Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.03.1926
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- 1926-03-06
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- 06.03.1926
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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X« SS, k. Mürz 1S26. RedaMonell-r Teil. Börsenblatt f. d. Drjchn. Buchhandel. Lauenslein. Bitte keine Angst! Das Lauenstein ist es wirklich nicht, das Sie meinen (oder gar fürchten?), von dem Sie schon so vieles gelesen und gehört haben. Das Lauenstein, von dem ich etwas mit Ihnen plaudern .möchte, eignet sich, um es gleich warnend vorwegzunehmen, gar nicht für Sommer- oder Winterakademien, gar nicht für die geistige Atmo sphäre, die der wackere Ochs von Lauenstcin hilfsbereit für die ver-, breitet, die noch nicht verblödet sink» durch zwecklose buchhändlerische Organisations- oder Vereinsarbeit oder durch den sauren Frondienst des Alltags mit all seinen Hemmungen und Enttäuschungen. Es ist wirklich nur für die anderen, für die Anspruchsloseren, die ihre oft nur knappe Urlaubszeit dazu verwenden wollen, ihre Nerven wieder aus- zufrischcn und neue Kräfte für ihre Berufsarbeit zu sammeln in der reinen kühlen Luft unseres sächsischen Erzgebirges. Wer kennt das Erzgebirge in seiner stillen herben Schönheit, mit den weiten fein geschweiften Linien seiner Berge, mit den endlosen dunklen Tannen wäldern, den verschwiegenen Tälern, seinen rauschenden Wassern, seinen stillen, einsamen. Dörfern, deren Schindeldächer weitläufig an den Hängen verstreut sich um das oft ach so bescheidene kleine Kirchlein scharen, dem ernsten Landschaftsbilde schüchtern eine belebende Betonung gebend. Wer kennt es im Frühling, in der Pracht seiner- blumigen Wiesen, wer im Winter in der verschneiten einsamen Weite, im schimmernden, glitzernden Nauhreif oder wenn der Schneesturm brausend über die Höhen jagt. Der große Strom der Reisenden aus dem Reiche flujet an unserem stillen Erzgebirge vorüber. Es fehlen hier der Luxus und die Fremdenindustrie, bis auf einige auch davon bevorzugte Städtchen und Dörfer, die sich besonders in den letzten Jahrzehnten dem Bedürfnis des Wintersports durch große elegante Gaststätten angepaßt haben. Es fehlt vielleicht das sofort Einschmei chelnde der warmen lachenden Landschaft unserer süddeutschen Mittel gebirge. Unser Erzgebirge ist spröder, herber und zurückhaltender mit seinen Reizen, doch auch tiefer und nachhaltiger dem, der sie sucht und dem der stille Zauber seiner Schönheit offenbar wurde. Und Lauenstein, das liebe, kleine, hochgetürmte Bergstädtchen im oberen Müglitztale, dort, wo sich die weiße Muglitz auf ihrem Lauf durch Wald und Wiesen ihrer größeren Schwester, der roten Müglitz, liebend in die Arme wirft und selber rot wird vor Freude, sie gefunden Zu haben. Dort hat der gütige Kollege Herr Vcrlagsbuchhändler Otto Beyer durch sein dem Börsenverein zur Hundertjahrfeier in hoch herziger Weise geschenktes Erholungsheim für Buchhändler Ihnen Ge legenheit gegeben, dieses Erzgebirge kennen und lieben zu lernen, wie ich es lieben lernte. Von Dresden aus sind Sie in 2^ Stunden oben. In Heidenau steigen Sie in die kleine Gebirgsbimmelbahn und klettern mit ihr — nicht zu schnell — aus dem Elbtale in das Gebirge hinauf, bis zu dem etwa 600 Meter hoch gelegenen Lauenstein. Seien Sie froh, daß es nicht so schnell geht, denn die Fahrt durch das Müglitztal, immer an der schäumenden Müglitz entlang, ist von ungemeinem landschaft lichen Reiz. Bis über Dohna, mit den Ruinen der alten Stammburg der seinerzeit in Sachsen mächtigen Grafen Zu Dohna, klettert ja die Industrie aus dem Elhtale noch nach, dann verliert sie Gott sei Dank den Atem und kann nicht mehr mit, und schroffe Felswände, Wälder und Wiesen lösen sie ab. Es geht an Weesenstein mit seinem alten Schlosse, einem früheren Besitze der Wettiner, vorüber. Sein hübscher schlanker Turm beherrscht als Talwächtcr noch lange die Gegend. Dann kommt Glashütte, die alte Uhrenstadt, wo man genau weiß, was die Stunde geschlagen hat, und dann geht es immer schärfer bergan, den schlängelnden Windungen der roten Müglitz folgend. Schroffe Fels wände engen oft das Tal ein, um dann wieder weiten Wiesenflächen Ranm zu geben. Als ich gestern mit meinem »dicksten« Freunde und unseren Frauen hinauffuhr, um wieder einmal einen Sonntag in dem behaglichen Beyer-Heim in Lauenstein zu verleben, lagerten graue Nebelschwaden über den Bergen, und ein feiner Regen hüllte das Tal in eine graue Stimmung. Doch ich weiß, mit welchen Farben es auf- wartcn kann, wenn Buchen und Birken ihr leuchtendes Grün in den dunklen Tann zaubern, wenn der Herbst seine satte, bunte Farbenfülle verschwenderisch darüber ausgießt oder wenn im Winter die Sonne auf dem Schnee funkelt und die Gießbäche an den Felswänden zu Eis erstarren. Von dem kleinen bescheidenen Stationsgebäude gelangt man unter einer prächtigen Baumallee in 10 Minuten in das Heim an der weißen, jetzt nach der Schnceschmelze wildschäumendcn Müglitz entlang. Rechts über der Müglitz steigt steil das Städtchen aus dem Tale herauf, Dach an Dach, bis cs seine Krönung in der alten, alles Überragenden Kirche findet und sich mit dem an der schroff abfallenden Nordwestseite gelegenen feinen Renaissancebau des Schlosses und den das Tal beherrschenden Ruinen zu einem einzigartigen reizvollen Stadtbilde vereinigt, liebevoll umhegt und geschützt von einem Kranz grüner Wald- und Wiesenberge. Das ist Lauenstein, 5ie Perle des oberen Müglitztalcs, das Lauenstein, wohin ich den Buchhandel, Jung und Alt, locken möchte, im Winter mit Ski und Rodel, im Sommer mit Wanderstecken und leichtem Gepäck, aus dem Dunst und Lärm der Großstadt heraus, abgerückt von den Problemen des Tages, von Zei tungsgezänk, von Autogestank und Lärm und — dorribils ckletu — auch einmal, wenn auch nur etwas, von unserem lieben Buche. Wir brauchen heute alle mehr denn je einmal höhere Standpunkte, weite Blicke über Täler und Höhen, stille Selbstbesinnung und einmal eine Abendakademie mit dem gestirnten Himmel auf hohem Berge, damit wir einmal wieder den richtigen Maßstab für die Dinge bekommen, damit wir uns wieder einmal klein fühlen, wenn die große ewige Allmutter ihr Buch aufschlägt, da steht nichts drin von Kultur und Kunstschwätzerei, von Büchern und Menschen, von den Problemen, die sich die kleinen Menschlein um die Ohren schlagen, von der ge spreizten Weisheit auf hohen Stelzen, aber von der ewigen gött lichen Liebe und Weisheit, die höher ist denn alle Vernunft, die uns alle umfängt und in der mir wachsen und werden sollen. Wir Buch händler sollten viel häufiger auch einmal in diesem Buche lesen, wir verstehen dann unsere Bücher viel besser. Doch, wo komme ich hin? Herr Heise wartet schon lange auf einen Artikel über Lauenstein. Ich sitze an dem kleinen Schreibtisch in der guten Stube im Beyer-Heim und wäre viel lieber dort oben auf den waldigen Hängen mit meinem Freunde Leo, einer lieblichen Mischung von Schäferhund und Spitz, dem treuen Wächter des Heims, mit dem mich eine so innige Seelen gemeinschaft verbindet. Aber ich kann nicht hinaus, iu dem behag lichen holzgetäfelten Speisezimmer nebenan sitzt mein dickster Freund und läßt mich nicht hinaus, ehe nicht der Artikel sertiggeschrieben ist. Und vor mir über dem Schreibtisch hängt das Bild Otto Beyers, des Mannes der Arbeit, der Pflicht und der Tat. Ach, ich werde es ja nie so weit bringen als er, aber seine lieben freundlichen und gütigen Züge sagen mir doch, daß das, was ich oben von der Liebe geschrieben habe, auch ein Klang war aus seinem Herzen. Ja, behaglich ist das Heim. Es ist wirklich ein Heim, es atmet Persönliches, und es ist schon durch seinen Umfang nicht auf Massen betrieb eingestellt. Am behäbigen Kachelofen im Speisezimmer liegt Leo, mein Freund, und neben ihm schnurrt die schöne graue Katze mit der schmiegsamen Grazie ihrer Glieder. Verlag und Sortiment, ach, wenn Ihr Euch einmal so znsammenfändet! Ich wäre geneigt, den Hund mit dem Sortimenter zu vergleichen, wenn er nicht so rund und wohlgenährt wäre. Oder die Katze? Wenn ich sie sah, schlief sie immer, genau wie der Sortimenter, der ja immer mal wieder geschlafen haben soll, doch dann sagt Fräulein Patz wieder, die Katze ginge oft heimlich unter dem Schutze der Dunkelheit auf Fang aus, genau wie doch man soll mit Vergleichen vorsichtig sei». Wer ist Fräulein Patz? Das ist die liebenswürdige Dame des Hauses, unsere sorgsame Heimmutter, die peinlich Ordnung hält, die geniale Kochkünstlerin, die dem materiellen Zug unserer Zeit unter dem be glückenden Wahlspruch: »Gut und Reichlich« liebevolle Förde rung angeöethen läßt. Als Gegengewicht zu den materiellen Genüssen steht aber in der »guten Stube« neben dem wohltemperierten Klavier ein Bücherschrank mit einer wohlgeordneten, katalogisierten Bücherei. Ach, ich könnte sie mir viel besser denken. Da fehlt unendlich viel Gutes und Echtes. Nicht mal ein Goethe ist da, und wie könnte man hier Wahrheit und Dichtung genießen! Mörike fehlt, ebenso Bischer, Auch einer. Tiergeschichten sind gar nicht vertreten. Gottfried Keller, Naabe und Conrad Ferdinand Meyer sucht man vergebens. Wie könnte man mit Löns über die Berge wandern, wenn er da wäre. Und wo ist Wilhelm Busch? Darf ich hier einmal bei den Verlegern etwas auf den Busch klopfen? Ein liebenswürdiger Leipziger Kol lege, der mit uns oben war, will dem Heim sogar die ganze Erdkugel mit dem Himmel darüber schenken! Herrn Dr. Eugen Diederichs wage ich nicht zu bitten; er wird »beese« auf uns sein, weil wir einen Laden unter der gleichen Firma aufgemacht haben, aber nur unter der gleichen Firma, verehrter Herr Doktor, sonst garantiert akademielos. Es wird sogar, verhülle Dein Haupt, hinter dem dicken Kachelofen abends machmal ein verruchter Skat geklitscht, des Tabaks blaue Wolken ziehen traumhaft durch das Zimmer, wie die Nebel über den gegenüberliegenden Bergen. Auch hat Fräulein Patz Bier und Wein und versteht einen meisterhaften Grog zu brauen, so steif, daß der Löffel darin steht. Ja um den Tisch ist sogar schon fröhlich ge- scherbelt worden, zu den Klängen des Klaviers, mit jungen hübschen Kolleginnen in reizenden Skihöschen und mit sportgeröteten Winter wangen. Mein Herze, was willst du noch mehr! Und gestern abend, 301
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