideals in ihrem Zusammen hänge mit der sozialen Entwickelung und führte aus (ver gleiche Naumanns Hilfe, Nr, 23): »daß die Stimmungen, die gegenwärtig in unserem Erziehungswesen herrschend sind, die nationale, die volkstümlich-demokratische und die realistische, Hinzielen auf ein Bildungsideal, das allen Gliedern des Volkes gemeinsam ist, das aus dem eigenen Leben unseres Volkes gestaltet wird, das alle Glieder zur vollen Teilnahme an dem gesamten geistigen Leben des Volkes zu erheben trachtet! Wohl sind Gefahren damit verknüpft, aber im ganzen können wir nicht umhin, diese Entwickelung als wünschenswert zu erklären und zu fördern. Der Staat, die Gesamtheit hat das Interesse, daß alle geistigen Kräfte seiner Glieder zur Entfaltung kommen. Völlige Bildungs gleichheit werden wir nie erreichen: aber eine Entwickelung aller Talente müssen wir ermöglichen!- Ich stehe nicht an, es auszufprechen, daß ich mich voll und ganz zu dieser Anschauung bekenne. Die mancherlei Bestrebungen der Patriotischen Gesellschaft, nicht zum wenig sten ihr Vorgehen zwecks Gründung einer Bücherhalle schließen für mich aber die Annahme aus, daß dieselbe dieser Seite des Strebens der Lehrerschaft, allen Gliedern des Volkes zur vollen Teilnahme an dem gesamten geistigen Leben zu Helsen, als Gegner gegenüberstehen könne. Es widerspräche das, soweit ich unterrichtet bin, durchaus ihren selbstgesteckten Zielen, So muß noch eine andere Auffassung des Problems möglich sein. Ich möchte mich auf Erich Schlaikjer berufen, der ja auch vom Prüfungsausschuß citiert wird. Derselbe hatte sich in dem von ihm redigierten Feuilleton der »Zeit« (Nr, 77) aus Anlaß des kläglichen Ausfalls der Samm lungen für Detlev von Liliencron über die litterarische Ur teilsfähigkeit des großen Publikums sehr herbe geäußert und sagte u, a.: »Das ist ein, Ergebnis, durch das das deutsche Volk sich so arg herabgesetzt hat, wie es der ärgste franzö sische Chauvinist nicht zu thun gewagt haben würde , , , Der Vollständigkeit halber wollen wir bemerken, daß die deutsche Bourgeosie, wie blitzwenig sie auch für die wirkliche Kunst thun mag, in dieser Beziehung immer noch beträcht lich mehr leistet, als die deutsche Sozialdemokratie , , , Der ästhetische Jammer ist in der sozialdemokratischen Presse größer als in der bürgerlichen, und er ist doppelt schlimm, weil man von der Sozialdemokratie, die für sich die Zukunft erobern will, auch in künstlerischen Dingen Spannkraft und Frische erwarten dürste, zumal sie für den »greisenhaften Verfall der heutigen Gesellschaft» ein so scharfes Auge hat,» Insbesondere diese letzten Bemerkungen gaben einem Un genannten Veranlassung, auf Grund genauer Bekanntschaft mit dem Interesse und Verständnis für künstlerische Dinge im Proletariat seine Meinung dahin auszufprechen: »Die Kunst ist eine spezifisch aristokratische Kulturrichtung, Sie ist und bleibt Kaviar fürs Volk, mag dies feudalistisch, kapita listisch oder sozialistisch leben!» Darauf antwortet Schlaikjer: »Es fehlt mir der Raum, um historisch mit Ihnen über den Satz zu rechten, daß der süße Publikus aller Stände zu allen Zeiten ein Barbar gewesen sei. Sie werden mir aber zu- gebeu, daß sein Barbarentum in den verschiedenen Zeiten verschieden schlimm war , , , daß der künstlerische Geschmack Zeiten der Blüte und des Verfalls gehabt hat und daß Blüte und Verfall auf bestimmte historische Veränderungen zurück geführt werden können, , , Die menschliche Art ist, wie alle anderen Arten auch, variabel. Wenn nun (nach Darwin) die Organe der Lebewesen sich unter dem Einfluß der Lebens bedingungen in langen Zeiträumen wesentlich verändern — warum sollten die so feinen, leicht beeinflußten Organe, durch die man die Kunst auf sich wirken läßt, ganz allein etwas sein, das für alle Ewigkeit festgclegt wird? Nichts spricht dafür, und es ist um so überflüssiger, sich durch eine derartige pessimistische Auffassung der Menge Herabdrücken zu lassen, als die ökonomischen Zustände, unter denen wir heute alle miteinander leben müssen, vollständig nusreichen, um die ästhetische Misere bei Besitzenden wie Besitzlosen zu erklären. Bei den letzteren ist sie durch schlechte Ernährung, lange Arbeitszeit, ungenügende Schulbildung u, s, w, von vornherein klar; aber auch bei den ersteren ist eine ernsthafte künstlerische Kultur in der heutigen Situation nicht mög lich, , , , Die Besitzenden beginnen den Wert von Wissenschaft und Kunst zu bezweifeln, weil beide den aufstrebenden Massen gefährliche Waffen liefern; die Zukunftsfreudigkeit schwindet aus ihren Reihen, und die Teilnahme am geistigen Leben der Nation, die ihnen immer unbehaglicher wird, muß sich durch sinnliche Genüsse ersetzen lassen,- In diesen mir außer ordentlich interessanten Ausführungen ist auf den Faktor hin gewiesen, der meines Erachtens von dem Prüfungsausschuß gar nicht in Rechnung gesetzt wird, auf die herabstimmende Wirkung der wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen viele Kinder der Volksschule leben. Wer die Wohnungs- und Familienverhältnisse aus eigener Anschauung kennt, wird seine Hoffnungen auf den Erfolg des Strebens, hier künstlerisches Empfinden zu pflegen, bedeutend herabsetzen. So meine ich denn: Die künstlerische Genußfähigkeit ist als Anlage nicht ein Klassen- oder Standesvorrecht; diese Anlage hat für alle gleichen Anspruch auf Bildung und Pflege, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß die Fähigkeit graduell sehr verschieden ist und daß sie wesentlich durch die ökonomischen Zustände beeinflußt wird. Wäre das aber er wiesen, dann wäre noch zu untersuchen, inwieweit neben den übrigen Erziehungsaufgaben der ästhetischen Recht und Raum gegeben werden kann. Davon das nächste Mal. Kleine Mitteilungen. Auslegung des Po st regal s, — Der Frankfurter Zeitung wird aus Mannheim folgendes berichtet: Wegen Vergehens gegen strafkammcr. Im Januar d. I. schickte die Chokoladenfabrik Gebe. Stollwerck in Köln a. Rh. der Mannheimer Privatpost in 48 Paketen 4000 Stück mit Adressen versehene Briefumschläge, die Reklaine- beförderten Briefe erblickte die Anklage eine Verletzung des Postmonopols, Der Erste Staatsanwalt Geiler berief sich ins besondere auf ein Erkenntnis des Reichsgerichts vom 8. Januar 1894, das unzweifelhaft festgestellt habe, daß in solchen Fällen nicht von zwei Sendungen, sondern nur von einer ge-
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