X: 162, 14. Juli 1923. Fertige Bücher. Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchs,anbei 842t Courths-Mahler an Hans Reimann Gehr geehrter Herr Reimann! Was hat Sie eigentlich so furchtbar gegen mich erbost, -aß sie immer Reklame für mich machen? Sie haben sich schon einmal bemüht, im Zwiebelfisch mich abzuschlachten, noch dazu in Ser sehr honetten Gesellschaft von Rudolf Herzog, Paul Oskar Hoecker, Rudolf Stratz und Walter Bloem. Sie nannten diese Herren in Ihrer ungeheuren Geischtreichig- keit „männliche Hedwigs" und nannten unsere Literatur „Schundliteratur". Auf den literarischen Höhen, auf denen Sie voltigieren, können und wollen wir uns nicht tummeln, dazu sind wir nicht schwindelfrei genug. Ich habe mir nämlich Ihr schönes gelbes Buch „Oie Oame mit Sen schönen Beinen" ge kauft und fühle mich vollständig zerschmettert von -er Fülle von Geist, die mir daraus entgegsnleuchtet. Oa kann ich freilich nicht mit. Auch kann ich Ihrem paradiesischen Ideal „Esten, Schlafen und Llnartigsein" nicht nachstreben, weil ich noch viel anderes zu tun habe. Aber ich würde mich brennen- gern auch einmal mit einer Groteske nach Ihren berühmten Mustern versuchen. Oa sind -er Phantasie gar keine Grenzen gesteckt. Z. B. würde ich dann schreiben: „Es war einmal ein riesengroßer Geist, der sich über alle anderen erhaben dünkte und allen Menschen seine Meinung aufzwingen wollte, so sehr sie sich auch wehrten. Es war ein Kopf ohne Körper und Beine. Er pendelte wochenlang in den gelben Feldern des Neides und fraß sich toll und voll an erbarmungslos hingeschlach- teten kleinen Geistern - bis er platzte und ein gelbes Buch von sich gab. Auf der ersten Seite dieses Buches stand in leuchtenden Lettern „Ich". Llnd das genügte. Andere Bücher brauchte die Welt danach nicht mehr." Wie gefällt Ihnen das? Bester als „Arme Liane"? Ich werde schon noch von Ihnen lernen, verzagen Sie nicht. Sie hoffen wohl darauf, -aß ich Ihnen den Scharfrichterdienst vergelte und auch meinerseits eine Antwort an Sie loslaffe? Nein, hochverehrter, nie hoch genug zu verehrender Herr Reimann. Ich bin ungeheuer rachgierig und tue Ihnen diesen Gefallen nicht, denn ich würde Sann Reklame für Sie machen, wie Sie es kostenlos für mich tun. Seit Sie mir die Ehre erweisen, mich in verschiedenen Intervallen wegen meiner harm losen Märchen, mit denen ich meinem Publikum einige sorglose Stunden zu schaffen suche, anzupöbeln, werden diese noch mehr gekauft als bisher, was freilich meinem Verleger be deutend mehr Vergnügen macht als mir. Jedenfalls fühle ich mich veranlaßt, Ihnen meinen tiefgefühlten Dank zu stammeln und Ihnen im Geiste tiefergriffen die Han- zu drücken. Gott lohne es Ihnen, edler Mann! In gebührender Demut und Verehrung, großer Meister, Ihre noch nicht ganz zerschmetterte Hedwig Courihs-Mahler. Paul Gteegemann * Hannover