11254 269. 19. November 1927. Fertige Bücher. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel. LHN8^ I.I88^I7LU 8LHULIIH IN OLK V088I86HLN LLHI.IN VOIVl ö.NOVLNlLLI^ 1927 ÜLLU »l'OVI H!) 8H.VL81LH« V^Her ist Emil Ludwig? Ein Biograph von Beruf, der Goethe, Napoleon, Bismarck und Wilhelm denZwciten,Rhodes,Rathenau,Lenin,Stanley,Balzac,Rembrandt,Beet hoven, Weber dargestellt hat und wahrscheinlich im Lauf der Jahre auch Franziskus, Mozart, Luther, Karl den Fünften, Loyola, Cäsar darstellen wird. Das Publikum — und leider auch die Kritik — liebt es, wie Paganini auf einer Saite Musik zu machen, und so ist eben ein Lyriker ein Lyriker, ein Novellist ein Novellist und ein Biograph ein Biograph. Dieser Emil Ludwig aber erlaubt sich, seine Gaben in einer ungemeinen Breite zu entfalten. In seinen Dramen stehen Szenen von blendender Schlagkraft und sicherer Macht der Gestaltung, in seinen Romanen schweben Dialoge, die etliche Lust- und Schauspiele speisen könnten. Sein Mittelmeer-Buch flammt in hymnischen, oft sinnbildlich groß erblickten Land- und Meer-Gesichten. Und nun diese Versnovelle! Seit dem „Salamander" Paul Heyses ist keine deutsche Dichtung von solchem Charme entstanden. Man muß dies Fremdwort gebrauchen, um der mondänen Farbe willen, die an ihm haftet. Denn wie beim „Salamander" ruht der Reiz dieser Geschichte mit in ihrer gesellschaftlichen Stimmung und Haltung. Aber sie begibt sich fern abseits der Gesell schaft, und die vier Menschen dieses „Quartetts", wie Ludwig seine Novelle im Untertitel nennt —, meiden die „Welt": Tom, der Bremenser Patriziersohn, der in Afrika als Kaufmann gelebt hat und wieder dorthin zurückgeht; Sylvester, der schlesische Grafensohn, Lyriker; der alte Arzt, der jetzt im Tessin Gemüse, Blumen, Tiere hegt und in den Kristallen die Logik Gottes zu erforschen strebt; Valeska, die Tochter, pflanzenhaft ausgewachsen, doch nicht wie eine Wiesenblume, sondern von der Gärtnerhand des Vaters gezüchtet, „kultiviert". Um dieses Geschöpf kämpfen Tom und Sylvester den lautlosen Zweikampf. Diese Fabel ist vorgetragen in bequemen und doch sorgfältigen Versen, mit einer niemals aussetzenden Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit, einer unendlichen Melodie von m.ozartischer Heiterkeit, die aber nun nicht etwa ununterbrochen tändelt oder gar witzelt, sondern, wo es not ist, wo Gewalttat aufzuckt, wo die unteren Mächte erdröhnen und für einen Augenblick der Tod diese Helle Luft zu ver finstern droht, durchaus der Wucht fähig ist.