Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.02.1929
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48, 23, Februar 1928, Redaktioneller Teil, Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Albrecht Dürer und die Entstehung der Frakturschrift. Von Max Fleck, Berlin. In ganz Deutschland und weit über seine Grenzen hinaus, überall wo die deutsche Zunge klingt, gedachte man im vorigen Jahre feierlich des großen deutschen Meisters, der vor 400 Jahren zu Nürn berg, seiner Vaterstadt, viel zu früh seine Künstleraugen schloß. Wir sagen »viel zu früh«. Nicht allein, weil Dürer, als ihn der Tod dahinraffte, noch in den besten Mannesjahren — er zählte 57 Jahre — stand, und der deutschen Welt wahrscheinlich noch viel zu geben gehabt hätte. Sondern es wäre vielleicht auch, wenn er länger ge lebt hätte, manches aus seinem Leben, worüber jetzt noch geheimnis volles Dunkel waltet, offenkundiger geworden. Hierzu gehört auch sein Mitwirken bei der endgültigen Gestal tung der Frakturschrift. Bei den Tausenden von Gedenkreden, die damals gehalten worden sind, hat kaum ein Redner dieser für die Nachwelt so überaus wichtigen Tätigkeit Dürers gedacht. Man pries an erster Stelle — und das mit Recht — den großen Maler und Zeichner, den deutschesten der Deutschen, man gedachte wohl auch seines Verständnisses für andere Zweige der gestaltenden Kunst, seiner technischen, weit über das Mittelmaß hinausgehenden Kennt nisse, aber daß er sich auch eifrig mit Schriftfragen beschäftigt hat, wurde selten erwähnt. Dürer lebte in einer Zeit der Gärung der Geister. Aus den bröckelnden Ruinen des Mittelalters schossen berauschend die bunten Blüten des Rinascimento und des Humanismus hervor. Die Re formation kündigte sich an, neue Erdteile waren entdeckt und der letzte beharrende Nest altertümlicher Kultur, Byzanz, war gefallen. Auf der Kirche der heiligen Weisheit wehte der Halbmond. Diese Zeit, in der es eine Lust war zu leben, wie Ulrich v. Hutten aus rief, brachte es unter anderem mit sich, daß man viel von dem Alt hergebrachten über Bord warf, und daß den Schwärmern für die neuentdeckte »Antike« die bisher gebräuchlichen mittelalterlichen Schriftarten, die man in den romanischen Ländern nunmehr als »gotisch«, d. h. barbarisch, schalt, trotzdem sie bis dahin ihren Zweck vollauf erfüllt hatten, nicht mehr würdig erschienen, um die Reden eines Cicero und die Dichtungen eines Horaz und Virgil wieder zugeben. Man schuf sich, dort im Lande der Wiedergeburt, eine neue Sonderschrift aus der wieder hervorgeholten Nömerschrift und der Schrift des Karolingerreiches und nannte sie »Antiqua«. Auch Dürer hat wohl zuerst die Antiquaschwärmerei mitgemacht und hat die neue Lateinschrift angewandt, soweit er bei seinen Stichen lateinische In schriften hinzusetzte. Sein deutsches Gewissen aber wies ihn dann andere Wege. Als er vom Kaiser Maximilian den Auftrag bekam, dessen dem Kaiserlichen Sekretär Vinzenz Rockner als Schöpfer zuge schriebenes Gebetbuch mit Bildschmuck zu versehen, lag ihm eine neue Schriftart vor, die wir, ebenso wie die Teuerdankschrift Schön- spergers, als unmittelbare Vorläufer der eigentlichen Fraktur bezeichnen. Ob und inwieweit Dürer bei der Formgebung dieser beiden Schriftarten mit Rat oder Tat mitgewirkt hat, wissen wir nicht. Dagegen können wir uns eher ein ungefähres Bild machen, in welchem Maße der Meister bei der Entstehung der eigentlichen Fraktur mitgewirkt hat. Milchsa ck*) stellt fest, daß diese Schrift art nach einem Bericht des Nürnberger Schreibmeisters Johann Neudörffer von diesem entworfen und von dem Formenschneider Hieronymus Andreä geschnitten worden sei: »Ich, Hanns Neudörffer, macht ihm eine Prob von Frakturschrift, die schnitt er (Andreä) in Holz und danach in stählerne Punzen und verändert dieselbige Schrift in mancherlei Groß . . .«. Diese Schrift, unter der wir die noch jetzt gebräuchliche Fraktur zu verstehen haben, wurde, ebenfalls nach Milchsack, zunächst für Dürers Hausdruckerei, also in seinem Aufträge und auf seine Kosten hergestellt. Milchsack schließt daraus, daß die Anregung zur Schaffung dieser Schriftart von Dürer ausgegangen sein muß, ferner nimmt er sinngemäß an, daß Dürer mit Neudörffer und Andreä sich vorher eingehend über die Form der Schrift verständigt hat. Kautzs ch**) hält es für unwahrschein lich, daß Dürer vor 1527 eine eigene Hausdruckerei besessen hat, was aber schließlich hier ohne Bedeutung ist. Hauptsache ist, daß Kautzsch ebenfalls zu dem Schluß kommt, daß Dürer sicherlich bei dem Entwurf der Frakturschrift gewissermaßen Pate gestanden, also ihn *) Milchsack, weil. Oberbibliothekar: »Was ist Fraktur?« Braun schweig, 1918. **) Nud. Kautzsch: »Die Entstehung der Frakturschrift«: Mainz 1922. (K. war Direktor des Bnchgewerbemuseums und ist heute Pro fessor der Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt a. M.) mit Rat und Tat unterstützt hat. Daß der Meister sich schon lange vorher mit der Schristfrage beschäftigt hat, missen wir, denn er hatte bereits bei seinem Aufenthalt in Italien gesehen, wie sich die bedeutendsten Künstler und Gelehrten bemühten, die beste Form der Antiqua auf dem Wege des mathematischen Aufbaues herauszufinden, und hatte selbst umfangreiche Versuche angestellt, auf diese Weise die Formen der Bruchschrift sestzulegen. Deshalb wird er die Mitarbeit Neudörfsers und Andreäs mit Freuden angenommen und wird ihr seinen Geist eingehaucht haben, zumal seinem feinen Formensinn die Schriften des kaiserlichen Ge betbuches und des Teuerdanks sicherlich noch nicht als die Vollendung erschienen. Mittelbar bewiesen wird sein Mitwirken dadurch, daß Dürer sein nächstes Werk, die 1525 erschienene »Underweysnng der Messung mit dem zirckel und richtscheyt« in der neuen Schrift setzen ließ und sich fortan bis zu seinem Tode nur dieser Druckschrift bediente. Diese Fraktur war es, die nunmehr in stürmischem Sieges lauf sich das gesamte^ deutsche Schrifttum eroberte und es bis zur Gegenwart beherrschte, die ferner auch bei den Skandinaviern und den slawischen Völkern, soweit sie nicht bereits das kyrillische Alphabet besaßen, Eingang fand und zur Volksdruckschrift wurde. Wir können demnach mit gutem Gewissen behaupten, daß Albrecht Dürer, wenn er auch vielleicht nicht selbst Schöpfer war, so doch seinen Formensinn und seinen Künstlergeist bei der Entstehung der Frak turschrift hat Mitwirken lassen. Die Neudörffer, Andreä, die Rockner und Schönsperger sind dem Namen nach nur wenigen Einge weihten bekannt, der Name Dürers aber wird glänzen, solange es noch deutsche Menschen gibt. Er und sein Werk sind gewissermaßen der Leitstern, der sinnfällige Ausdruck seines Kunstzeitalters. Darum können wir auch mit Recht die Fraktur, die, immer neu geschaffen, auch die Jetztzeit ihr eigen nennt, als »Dürerschrift« bezeichnen, wie es Kautzsch unbedenklich tut. Dorn, IVilb olm: ^6ll»8ib!lOAl'Lp!lle. Vt r/.eidinis clor von clorn Ua- ^Imnnaoko. Koriin 1928 : 086lliu8. 939 8. in. raklr. ^bb. kappbck. 30.—. Jedem Büchersammler ist der Name Meil wohlbekannt und wohl vertraut. Viele mögen aber nicht wissen, daß dieser Johann Wilhelm Meil (1733—1805) auch einen Bruder Johann Heinrich hatte (geb. 1729), der auch in Kupfer gestochen und geätzt hat. Schon aus diesem Grunde war es dankenswert, daß Dr. Wilhelm Dorn — ein Ber liner Anwalt — sich der mühsamen Aufgabe unterzog, ein »Ver zeichnis der von dem Radierer Johann Wilhelm Meil illustrierten Bücher und Almanache« zu geben. Das Lebenswerk I. W. Meils von 1755 (Lessings Schriften) bis 1804 umfaßt 612 Nummern, die natürlich chronologisch ange ordnet sind. Beim Turchblättern treten uns fast lauter bekannte Namen wie Lessing, E. Ehr. v. Kleist, Gleim, Namler, Geßner, Abbt, Mendelssohn, Scheffner, Goethe, Stolberg, Moritz usw. entgegen. In einem und demselben Bande finden mir neben Meil häufig Choöowiecki vertreten. Daraus hat sich die irrtümliche Ansicht her ausgebildet, daß beide Meister der Radierung etwa Konkurrenten oder Rivalen waren. Wie Dorn richtig bemerkt, ist Chodowiecki Rea list, der als Titelkupfer- oder -Vignette stets einen Vorgang, eine Szene aus dem Buche bringt, während Meil dagegen das Dekorative in den Vordergrund stellt, indem seine Vignetten den Buchschmuck bilden und meist in allegorischer Form ein Programm, eine Inhalts angabe geben. Dem Dornschen Werke wird, denke ich, dieselbe Bedeutung zu kommen, die sich Engelmanns Werk über Chodowiecki erobert hat. Denn das Berlin 1808 erschienene Meil-Verzeichnis ist so selten geworden, daß Dorn erst vor kurzem ein Exemplar hat auftreiben können. Zum Schlüsse mögen einige Ergänzungen hier ihren Platz fin den, auf die ich bei der Lektüre und Durchsicht des mich sehr inter essierenden Dornschen Werkes gestoßen bin. So schreibt z. B. Bote an Bürger (30. Nov. 1769), daß er von einem Abendessen komme, das er in Namlers, Mendelssohns und Meils Gesellschaft bei Nicolai genossen habe (Strodtmann, Bürgers Briefe, Bd. 1). Nach Boies Urteil (Weinhold, Boie S. 26) mar Meil ebensosehr Gelehrter und witziger Kopf und Künstler und erwies sich höchst liebenswürdig gegen ihn. Meil erschien Boie in den alten Schriftstellern sehr bewandert und regte seine Liebe für Kupferstiche stark an. Auch Lichtenberg erwähnt Meil zweimal, einmal in den Apho rismen (E. 156) — etwa 1775 — und in einem an I. G. Müller gerichteten Brief vom 20. Dez. 1784. Auch G. H. Hollenberg (Bemerkungen über verschiedene Gegen stände usw. Stendal 1782, S. 140/141) gedenkt dort der beiden Brüder Meil. 205
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