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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.04.1926
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- 1926-04-24
- Erscheinungsdatum
- 24.04.1926
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95, 24. April 1826. Redaktioneller Teil. Nein Schriftsteller, lein Dichter, kein Künstler schasst nur aus sich heraus. Sie alle schöpfen aus der Gedankenwelt und dem Kulturleben von Jahrtausenden. Ein »geistiges Eigentum- gibt es nicht. Was einer -versaht-, ist nur neue Form; der Inhalt entstammt der Tiefe des Volkslebens und soll in diesem weiter kreisen, bis das, was wir heute Kultur nennen, dahingcsunken sein wird. Der Inhalt eines jeden neuen Werkes ist ohne weiteres Gemeingut. Weil aber das Formgeben, das »Verfassen« eine ihres Lohnes würdige Arbeit ist, so sichern wir ihr — nach den gegenwärtigen Anschauungen — den Lohn durch eine Schutzsrist, nach deren Ablauf auch die Form Gemeingut wird. Die Dauer der Schutzsrist must bis zu einem gewissen Grade willkürlich sein. Last man sie an die Lebensdauer des Bcrsasscrs anknüpst, ist nicht nur gerecht diesem gegenüber, sondern auch praktisch, weil die Anknüpsung an das Erscheinen des Werkes sehr umständlich ist. Die 3V Jahre nach dem Tode sind deswegen glücklich ge griffen, weil so den Erben Frllhverstorbener noch so lange die etwa vorhandenen Einkünfte zustchcn, bis die Kinder crwerbs- sähig sind. Dazu genügten sogar 25 Jahre. Stirbt ein Ver- sasscr erst im Greiscnalter, so sind bei Mjähriger Schutzsrist Nutz- nicster bereits die Enkel oder gar Urenkel; der Schutz des Erst lingswerkes erstreckt sich aus 80 Jahre oder noch mehr. Ich meine, das wäre sehr reichlich! Die Verlängerung der Frist aus 50 Jahre nach dem Tode wäre nichts weiter als ein Schutzgesetz für Enkel, Ur- und Ururenkel. Mit berechtigter Vergütung an die Verfasser selbst und deren Familie hätte das nichts mehr zu tun. Es ist schwer verständlich, wie in einer Zeit, in der die Lebenden massenhaft enteignet worden sind oder enteignet wer den sollen, eine so ängstliche Fürsorge für noch Ungeborene über haupt ernstlich verlangt werden kann. Noch aus einem anderen Grunde sind die 30 Schutzjahre ein sehr glücklicher Griff. Die Schiller, Goethe, Richard Wagner, deren Bedeutung 50 und 100 Jahre nach ihrem Tode noch nicht abgeschwächt ist, sind seltene Ausnahmen. Wenn andere ihre Zeit geistig uin 30 Jahre noch überleben, so ist das schon viel; nach 50 Jahren laufen auch sie Gefahr, von dem neuen Geschlecht als so überwunden angesehen zu werden, dast das Freiwerden ihrer Werke daran wenig oder nichts mehr zu ändern vermag. Ein gutes Beispiel dafür scheint mir Gustav Freytag zu sein. Der war doch schon recht ins Hintertreffen geraten. Jetzt, nach Frei gabe, ergießen sich die Nachdrucke wie ein Strom über das deutsche Volk, und Freytag steht wieder und mit Recht in hohem Ansehen. Die Freigabe selbst wirkt als mächtige Aufrüttelung der Leser- weit, mächtiger, als irgendeine Werbung vor -der Freigabe es ver mocht hätte. Ich höre, daß unter den Musikern z. B. Hugo Wolf und Rubinstein längst nicht mehr so volkstümlich seien als früher, dast man aber von ihrer Freigabe einen ähnlichen Umschlag der Stimmung erwarte, wie er Frcytag gegenüber cingetretcn ist. Was die bildenden Künstler anbetrisft, so möchte ich an die nach der Freigabe eingetretene Volkstümlichkeit von Ludwig Richter, Schwind und Spitzweg erinnern. Nach 50 Jahren — ja da läge das ganz anders. Lebendiges kann man am Leben erhalten; was aber einmal tot dalicgt . . . ? Wenn einem Schriftsteller oder Künstler 30 Jahre nach seinem Tode sein Volk aufs neue zujubelt, so dürste er sich stolz und in Heller Freude im Grabe umdrehen. Darum wäre es nahezu un verständlich, daß neuerdings auch Schriftsteller- und Künstlcrver- bändc sich bemühen, ihre Toten durch die 50jährige Schutzfrist auch noch geistig tot zu machen. Erklärlich wird das freilich, tvenn man an das «inst gegen die Engländer gemünzte Wort denkt: Sic reden von Kultur und meinen Kattun. Es handelt sich nämlich um Füllung der Verbands-Unterstützungskassen, um eine verhüllte -Kulturabgabe-. Da über die Gefahren solcher Krippen für Mittelmäßigkeiten und Entgleiste schon genug ver handelt worden ist und, wenn es je nötig tverden sollte, wieder verhandelt werden kann, so mag es für heute bei der Andeutung bewenden. Das im Entwurf veröffentlichte neue österreichische Gesetz bewegt sich auch in dieser Linie. Bei der Entscheidung über die Dauer der Schutzfrist darf, so meine ich, nur die Rücksicht auf das Volkswohl, auf das Ganze maßgebend sein. Alle Einzelbelange, bei denen es sich überdies fast nur um Geld handelt, haben zurückzutretcn. Zudem verlangt meines Erachtens auch die Volkswirtschaft kurze Schutz fristen, keinesjalls längere als untere 3ojähiige. Für die Leser- welt steht der Vorteil des billigen Buches außer Frage; aber auch sür die H e r st e l l e r I ch a s t ist es doch wohl zwcisellos, dast die vielen Nachdruck-Ausgaben viel mehr werktätige Hände und Köpfe beschäftigen als die eine Original-Ausgabe. Von welcher volkswirtschaftlichen Bedeutung sind die Sammlungen freigegebener Bücher und Musikalien! Es scheint mir bei jeder Nachprüfung, daß die seit mehr als hundert Jahren unerschütterlich gleich gebliebene Stellung des Buchhandels auch weiterhin unveränderlich sein muß. Aber auch sür den Kunst- und Musikalien Handel komme ich zu keinem andern Ergebnis. Wohl ist zuzugcben, daß Ton- künstler sich oft schwerer durchsetzen als Schriftsteller. Dafür haben sie aber bei Lebzeiten den grasten Vorzug gesicherter Lebens haltung als ausübende Musiker. Als Beispiele unzulänglichen Schutzes müssen immer wieder Schumann und Wagner herhalten. Aus Ausnahmen kann man keine Gesetze zuschnciden, und jene beiden waren schon zu Lebzeiten volkstümlich. Wagner befand sich in Not, als er noch nicht allgemein anerkannt, sondern ver lacht und geächtet war. Zuletzt hatten er selbst und während der 30 Jahre seine Erben sich wahrlich nicht zu beklagen. Und wer wünscht heute noch, daß nach Wagners Willen der Parsifal noch an Bayreuth gesesselt wäre? Immerhin: nicht ohne weiteres abzuwcisen wäre Ausdeh nung der Schutzfrist für Ausführungen. Zunächst deshalb, weil die Eintrittspreise der Theater und Konzerte sich durchaus nicht danach zu unterscheiden pslegen, ob für die ausgeführten Werke noch Vergütungen zu leisten sind oder nicht. Der Weg fall der Vergütung dürfte säst nur den Unternehmern nützen, nicht den Hörern, nicht dem Volksganzcn. Sodann hat sich durch den Rundfunk das Gebiet der Ausführung oder des Vortrags aus Werke der Literatur ausgedehnt, und wohin das führen wird, ist noch nicht zu übersehen. Es kann vielleicht dazu kommen, daß man künftig Aufführung und Vortrag gesetzlich und in den Berlagsverträgen anders stellt als Vervielfältigung und Ver breitung. Das würde kaum praktische Schwierigkeiten ergeben. Im übrigen aber ist und bleibt für mich die Beibehaltung der 30jährigen Schutzfrist ein überaus ernstes Belangen der Volks wohlfahrt. Elwas mehr Einbandverständnis und pflegliche Vuchbehandlung! Ein außerhalb des Buchgewerbes Stehender würde dieses Thema in einer buchgcwcrblichen Zeitschrift gewiß sür überflüssig und gleichbedeutend mit »Eulen nach Athen tragen» erachten. Es ist aber leider Gottes nirgends notwendiger, darüber zu predigen, als vor Angehörigen des Buchhandels. Wie oft schon hat sich mein Buchbinderherz hcrumgcdreht, wenn ich sehen mußte, in welch unsachgemäßer Weise Bücher von Buchhandels-Angestellten in die Hand genommen und hantiert wurden. Wie soll man da vom Publikum verlangen, beim Einkauf von Büchern und deren Besichtigung pfleglich damit umzugehcn? Zurückkommendc Rcmit- tendcn zeigen ja oft genug Spuren roher Behandlung, deren Ur heberschaft nur zum geringsten Teil aus das Konto der Post- schassncr kommt. Wie oft kann man Büchcrtransportc beobach ten, bei denen Bücherstapel vielfach unverpackt, kreuzweise mit Bindsaden verschnürt, über die Schulter geworsen, unterm Arm, oder gar am Bindfaden getragen werden, als ob es Ziegelsteine wären. Auch buchhändlerische Schaufenster-Auslagen zeigen oft genug völlig mangelndes Verständnis für eine richtige und sach gemäße Behandlung der Bücher, sodast einige Tage im Schau fenster liegende Bücher schon hierdurch zu Remiticnden werden. Ich neige zu der Ansicht, daß dieses Unverständnis sür sachgemäße Buchbehandlung auf die gewiß veraltete Ansicht zurückzuführen ist, daß der Einband eines Buches lediglich zu dessen Schutze da sei und man also einem gebundenen Buche jede Behandlung zu muten dürfe. Dies geht auch daraus hervor, daß man in diesem Sinne vielfach den Einband als die »Schale» eines Buches be zeichnet. Es darf Wohl dahingehend verallgemeinert werden, daß die Art und Weise, wie jemand mit den Gegenständen des täg-
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