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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.10.1923
- Strukturtyp
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- 1923-10-02
- Erscheinungsdatum
- 02.10.1923
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- Deutsch
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gespitzt, und gerade dadurch uns ungemein lieb und teuer, da ia die deutschen Dichter, wenn wir die echte Literatur im Auge haben, immer mit ihrer Feder die Grundprobleme der Welt und Sozialordnung zu lösen strebten und nicht danach trachteten, den Leser nur zu zerstreuen oder zu amüsieren. Diese große Bedeutung und diese Wucht im Be reiche des Geistigen, des Allmenschlichcn, macht sie für uns auf ewige Zeiten zu einem sehr teuren und vertrauten Schatze von Weltbedeu tung. Neben diesen allgemeinen Gründen, welche die deutsche und rus sische Kultur immer einander nahe brachten, uns dazu drängten, sehr vieles aus Deutschland anzunchmen, uns so häufig Antriebe gaben, wäre es uoch von Bedeutung, auf die ganz beispiellose Einschätzung hinzuweisen, welche einigen russischen Schriftstellern, z. B. Dostojewski), in Deutschland zuteil geworden ist. Außerdem gibt es noch einen histo rischen, zeitgemäßen Grund, welcher einen Kultur-Bund zwischen Ruß land und Deutschland wünschenswert, unumgänglich und durchaus mög lich macht. Unsere Volker, unsere Länder sind aus dem imperialisti schen Kriege tief erschüttert hcrvorgegangen, und cs kann, rein äußer lich betrachtet, der Eindruck entstehen, als ob sowohl Deutschland als anch das junge halb-barbarische Rußland so weit erschüttert und der maßen von den ihnen aufcrlcgten Prüfungen geschwächt sind, daß sie wie auf den Hintergrund der weltgeschichtlichen Bühne geschleudert und von den aus dein Kriege siegreich hervorgegangenen Staaten verdrängt zu sein scheinen. Aber das gilt nur für den ersten oberflächlichen Blick, und ich bin fest überzeugt, daß cs keinem gebildeten Deutschen und keinem Deutschen überhaupt einfallcn wird, auch nur einen Augenblick von Zweifeln an seinem Volk oder von Verzweiflung an dessen Zu kunft sich anstecken zu lassen. Hüben so wie drüben sind wir überzeugt, daß eine solche geistige Macht wie die deutsche Kultur durch nichts be siegt oder auf Irrwege gebracht werden kann, und daß sie sich für jeden Fall und trotz aller Hindernisse Bahn brechen wird. Jeder ge bildete Mensch, jeder Deutsche sicht cs gewiß ein, daß der gegen das Herz des deutschen Volkes geführte Streich die ganze Menschheit und ihre Kultur trifft, und daß die endliche Überwindung der Drangsale, die jetzt Deutschland zu erdulden hat, ein Jubelfest für die ganze ge bildete Menschheit bedeuten wird. Daß cs zu dieser Überwindung ein mal kommen muß, davon kann man zweifellos überzeugt sein. Sie wird kommen, und das beste Pfand dafür bietet die Lebensfähigkeit der deutschen Kultur im Lause dieser schweren Tage, Monate und Jahre. Wir sind hier nicht imstande, die deutsche Entwicklung im einzelnen genau zu verfolgen; nicht allen ist es gelungen, einmal im heutigen Deutschland zu weilen, aber es gibt ja Bücher, und auf meinem Schreib tische fand ich öfters Stöße von deutschen Büchern, und jedesmal war es ein neues Entzücken und ein neues Staunen. Diese Bücher waren Zeugen von einem solch energischen Pulsieren des geistigen Lebens Deutschlands, daß alles Unken über die weiteren Schicksale des deutschen Volkes lächerlich erschien. Trotz unserer kulturellen Dürftigkeit, trotz der Kompliziertheit der uns bevorstehenden Aufgaben und der Unzu länglichkeit unserer Mittel sind auch wir keinesfalls an unserer Zu kunft verzagt. Wir empfinden lebhaft das Vorhandensein einer unge heuren Menge frischer Kräfte in unserem Volke, seitdem die Revolution es zum Lenker seines eigenen Schicksals berufen hat. Wir haben viel fache Kennzeichen, die von größter Bedeutung in dieser Hinsicht sind. So die Schaffung der Noten Armee, sowie ihres neuen Offizierstandes, welcher seinem roten Vaterlande grenzenlos ergeben ist und einen so hohen Grad von sozial-kulturellem Fortschritt ausweist, wie er zu früheren Zeiten niemals von dem russischen Offizicrsstande erreicht worden ist. Ein zweites Beispiel bietet unsere rote Studentenschaft, die, aus dem Bauernstände hervorgcgangen, stürmisch nach Wissen dürstet und so viel durchgemacht hat und auf so wunderbare Weise physische Jugendlichkeit mit großer Lebenserfahrung verbindet, da ja jedes im revolutionären Rußland verlebte Jahr wahrlich 10 früheren in üblicher Weise verlebten gleichzustellen ist. Diese Jugend zeugt von unerschöpflichen Kräften, die im Volke schlummern, die jetzt erweckt sind, und zwar auf solche Weise erweckt, wie es uie zuvor der Fall ge wesen. Jetzt steht im Sowjet-Rußland dein geringsten Dorfkinde wie dem Werkmann der Fabrik der Weg frei zu den Höhen des Wissens und des sozialen Dienstes, und wenn zu Zeiten Katharinas das Auftreten eines Lomonossow möglich gewesen, so müßten wir jetzt Tausende von Lomonossows erwarten, in Anbetracht der Sorgfalt, mit der wir be strebt sind, jede junge Kraft, welche aus den unteren Schichten der Be völkerung hervorgeht, zu unterstützen. Nirgends und niemals haben sich diese unteren Massen so frei geäußert und konnten sie in solchem Maße ihre Selbstbestimmung geltend machen wie im heutigen Rußland. Und, wie ich glaube, bietet alles dieses die beste Bürgschaft dafür, daß wir nicht unr unsere Existenz und unseren Platz unter den anderen Völkern behaupten werden, sondern, daß wir auch in gleiche Reihe mit den uns jetzt voranstchenden Völkern als Schöpfer von Kulturwerten treten werden. Deutschland hat eine reiche Vergangenheit, Rußlands Vergangenheit ist von großem Leid und Wehe erfüllt; das Größte jedoch steht diesen beiden Ländern noch bevor. Mißstände, die wir in unserer Umgebung beobachten, geben mächtige Antriebe, geeignete Aus wege zu suchen. Alles mahnt uns, uns gegenseitig zu stützen. Ganz unwillkürlich und unumgänglich, unabhängig von den Sympathien, die zwischen unseren Völkern immer bestanden, bahnt sich ein gewisser Parallelismus, ein kulturell-ökonomischer Bund zwischen beiden Völ kern an. Es ist das Ergebnis der Wechselwirkung dieser beiden unge heuren Massen unseres Eurasiens und des jetzt wohl bedrängten, abec an Kultur-Traditionen und -Kräften reichen Deutschlands. Der Bund und die vereinte Tätigkeit beider Länder sind so verheißungsvoll und werden Folgen haben, welche manche Staatsmänner und Denker viel leicht voraussehen, deren ganze Größe aber wohl noch niemand erfaßt hat. Jeder, sogar der kleinste Schritt, den wir während dieser für uns und Deutschland schweren und bedeutungsvollen Jahre zur Annäherung und gemeinschaftlicher Arbeit bei der Wiederherstellung von Kultur- werten machen,chat zweifellos eine sehr große Bedeutung. Jedes kleinste Bindeglied, jeder kleinste Faden, welcher die Interessen des deutschen Volkes und der Völker der Sowjet-Republik fester aneinanderknüpft, ist ein wichtiges Element der Kultur der Menschheit, die im Laufe der letzten Jahre in diesen Ländern wiederausblüht und zu neuem Leben kommt. Größere geistige Kräfte stauen sich bei den Völkern, die nach ihnen ringen und sie schaffen, als bei denen, welche eine scheinbar triumphierende Stellung unter den Staaten einnehmcn, aber keinen Vorrat an potentieller Energie besitzen, deren Vorhandensein bei uns nicht abzuleugnen ist. Von diesem Standpunkt aus betrachtet hat das Ereignis, dem wir heute beiwohnen, die Eröffnungsfeier der Aus stellung, große Bedeutung. Wenn gesagt worden ist, daß die Gründung einer Volksschule oder eines Arbeitervereins vielleicht wichtiger sind als diese oder jene Schlacht, so kann ich sagen, daß das kleine, aber be deutungsvolle Faktum des Erscheinens des großen deutschen Buches unter unserem noch rückständigen, aber nach Bildung dürstendem Volke wichtiger als viele politische Ereignisse und offizielle Feierlich keiten ist. Das ist ein durch das Buch vermittelter Händedruck zweier großer Welten, die sich ihrer Nähe bewußt und ihrer Zukunft sicher sind- Die Ausführungen Lunatscharskis wurden von der Versamm lung mit größtem Beifall ausgenommen und verdienen zweifels ohne auch in Deutschland Beachtung. Sind doch darin zum Ruhme Deutschlands und seiner Kultur Töne angeschlagen, wie sie besser auch der Deutsche selbst Wohl kaum zu finden vermöchte. Ähnliches gilt für die folgenden Ausführungen des rim den Erfolg des Unter nehmens besonders verdienten Leiters der Ausstellung, des Prof. Iegorow, die er in deutscher Sprache machte. Mir, als Direktor der Ausstellung, ist die ehrenvolle Aufgabe zu geteilt, der verehrten Versammlung einen Einblick in den Werde gang der Ausstellung zu ermöglichen. Beileibe kein »historisches Bild«, womöglich in pragmatischen Details, wohl aber Aufklärung über einige markante und entscheidende Momente. Werdegang ist Tatengang und G e d a n k e n g a n g. Beides wurde durch die gegebenen Tatsachen genugsam be stimmt. . . Vor uns allen lag die Ausgabe, das deutsche Buch, das Nachbarbuch, wirklich und endlich, nach schwerer Zeit, uns wieder zu näher n. Eine schöne Ausgabe! Denn der russische Wissenschaftler, der Techniker, der Arzt und eine lange Reihe von sonstigen Interessenten hatten seit Dezennien sich an das deutsche Buch gewöhnt und ge- lehn t. Neues war hier also nicht zu schaffen, wohl aber das Frühere, die alten guten Gepflogenheiten wieder aufzunchmen. Die Fülle der Einsendungen, nahezu 30 OOO Werke, gab genügende Möglichkeit, und in dieser Hinsicht wird hoffentlich die Aus stellung den Anforderungen gewachsen sein. Die zweite Aufgabe bestand darin — das deutsche Buch, das so mannigfaltige, in die gebührende Ausstattung zu bringen. Nicht nur dem Äußeren nach. Die geräumig-schönen Hallen dieses Hauses bieten geradezu unbeschränkte Möglichkeiten. Aufmerksame Klassifikation nach wissenschaftlichen und praktischen Standpunkten hat das ihrige . . . Nein! Der Schwerpunkt lag in ganz anderem. Jedes Volk hat sein Buch, seinen besonderen Typus, und mit dem Typischen, dem Besonderen des deutschen Buches sollte und mußte die Ausstellung rechnen. Luftig, manchmal windig, trotz äußerer, bestrickender Eleganz und seiner Farbenführung, ist das französische Buch. Behäbig, puri tanisch . . . und doch protzend steht das englische Buch da. Das deutsche Buch, von jeher s ch l i ch t und wuchtig, nicht glei ßend, sondern glänzend, mußte auch demuach behandelt werden. Ob es uns gelungen, dasselbe ins wirkliche Licht zu bringen mögen andere beurteilen. Jedenfalls ist ein ehrlicher, arbeitsreicher Anlauf hierzu genommen.
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