Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.05.1927
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- 1927-05-30
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- 30.05.1927
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erschlagen. Nur durch rasche Aufeinanderfolge größerer Erfolge ist es überhaupt noch möglich, einen schöngeistigen Verlag rentabel zu gestalten und zu erhalten; freilich, was das für Anforderungen an die Nervenkraft stellt, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Dieses Tempo verbietet uns auch tm schöngeistigen Verlag, die alte Kommisjionslieserung wieder einzuführen. Es ist wohl schon häufig gesagt worden, -der kapitalkräftige Verlag solle Las kapitalschwache Sortiment durch Komm-is-sionslieferungen in die Lage versetzen, ohne größeres Eigenrisiko -seinen Umsatz zu er höhen. Der -Sortimenter lehnt -aber in der Regel — was wir ihm nachfühlen können — eine vierteljährliche oder gar monatliche Abrechnung solcher Kommissionslieserungen ab und wünscht viel mehr eine höchstens halbjährliche Abrechnung. Bis wir aber dann nach 6, 7 oder 8 Monaten die Remittenden wiedererhalten, könnten wir uns in sehr vielen Füllen mit der Rücksendung der Titelblätter begnügen, wie man bei den nicht verkauften Zeitungen nur die Köpfe zurückschickt, da die Bücher selbst dann kaum mehr einen Wert haben, weil die Zeit der Absatzmöglichkeit schon wieder vorüber ist. Die zuviel gedruckten Exemplare -drücken aber wieder aus das Gesamtergebnis, sodaß auch bei einem -Erfolg-Buch durch die zu hoch bemessene Auflage der ganze sonst mögliche Gewinn wieder aufgezehrt wird. Dieses rasche Tempo, das ja auch -einer -Sammlung, -einer Bücherreihe gar nicht mehr die Zeit zur Entwicklung läßt, ist im Grunde die schwerste Gefahr, mit der wir heute zu rechnen haben. Wir können dieses Tempo auch nicht aufhalten, es hat keinen Zweck, sich ihm durch Reden oder durch Agitation oder durch Auf klärung entge-genzustemm-en; wir müssen es eben mitmachen. Unser heutiges Leben gleicht dem überschreiten einer Automobilstraße; wer ungefährdet durchkommen will, darf nicht rückwärts sehen, sondern nur noch links und rechts und vorwärts. Das sollten sich viele unserer Kollegen mehr zu Herzen nehmen, als -es heute noch geschieht. Immer -wieder -sehen wir, daß neue Sammlungen gegründet -werden, bis der Verleger nach einiger Zeit zu der -Er kenntnis kommt, daß der Absatz -der einzelnen Bände nicht entfernt ausreicht, um die Sammlung fortzusetzen. Der Verlag müßte sich vielmehr der Tatsache bewußt werden, daß der Buchhandel -ebenso wie das Publikum eine neue Bücherreihe, die er -eben noch mit Freuden begrüßt hat, schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit nicht mehr sehen will, daß er nach Neuem verlangt, sodaß eine Samm lung nach der Zeit, -die sie -eigentlich zur Entwicklung brauchte, schon wieder aus dem Inter,ess-enkreis -des Publikums und des Buchhandels verschwunden -ist. Es ist also heute mehr als je ein verhängnisvoller Irrglaube, daß man durch eine Bücherreihe-erreichen-könnte, was man mit dem einzelnen Buch nicht erreichen kann. Wir können heute nicht mehr in Bücherreihen -denken, und auch die großen Buchf-abrik-en und Buch-gesellschaften, die uns heute mit ihren Erzeugnissen über schwemmen, werden die Richtigkeit dieser Tatsache -vielleicht -schon in kurzer Zeit am eigenen Leibe verspüren. Ich sehe auch aus diesem Grunde in den Buchfabriken keine entscheidende Gefahr für den -selbständigen schöngeistigen Verlag. Eine Schädigung unserer Interessen tritt allerdings dadurch ein, daß das Augen maß des Publikums durch die vielen billigen Bücher für -den Preis, den ein ordentliches Buch kosten muß, verwirrt und -getäuscht wird. Doch können wir immer wieder feststellen, daß ein wertvolles Buch, das der Käufer haben will, auch zu einem höheren Preis gekauft wird, während er -ein Buch, -das ihn nicht interessiert, auch zur. Hälfte des Preises ablehnen wird. Aus -diesem Grunde sollten wir -auch nicht allzu ängstlich bei der Preisbem-essung sein. Es hat wirklich keinen -Sinn, bei einem guten Buch ängstlich zu überlegen, ob -es für 50 Pfennig oder 1 Mark teurer verkauft wer den kann oder nicht. Selbstverständlich sind auch hier -durch Rück sichten auf die Konkurrenz gewisse Schranken gezogen, doch hielte ich es an sich wohl für möglich, daß eine Anzahl führender Ver leger sich über gewisse Mindestpreise für bestimmte Bogenzahlen verständigen könnte. Es ist auch nicht richtig, wenn immer -gesagt wird, daß das Geld für Bücher nicht da sei und das Publikum die -angeblich hohen Preise nicht zahlen wolle oder könne. Wenn Sie sich ver gegenwärtigen, was das Publikum heute für Schallplatten auf wendet, die iu großen Massen gekauft werden und in der Tat zu einer schweren Konkurrenz für das Buch geworden -sind, dann werden Sie mir zu-geben, daß -es -das Geld allein nicht ist, was das Publikum davon abhält, Bücher zu kaufen, und -daß man mit dieser rein materialistischen Betrachtung der Lage nicht gerecht wird. Wir müssen nur — und damit komme ich zum letzten Teil meiner Betrachtungen — die Bücher zu schaffen suchen, die im guten Sinne der Zeit dienen. Die Schallplatte kommt dem Geist der Zeit -entgegen, darum wird sie gekauft. Natürlich ist es sehr schwer, Bücher zu -schaffen, die unserer Zeit dienen sollen, einer Zeit, die sich heute selbst noch nicht gefunden hat. Hätte sie sich schon gefunden, könnten wir -sie analysieren und sestleg-en, dann wäre es auch -viel leichter, -die Bücher zu schaffen, die ihrem Geist entsprechen. Wir befinden uns eben noch in einer Zeit des Über gangs und der Entwicklung. Freilich, wenn wir näher zus-cheu, so finden wir doch auch jetzt -schon Fingerzeige, welcher Art die Bücher sind, die unsere Zeit will und die auch ohne allzu ängst liche -Rücksicht auf den Preis ihre Käufer finden. Ich will dabei gar nicht von der Sport- und Radioliteratur reden, deren Absatz infolge der übergroßen Konkurrenz schon -etwas abgeflaut ist. Ich möchte vielmehr auf ein ganz anderes Gebiet verweisen, und zwar auf die Bücher über das neue Bauwesen. — Die Baukunst -ist ja von allen Künsten diejenige, in der -sich ein neues Lebensgefühl am raschesten und -am lebhaftesten -ausdrückt. Bauen und Wohnen ist die unmittelbarste Ausdrucksform -des Lebens -immer gewesen. Überall und in allen früheren Kulturepoch-en sehen Sie die Bau kunst vorangehen, und auch jetzt können Wir, wie ich glaube, dieses Schauspiel bei uns beobachten. Auch wir gehen zweifellos -einer neuen und, wie ich hoffe, großen und starken Kulturperiode -ent gegen. Die Welt steht nicht still und das Abendland geht auch nicht unter, wenn wir heute -etwas weniger Bücher verkaufen als früher — das dürfen -wir nicht glauben. Aber auch wenn die neue Kultur, -der wir hoffend ent-gegensehen, sich heute noch iu etwas rohen und primitiven Formen gebärdet, so zeigen sich doch schon Anfänge, die, wie in der Architektur, schon Ausdruck ge funden Haben, und so sehen wir -auch, daß diese neuen Bücher über Bau- und Wohnkunst von Taut, Corbusier und anderen trotz ihrer oft nicht niedrigen Preise zahlreiche Käufer finden. Es ist -also nicht so, daß das Publikum sich -ganz vom Buch abwend-et-e. Wenn wir aber heute nur noch schwer ein Buch über die Bau kunst der Renaissance -verkaufen können, so hängt das damit zu sammen, daß unsere heutige Übergangszeit wohl so zu kennzeichnen ist, daß -sie, soweit sie nicht -einfach der Gegenwart lebt/mehr in die Zukunft sieht und auf rückschauende Betrachtung verzichtet. Im Februarhest -der Neuen Rundschau können Sie an der Spitze eines Aufsatzes des Preußischen Kultusministers vr. Becker -den lapidaren Satz lesen: »Die Zeit des Historismus ist vorüber«. Diese Tatsache steht fest, jedenfalls für unsere junge Generation, die der Zeit leben und dienen will. Damit muß -sich auch der schöngeistige Verlag -abfindeu, und ich glaube, er würde sich, durch romantische Neigungen und durch den Versuch, Vergangenes wie der beleben und herbeiführen zu wollen, seine Aufgabe nur zweck los erschweren. Weiter aber: wenn er sie auch zu lösen versteht — die Alleinherrschaft des Buches im Reiche der Kultur ist er schüttert worden durch Erfindungen wie den Rundfunk und durch die unmittelbare Aussprache vom Autor zum Publikum. Wir haben ja alle die starke Ausdehnung des Vortragswesens beobach ten können und jetzt in neuester Zeit die Ausbreitung des Rund funks über alle Kulturländer. Diese Erscheinungen Haben mich an einen Satz erinnert, den ich vor vielen Jahren in Goethes Italienischer Reise las; einen Satz, d-sr mir damals schon -einen heftigen Stoß versetzt hat; -er heißt: »Die Poesie ist nicht fürs Auge gemacht«. Schon damals hat mir dieser Satz viel zu denken -gegeben. Ich -sagte mir: wen» die Poesie nicht fürs Auge -gemacht ist, für was -ist sie -dann ge macht? Wenn sie nicht fürs Auge gemacht ist, daun kann sie nur für das Ohr gemacht sein; und -so hat es Goethe tatsächlich auch gemeint, wenn -er auch nicht voraussehen konnte, was wir heute erleben. Wenn f-ich also nun die Poesie und Dichtung im weitesten Sinne auf -dem Weg des Rundfunks oder des unmittelbaren -Vor trags mehr an das Ohr wendet, so ist damit noch lange nicht der Untergang der Kultur und der Poesie besiegelt, sondern es ist nur
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