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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.11.1928
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1928-11-06
- Erscheinungsdatum
- 06.11.1928
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- Deutsch
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259, 6. November 1928. Redaktioneller Teil. Es gibt auch andere; ein mir persönlich bekannter Neisevertreter übergab mir das folgende st e n o g r a p h i s ch aufgenommcnc Gespräch zur Veröffentlichung. (Natürlich ist es hier ein wenig gekürzt.) Ein Sortiment in Süddeutschland; der Vertreter sitzt im Hinter grund des Verkaufsraumes und wartet auf den Inhaber, der in 10 bis 15 Minuten kommen soll; er macht sich Notizen und so fällt cs nicht auf, das; er das Folgende mitstenographiert. Vor dem Sortiment hält ein eleganter Zweisitzer, ein entsprechend angczogener Herr mit sehr ausdrucksvollen Gesichtszügen öffnet die Tür, der einzige anwesende Gehilfe verläßt sofort seine Arbeit und geht schnell auf ihn zu. »Guten Morgen. Hören Sie, ich möchte gern ein sehr gutes, spannendes, aber literarisch wertvolles Buch. Ich will es Ihnen gleich sagen: ich weiß selbst nicht recht, was ich will: ich habe schon seit einiger Zeit nicht die geringste Lust zum Lesen, aber ich mache eine längere Reise — und da muß man doch was haben . . .« (Kein Wunder, daß nach dieser Einleitung der anwesende Vcr- lagsvertreter anfängt zu stenographieren!) Der Verkäufer macht zunächst etwas Dummes! Er fragt: »In welcher Preislage darf es ungefähr sein?« »Ach, das ist mir doch wurscht«, sagt leicht ungehalten der Kunde (was der Verkäufer hätte voraussehen können), »gut und spannend soll es sein. Da liegen ja ein paar Balzac-Bände. Das wäre viel leicht — aber Balzac ist so furchtbar weitschweifig«. Der Verkäufer stutzt einen Augenblick, überlegt, und geht sehr be stimmt auf ein Regal zu: »Ich glaube, hier habe ich etwas für Sie..« »Ich las neulich die ,Toten Seelen', das ist ja natürlich auch weit schweifig, aber doch immer interessant«, sagt der Kunde. Der Verkäufer, der noch einmal darauf gestoßen wird, wie wenig der Kunde weiß, was er will, der aber den literarisch Interessierten erkennt, wird noch um eine Nuance verbindlicher, kommt zurück, räumt mit zwei Griffen einen kleinen, runden Tisch ab, schiebt einen Stuhl heran: »Bitte, wollen Sie einen Augenblick Platz nehmen. Ich werde Sie zufrieden stellen. — Hier ist zunächst Bret Harte, Kalifornische Erzählungen. Etwas für die Reise —« Der Kunde setzt sich, angenehm berührt: »Meinen Sie —? Donnerwetter, der Umschlag ist ja fabelhaft, pikant könnte man sagen und doch kein Kitsch. Wenn das Buch ebenso —« »Das Buch ist noch besser! Und hier weiter: ,Vom Kommiß, Kaczmarck und den Maikäfern', Meredith ,Der Egoist', Bunin ,Mitjas Liebe' . . .« »Menschenskind, welch eine Zusammenstellung!« Der Verkäufer, der sich in seinem ganzen Gebaren der burschi kosen, energischen Redeweise des Kunden fabelhaft angepaßt hat, ant wortet: »Sie wollen verreisen, wollen Lektüre, wissen aber selbst nicht genau, was — also brauchen Sie eine Auswahl für jede Stimmung.« »Entschuldigen Sie mich übrigens einen Augenblick, bitte.« »Sie wollen den Kosmos, Herr Doktor?«, wendet er sich zu einem neu eingetretenen, schon kurze Zeit wartenden Herrn. »Hier, bitte! Ja, der Lawrence ist auch schon da.« Er händigt beides aus, kassiert, geleitet den neuen Kunden zur Tür, verabschiedet sich höflich, kommt wieder. »Das Buch hier würde ich Ihnen übrigens auch empfehlen. Wir haben gleich zwei weitere Exemplare mitbestcllt. Lawrence,Aufstand in der Wüste*. Mit diesen Büchern sind Sie für jede Leselaune versorgt«. Der Kunde, der in der Zwischenzeit die übrigen Werke durch blättert hat, steht auf: »Gut, ich nehme alle vier. Und den Lawrence, ja, den auch. Davon habe ich schon viel gehört.« Beim Kassieren: »Nein, ich nehme sie gleich im Wagen mit. Wissen Sic, was ich gedacht hatte, als ich zu Ihnen hereinkam: wahr scheinlich gehe ich wieder mit einem Jack London hinaus. Aber ich habe ihn schon satt.« »O, Jack London kann man i m m e r lesen. ,Jerry der Insu laner' wäre etwas für Sie als Hundebesitzer.« »Nanu, woher —« »Ich sehe doch durch's Fenster Ihr Auto —« (in dem ein schöner Schäferhund saß). »Also geben Sie den Insulaner her. Aber nu's Schluß. Sie sind ja eine Goldgrube für Ihren Chef!« Der Verkäufer — wird melancholisch. (Beachtenswert ist, wie sehr im richtigen Augenblick der Ver käufer den Kunden verließ, um ihm Zeit zur Überlegung zu lassen; wie kurz und doch höflich er den anderen, bekannten Kunden ab- fcrtigte. Verkehrt war, daß er sich bei diesem nicht entschuldigte, weil er warten mußte; das war falsch, selbst wenn er den zweiten Kunden gut kannte. Die Unhöflichkeit ist diesem zwar offenbar nicht ausgefallen, die höfliche Entschuldigung aber — märe ihm ausge fallen.) Kunden, die vier bis fünf Bücher kaufen, kommen leider nicht häufig in den Laden, um so wichtiger ist cs, den Augenblick fest- zuhaltcn. Ein schlechterer Verkäufer hätte den Kunden mit einem Buch lausen lassen, weil er ihm wahllos alles Mögliche vorgelegt hätte — wenn es überhaupt gelungen wäre, diesem Käufer iu seiner etwas blasierten Laune etwas »aufzuhängen«. Geradezu glänzend ist die Begründung für die Ausivahl, die der Verkäufer traf; diese Begründung ist zusammen mit der knappen Zusammenstellung der Titel natürlich der Grund für de» Erfolg. Wer unentschlossen ist, dem legt man wenige Bücher vor; viele würden verwirren; wer b e st i m m t e Wünsche hat, dem erfüllt man diese; wer aber im Lager wühlen will — den lasse inan wühlen — unter Aufsicht aus einiger Entfernung. Der anwesende Verlagsvertreter erhob sich, als der Käufer ge gangen war, und fragte den Gehilfen, ob er sich nicht für ein Werk aus dem Verlage, den er vertrete, besonders interessiere. »O ja —« und er nennt einen Titel. »Ich werde mir erlauben, bei meinem Verlag anzuregen, daß Ihnen ein gebundenes Exemplar des Buches als Frcistück zugesandt wird.« * Ein Großstadt-Sortiment. Ich betrete mit einem Bekannten den Laden, dessen Inhaber uns beiden bekannt ist. Begrüßung, kurzes Gespräch über persönliche Dinge, dann meint mein Begleiter: »Sagen Sie, Herr ,Müller', ich muß ein Geschenk machen, nicht zu teuer, aber was Gutes. Kann ich mal hier etwas suchen? Ich bringe Ihnen bestimmt nichts in Un ordnung.« »Aber gewiß, gern«, und nun legt der Chef selbst, trotz wieder holtem Proteste, ununterbrochen einen Roman nach dem andern vor, und als er erfährt, daß es für eine Dame bestimmt ist, kommt z. B. Wassermanns »Laudin und die Seinen« nicht mehr in Frage. Mein Begleiter kommt überhaupt nicht zur Überlegung, ist ver legen, weil er nicht weiß, wie er sich wehren soll, kann aber auch nicht einfach fortgehen, da er ja den Sortimenter persönlich gut kennt. Und so verläßt er verärgert mit einem Bande, der ihm nicht zu sagt, den er sonst nie genommen hätte, den Laden. — Der Grund fehler: massenhafte Vorlage, ohne Zeit zum Überlegen zu lassen. Derselbe Sortimenter aber benahm sich ein andermal sehr geschickt. 10 Minuten vor Geschäftsschluß kommt, etwas aufgeregt, eine elegant angezogene Dame von etwa 35 Jahren herein. »Ich möchte ein Ge schenk für einen Herrn, für meinen Mann. Ich weiß aber selbst nicht recht, was ich nehmen soll. Bitte empfehlen Sie mir ein paar Bücher. Aber es muß recht schnell gehen, ich habe sehr große Eile, ich muß noch ein paar Photoabzüge bei W. L Co. abholen, und dort schließen sie ja auch in zehn Minuten.« »Gnädige Frau«, antwortet der Inhaber, an den Sie sich gewandt hatte, weil er sich zufällig am Eingang aufhielt, »sicher haben Sie einen Bon von der Photohandlung. Ich würde Vor schlägen, daß ich jemand zu W. L Co. mit diesem Bon hinschicke und die Abzüge abholen lasse. Sie haben dann mehr Zeit zur Auswahl hier bei mir, und finden dann sicher ein Buch, für das sich Ihr Herr Gemahl wirklich interessiert.« »Aber das ist ja eine gute Idee. Ich danke Ihnen sehr, es ist wirklich sehr nett von Ihnen. Hier ist der Bon.« Da die Boten noch nicht zurück waren, ging ein Gehilfe in das Photogeschäft; der Dame wurde ein Stuhl angebotcn, und sic kaufte aus Dankbarkeit weit mehr, als sie ursprünglich beabsichtigt hatte. Wenigstens sagte sie das. Und von diesem Tage an war sie Stamm kundin. Zu den Erwiderungen auf die ersten »Verkaufsgespräche«: alle Gespräche sind wahr, keins erfunden. Darum habe ich kein Gegen beispiel aus dem Buchhandel, sondern eins aus dem Textileinzel handel gebracht. Dem Herrn Einsender aus Hamburg sei erwidert: cs ist eine Grundregel, daß jeder Kunde individuell angefaßt werden muß. Aber die ersten Verkaufsgespräche hatten damit nichts zu tun: keinem Kunden darf man sagen, daß Tauchnitz-Bände aus London kommen, daß Bücher zu teuer sind, niemals darf man, falls man etwas nicht weiß, vergessen, im Katalog nachzusehen. Natürlich weiß ich, daß es auch gute Verkäufer im Sortiment gibt (s. o.!), natürlich weiß ich, daß Bücher zu verkaufen schwerer ist, als Heringe einzusalzen — aber gerade darum war's gesagt. Eberhard Weißkönig. 1223
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