1860 X° 44, 22. Februar 1928. Fertige Bücher. Kulturarbeit des Türmer-Äerlags Deutschland steht Im Schatten der großen Ereignisse, die das Näderwerk der Weltgeschichte vor unfern Augen entrollt hat. Krieg und Revolution, Unruhen und Inflation hielten die Völker Europas und der ganzen Welt in Erregung und Spannung. Gegenwärtig steht die deutsche Wirtschaft im Zeichen der großen .Reinigungsprozeffe'. Die Hetzarbeil vergangener Jahre wird abgelöst durch ruhiges Schaffen. Qualität ist der Nut in Handel und Industrie, in Handwerk und Gewerbe. Dazu aber gehört Muße. Die Menschen, die früher ihr Tage werk nur mit der Uhr in der Hand verrichteten, haben wieder Zeit, und die Künstler wenden sich ab von den Irrungen einer kranken und nervösen Epoche. Neue Klarheit und Sachlichkeit durchdringt die Kunst. Nuhe und Besinnung kehren in die Gemüter zurück Deutschlands geistige Machthaber, die Könige und Gewaltigen der Zeitschriften und Zeitungen, haben zum großen Teile versagt in den unruhevollen Zeiten der letzten Vergangen heit. Sie haben die hohen Aufgaben ihres Zeitalters nicht erkannt oder erkennen wollen, ihr Führertum haben viele unter ihnen preisgegeben, um die Gunst der Masse oder des Publikums nicht einzubüßen. Eine der wenigen Kultur-Zeitschriften, die in diesem Taumel unbeirrt ihr Werk an der Seele des deutschen Volkes verrichteten, ist die Monatsschrift .Der Türmer", der im Jahre 1898 unter der Leitung des Freiherr» von Grotthuß gegründet wurde und seht von Friedrich Ltenhard, dem gefeierten deutsch, elsässischen Dichter und Denker, heraus gegeben wlrd. Die hohe idealistische Aufgabe, der die Arbeit des Türmers gilt, ist die .Ver- etnigung von Geist und Gemüt zur pflege der Seele'. Dem gleichen Leitgedanken huldigt der Türmer-Verlag (Greiner L Pfeiffer) in Stuttgart, der sich um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus einer kleinen Buchdruckerei ent wickelte. Dort ließ Karl Gerok seine predigten und die berühmten .palmblätter' drucken. Der erfolgreichste Autor des Verlags ist Friedrich Lienhard. 2n seiner Schrlst über die .Lienhard- Festspiele' schreibt Or. Konrad Dürre: .Sucht, ihr Deutschen, ob ihr einen lebenden Dichter unter euch findet, der die Grundkräfte der Seele seines Volkes in seinem Schaffen und in seiner Lebensgcftaltung reiner und mannigfaltiger offenbart als Friedrich LienhardI' Die gesammelten Werke des Meisters sind kürzlich ln einheitlichem Gewand neu herausgegeben worden. Von den zahlreichen Dichtern und Schristststellern, deren Werke im Türmer-Verlag erschienen sind, tritt Paul Stelnmüller hervor, dessen reiches Innenleben einen köstlichen Widerschein in seinen Büchern spiegelt. Seine Rhapsodien von der Freude, vom Leben und vom verlorenen Königreich haben in den letzten Jahren vielen verzagenden Herzen Trost ge spendet und zur Beseelung und Gesundung der Gemüter beigetragen. Der Türmer und der Türmer-Verlag wollen dem geistigen und seelischen Wiederaufbau unseres zertretenen Vater landes dienen. Sie haben in aufopfernder Arbeit bewiesen, daß sie zu dieser großen Ausgabe, zu diesem wegweisenden und helfenden Führertum berufen find. Darum rufen wir die ge bildeten Stände Deutschlands auf, mitzuschaffen an diesem Werke und mitzuwirken an der Beseelung der Gegenwart, das gute Buch zu pflegen und zu fördern, geistige Saat aus- zustreucn In den Herzen der Menschen, damit sie erblühe und wachse zum Segen des Vater landes im tiefsten Sinne des Lienhard-Wortes: .Ein gutes Buch, ein Teil der Kraft, Die an des Reiches Seele schafft!' Karl August Walther in der .Westdeutschen Rundschau'