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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.03.1926
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- 1926-03-30
- Erscheinungsdatum
- 30.03.1926
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-6 75, 30. März 1926. Redaktioneller Teil. sie -Bildungsmittel ins Volk» brachten. Denn gewöhnlich waren Ihre Bestrebungen mit heftigen Ausfällen gegen die Buchhändler- Zunft gewürzt, die cs so garnicht verstände, das nach Bildung und Wissen -lechzende- Volk zu befriedigen, sondern sich daraus beschränke, den schon ohnehin überreizten Lesegeschmact besitzender Klassen zu stillen. Wie aus diesen Worten hcrvorgcht, stand die treibende Krasl zu dem Vorgehen gewisser Ansturmkreifc mit Poli tischen Richtungen in engem Zusammenhang, über die größte Menge der Ncubuchhändler oder -Gewerbcsrcihcits-Kollegen», wie man sic spöttisch nannte, bestehend aus entgleisten Existenzen aller Art, die ihr Trieb, mühelos und auf anständigem Wege zu ver dienen, dem Buchhandel zusührtc, braucht nichts gesagt zu werde». Eie gab aber zunächst die Richtung an, in welcher sich die Tätig keit der Mehrheit bewegte. Das billige Buch, das für sie in Frage kam, war zwar Miseren Leserkreisen von damals und früher nicht fremd, aber es gehörte im wesentlichen einer höheren Geislesrichtung an, als sic das sogenannte »Volk» befaß. Für dieses beschränkte sich der Anteil am profanen Bücherbcdars aus Schulbuch und Kalen der, daneben aus Traumbücher und dergleichen. Mit wenigen erzwungenen Ausnahmen bildeten alle solche billigen Bücher in der Hauptsache einen Vcrkaufsgegensland der Auchbuchhändler; der zünsligc Buchhändler befaßte sich nur im Notsalle damit. Diese Abneigung ging so weit, daß durchweg auch z. B. die Rcclam- hcste ihren Weg ins -Volk» von den Schreibwarenhandlungen, nicht von den Buchhandlungen aus genommen haben; ich selber habe 1867 die ersten Nummern bei einem Papierhändlcr gekauft und jcstgestelll, daß erst, nachdem der Absatz sich groß entwickelte, die Bändchen auch im Buchladcn zu haben loarcn. Und doch ge hört auch der Käuscrkrcis der Universalbibliothek zu der immer hin nicht anspruchslosen Lcscrwclt. Die breiteste Masse der Leser zu erreichen, war nur möglich durch unterhaltende Bücher und Zeitschriften im Kolportagcver- triebe. Daraus richtete sich daher auch das Augenmerk der neuen Büchermachcr in erster Reihe. Ihre Erzeugnisse knüpften zwar an bereits Vorhandenes an, aber doch ist im ganzen Zu schnitt des Kolportagcromans ein ausfallender Fortschritt erkennbar, der aus die politischen Vorgänge seit dem Beginn der sechziger Jahre zurückzusühren ist. Von der lustreinigenden Klar heit im Gesolge der Kriege von 1864 und 1866 hatte auch die volkstümliche Untcrhaltungslitcratur Nutzen gezogen. Gegen Er zeugnisse wie -Der rothaarige Hugo oder Die tanzenden Leichen auf dem Rabenstein- und »Der Höllcngraf oder Die Schwüre des Geweihten- <1862) hoben sich die romantischen Erzählungen Pita- wall—>v. Dedcnroths, die lange Zeit das Feld beherrschten, sowie die Veröffentlichungen des Verlages Werner Große in Berlin mit ihren Prosa-Nachdichtungen klassischer Bühnenstücke oder selbst ihren »Zeitgemälden» wie Barbara Ubryk, Jsabclla (von Spa nien), Mazcppa und andern doch recht vorteilhaft ab. Und zwei fellos würde dieser Fortschritt noch erheblich größer gewesen sein, wenn der Kolportage ein reicherer Bcrtriebsstoff zu Gebote ge standen hätte. Aber hieran fehlte cs. Der Verlag hat sich von den Zeitereignissen damals noch mehr als in neuester Zeit über rumpeln lassen und sich der veränderten Lage ebensowenig ge wachsen gezeigt wie das Sortiment. Sonst würden beide eher begriffen haben, daß die ungeheuren Umwälzungen im deutschen Staatenverbande auch für den Buchhandel ein kaum zu erschöpfen des Tätigkeitsfeld geschaffen hatten, indem sie den Gesichtskreis auch des »gemeinen Mannes» in ungeahnter Weise erweiterten. Wer aus alle solche »Realitäten» war das Volk der Dichter und Denker nicht eingestellt, und mit ganz wenigen Ausnahmen — wie etwa der -Gartenlaube» — ließen Schriftsteller und Buchhändler Jahre der Geistererhebung im wesentlichen ungenutzt verstreichen. Dem entgegen erkannten sachverständige Literaturkenncr schon bald nach 187g an, daß sich die Kolportage veredle, weil sie sich belehrenden Schriftgebietcn zuwende, »und es kann vielleicht dahin kommen, daß sich noch die ganze Literatur, der ganze Buchhandel in die Kolportage flüchtet» (Otto Glagau). Die daran geknüpfte Bemerkung, -daß das einfachste Dienstmädchen oft mehr für Bücher ausgebe als ihre Herrschaft, der unterste Fabrikarbeiter mehr als sein Chef», entbehrt auch heute noch nicht völlig der Wahrheit, obgleich ja seststeht, daß für das Lcsebedürfnis auch der anspruchs- 398 to>en Bevölkerung heute unvergleichlich viel besser gesorgt ist als vor sünjzig Jahren. Nur ist im Sinne wirklicher Volksbildung zu wünschen, daß an alle hierfür ausersehcncu Bücher in bezug auf Sachlichkeit, Verständlichkeit und Darstcllungskunst mindestens der gleich hohe Maßstab gelegt werde, wie bei der Belehrung über die körperliche Gesundheit zu geschehen pslegt. Mit seiner Voraussage, daß sich vielleicht noch über kurz oder laug der ganze Buchhandel in die Kolportage flüchten werde, schien Otto Glagau rcchtbehalten zu sollen. Im Ansauge der siebziger Jahre sehen wir das halbe deutsche Schrifttum im Be griff, sich in Lieferungen auszulöscn. Die ungeheuren Erfolge einiger Verleger der Kolportage-Romane und Zeitschriften stachel ten zahlreiche andere Unternehmer an, es zunächst mit »populären» Büchern in Lieserungssorm zu versuchen. Bestrebungen in dieser Richtung wie auch der Verlag der Volksromane wurden gefördert durch eine der bedeutendsten gemeinnützigen Ersindungcn aus buchgewerblichcm Gebiet: die Ersindung des H o I z p a p i e r s. Eie tvar allerdings um 1870 schon lange bekannt, aber noch nicht so benutzt, wie sie wegen ihrer Zweckmäßigkeit hätte sein können. Die mächtig gesteigerte Nachfrage nach billigen Druckwerken brachte sic aber in de» Vordergrund des Interesses. Leider war hierbei die überaus billige Herstellung des Papiers die ausschlag gebende Seite. Den Papierfabriken genügte die Erzeugung rohe» Holzschlisspapicrs; die Mängel desselben wurden statt durch Ver- scinerung der Fabrikationsweise durch Zusatzstoffe verdeckt, die der Güte des Papiers eher schadeten als nützten. So entstanden Pa piere von uuzweijelhast schlechter Beschaffenheit, deren Aussehen auf Täuschung berechnet war und leider auch in zahllosen Fällen täuschte, wo dies bei des Verlegers Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kausmanns und noch mehr bei höherer Achtung vor dem geistigen Wert des Buches unbedingt nicht hätte geschehen dürfen. Ich besitze einige Bücher aus angesehenen Verlagen aus der ersten Häljte der siebziger Jahre, die so braun und brüchig geworden sind, daß ihre Verleger jetzt ob ihrer Machwerke er röten würden. Dabei sind es mit gutem Preise bezahlte Bücher; sie stellen somit für den Käufer einen Vcrmögensverlust dar, dem sogar der Schein unredlicher Behandlung anhastet. Die Hauptopser der Büchcrschädigung durch die Hersteller sind unsere Büchereien geworden, obwohl für die sogenannten schwerwifscnschastlichen Werke der Holzschliff in der Regel noch unerreichbar geblieben ist. Aber die zunehmende Verfeinerung des Holzzusatzes in Gestalt des Zellstoffs hat doch manche Ver leger unter dem Aushängeschild der »Holzstossreiheit» für minder wertiges Papier empfänglich gemacht. Ganze Jahrgänge von Lileraturwerkcn aller Art klagen In unseren Büchereien den Ver-- lagsbuchhandel an, daß er vergessen hat, daß auch sein Wirken den, Urteil der Nachwelt unterliegt. Ob dies gut oder schlecht lauten wird, Ist seine Sache, wohl ihm, wenn sein Werk den Meister lobt. Das ist nicht allzuvielen beschickten. Zwischen den erwähnten Beispielen völligen Versagens der Vcrlagskunsi und einer Meisterleislung aere percnnius wie den Werken Friedrichs des Großen (Ncimar Hobbing) liegen auch vcrpaßte.Gclcgenheiten, wie Bismarcks »Gedanken und Erinnerungen». Gerade diesem einzigartigen Werke wäre ein vorbildliches Äußere aus deutscher Buchkunst zu wünschen gewesen. Aber wie sagt der alte »Pauker« Terenlius Maurus, der wohl auch seine bitteren Erfahrungen hinter sich hatte? »Iladonl sua kala libelli«. Und ergänzend füge ich mit Jochcm Nüßler (Fritz Reuter) hinzu: »'T is alt, aS't Ledder is». Daß die sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahr hunderts für den regelrechten Buchhandel nicht so fruchtbringend geworden sind wie für den außenseil igen Handel und wie es sie hätten sein können, ist natürlich nicht allein ihm zur Last z» legen. Jene Zeitspanne mit ihren ungeahnt großen Anforde rungen an das geistige Auffassungsvermögen der Deutschen hat niit grausamer Deutlichkeit bewiesen, wie wenig geklärt die geistige und politische Sehweite unseres Volkes im ganzen war. Die zu seiner Führung und Aufklärung berufenen Männer hatten ihre Pflicht mit sehr wenigen Ausnahmen völlig vernachlässigt. Der deutsche Durchschnittsgelehrte hat von jeher verschmäht, wenn nicht gar verabscheut, sein Wissen zu verallgemeinern. Daß dies umgekehrt eine Pflichtverletzung, ein Unrecht am Volt ist, hak von
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