Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.08.1936
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- 1936-08-15
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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Nummer 189, 15. August 1936 Bücher und Friedrich der Große Von Leinz-Georg Schulze Die unvergänglichen Leistungen kultureller und militärischer Art eines Friedrich des Großen sind allgemein bekannt. Um so verständ licher ist daher der Wunsch, die Persönlichkeit dieses Großen unseres Volkes kcnncnzulernen. Wie lebte Friedrich II., wie schuf er? Wie ist es möglich, daß seine Leistungen die der vor ihm und nach ihm Lebenden so überragen, daß wir heute mehr denn je dieser gedenken und zu Ehre» seines hundcrtfünfzigsten Todestages Feiern großen Stils veranstalten? Nur eine große Zeit und ein ebensolches Volk vermag die ver gangenen großen Epochen seiner Geschichte zu erkennen und zu ver stehen. Friedrich der Große als eine der bedeutendsten unter den historischen Persönlichkeiten aller Zeiten steht somit heute naturgemäß im Vordergrund des Interesses weitester Kreise unseres Volkes. Zu den Hunderten von Biographen, die versucht haben, den Menschen Friedrich der Große, seinen Charakter, seine Lebensweise und seine Arbeit kennenzulcrncn und für einen mehr oder minder großen Teil des deutschen Volkes darzustcllcn, kommt heute eine nicht un erhebliche Anzahl von solchen, die den König aus dem großen Ge schehen unserer Zeit in Form des Buches oder des Films weitesten Kreisen bekannt zu machen versuchen. Und es ist selbstverständlich, daß uian bei diesen Darstellungen häufig mit besonderer Vorliebe den Menschen Friedrich der Große, seine Persönlichkeit in dem Bewußt sein in den Vordergrund gestellt hat und stellt, daß zwar Genies geboren und nicht erzogen werden, aber Charakter und Leistung unzertrennliche Begriffe sind. So gibt es wohl kaum ein Gebiet der Betätigung des großen Königs, das nicht literarisch behandelt wor den ist, ob cs nun Friedrich der Große und die Musik oder aber Friedrich der Große und seine Bücher sein »lögen. Über letztere äußerte er selbst einmal, daß sic eine der stärksten Kraftquellen seines Lebens seien, und darum sei der Versuch gemacht, dieser weniger bekannten Seite seines Lebens kurz zu gedenken. Die Schwere seiner Jugend und die strenge Erziehung durch den Vater sind allgemein bekannt. Selbstverständlich bezog sich diese auch auf die Bücher, und nur unter großen Schwierigkeiten und entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen konnten die streng verbotenen Bücher während der Nacht gelesen werden. Trotzdem wurden nicht selten die Erzieher durch das Licht aufmerksam auf die »Missetat«, und das Buch mußte unter der Bettdecke verschwinden. Weniger bekannt ist jedoch, daß dieser, man kann wohl sagen, später geradezu leidenschaftliche Bücherfreund in seiner frühen Jugend kein beson deres Interesse sür Wissenschaft, Kunst und Bücher gehabt hat. Er selbst sagt einmal, daß er diese Zeit »verbummelt« habe. Seiner Schwester verdanke er es, daß sie ihn auf diese Möglichkeit, an den Schätzen der Großen des Geistes teilzuhaben, hingewiesen habe. Geradezu fieberhaft jedoch wird alles Versäumte nachgeholt. In Rheinsberg bereits sind es Bücher, Bücher und nochmals Bücher, die seine Gesellschaft bilden. Aus dieser Zeit stammt auch der Brief, in dein er an einen Freund schreibt, daß man sich viel mit Büchern und wenig mit Menschen abgcben solle. Er selbst ziehe die Unter haltung mit den Toten den der Lebenden vor. Wenn er die guten Bücher jener lese, könne er gerne aus jene verzichten. Ein anderes Mal sagt er, daß man in den Büchern »die Quintessenz des Geistes unserer Größten« fände, ohne die menschlichen Schwächen des Ge lehrten, und Friedrich der Große beweist damit zugleich, wie ihm bei aller Liebe zur Wissenschaft und Literatur eine Überschätzung der Verfasser fern lag. Es versteht sich, daß dieses Lesen keineswegs ein solches im üblichen Sinne war und das alte Sprichwort »Je mehr man liest, je mehr man lernt« für ihn nur beschränkte Gültigkeit hatte. Friedrich der Große las nicht, u m zu lesen und studierte nicht, n m zu studieren, sondern diese Tätigkeit war vom Anfang bis zum Ende seines Lebens ausgerichtet auf seinen tzerrscherberuf. Un ermüdlich arbeitete er systematisch alle wichtigen Werke der Welt literatur durch, und bezeichnend für seine Arbeitsweise ist, daß er sich stets genaue Auszüge aus dem Gelesenen machte. Diese Auszüge wurden regelmäßig wieder vorgenommen und erweiterten seine Kenntnisse wesentlich. Bedeutende Stellen einzelner Werke jedoch lernte er sogar auswendig und benutzte dazu vor allem seine langen Reisen. Es wird berichtet, daß er hierdurch sei» in der Jugend wenig geübtes Gedächtnis wesentlich gestärkt habe. Die Geschichte bezeichnet? Friedrich der Große geradezu als die »eigentliche Schule des Fürsten«, und er, der sich als »der erste Diener seines Staates« betrachtete, sah es als seine Ausgabe an, immer mehr und neue Kenntnisse zu sammeln. »Dies ist der einzige Zweck meiner Lektüre, wie die Biene ziehe ich den Honig aus den Blüten; mit ernstem Fleiß wende ich mich dem Studium der Ge schichte und Philosophie zu«. Und nicht nur in der Heimat, sondern auch auf allen, damals nocy so langwierigen und beschwerlichen Reisen waren ihm seine Bücher in Gestalt einer Handbibliothek beste Berater und treue Freunde. Wie ausgiebig er sie benutzte geht z. B. daraus hervor, daß er während des Feldlagers zu Schweidnitz im Jahre 1762 die vierzig bändige Kirchengeschichte Fleurys vollständig durcharbeitetc neben allen anderen von ihm zu leistenden Aufgaben. Gewiß ein Zeichen nicht nur des unerhört ernsten Studiums, sondern auch seiner un ermüdlichen Arbeitskraft! Und in diesem Zusammenhang sei zugleich noch als weiteres interessantes Dokument über den vermutlichen Umfang seiner Studien erwähnt, daß er sich im Jahre 1765 in einem Schreiben beklagt, daß er während des Gebrauchs der Bäder in Landeck täglich »nur« vier Stunden zum Lesen käme. Aber noch auf eine andere große Aufgabe seiner Bibliothek muß hingewiesen werden. Es wurde bereits davon gesprochen, daß ihm die Bücher nicht nur beste Berater, sondern ebenso auch treue Freunde gewesen seien, und es sei hinzugefügt, was er selbst einmal darüber gesagt hat: Die Bücher würden ihm zur erfrischenden Quelle, deren Stärkung er oft erprobt und die ihm Hilst, Leid zu ertragen und Sorgen um die Zukunft zu zerstreuen. Und ein anderes Mal sagt er von ihnen, daß von allen Lcbensberufen ihn das Studium am glücklichsten mache. Nur darin finde er wirkliches Glück. Über den Inhalt und den Umfang seiner Bibliotheken sind wir genau unterrichtet, ebenso über die Bezugsquellen und den Schrift wechsel mit den einzelnen Buchhändlern, die ihm die gewünschten Bücher lieferten. Friedrich der Große schrieb die Bestellungen teil weise eigenhändig aus. Überhaupt geht aus den vielen Einzelheiten, um die er sich bekümmerte, hervor, wie sehr ihm das Wohl seiner Bibliotheken am Herzen lag. Trotz aller zutage tretenden Sparsam keit ließ er fast alle seine Bücher in rotes Ziegenleder binden und mit einem Signum versehen. Acht Bibliotheken dürfte er im ganzen besessen haben: Seine Jugendbibliothek, die Bibliotheken in Rheins berg, im Stadtschloß Potsdam, Sanssouci und im Neuen Palais, im Schloß zu Breslau, im Berliner Schloß und in Charlottenburg. Damit ist der »Weise von Sanssouci« einer der größten Büchcr- sammler seiner Zeit gewesen. Und wie in vielem anderen, so bildete er auch hierin eine Ausnahme. Denn soviel bedeutende Männer das deutsche Volk auch im Laufe seiner Geschichte hervorgebracht hat: nur ganz wenige von ihnen waren zugleich große Büchersammler oder Bücherleser. Wenn der große König einmal gesagt hat, daß die Literatur seine letzte Leidenschaft sein wird, so spricht hierfür ein uns über liefertes Vermächtnis: Ein Buch, welches ihm aus de» müden, gichtigen Fingern entglitt und deshalb im Kaminfeuer verkohlte. Dieses zum Studium unbrauchbar gewordene Buch wurde, wie ge sagt, nicht vernichtet. Vielleicht können wir hierin mehr als eine Äußerlichkeit sehen, wen» wir rückblickend die inneren Beziehungen, die Friedrich den Großen mit seinen Büchern verbanden, betrachten. Der große König hintcrlicß seinem Volke ein gewaltig ver mehrtes Erbe: Durch ihn wurde Deutschland zu einer nicht mehr fortzudcnkendcn europäischen Großmacht. Daß dieser Manu zugleich aber ein so großer Büchcrliebhabcr war, beweist uns, wie wenig die Belesenheit und Gelehrsamkeit mit »Weltsremdhcit« zu tun haben braucht. Wir aber wollen unsere Betrachtungen über ihn als Freund der Bücher schließen mit seinem eigenen Wunsche: »Ich will im Geiste Homers, Vergils und Horaz' leben und sterben ... damit nach meinem Tode meine Seele mit dieser erhabenen und göttlichen Geisterschar im Elysium, das sie beherbergt, sich vereinigen kann«. 711
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