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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.03.1926
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- 1926-03-30
- Erscheinungsdatum
- 30.03.1926
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- Deutsch
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76 75, 30, Mürz 1926. Redaktioneller Teil. Bis zum Ausbruche des Weltkrieges bewegte sich der Geschäfts gang mit wenigen Wandlungen und Ausnahmen noch im wesent lichen in demselben Geleise wie vor fünfzig, ja vor hundert Jahren. Haben doch erst gar nicht so lange vor dem Ende des 19. Jahr hunderts in Leipzig, das so gern seine Fortschrittlichkeit betont, der Börsen-Geldsäckel und der Paket-Einwurfkasten zweck- und zeitgemäßen Neuerungen Platz gemacht. Des älteren Geschäfts verkehrs Rückgrat bildete das Kreditwesen, bestehend zwischen Ver leger und Sortimenter, zwischen Kommissionär und Kommittent, zwischen dem Sortimenter und seiner Kundschaft. Ein flott zu nennender Bücherabsatz konnte schon deswegen nicht aufkommcn, weil sich an die Einreihung in die Kette der Kreditcmpsänger für jede der drei Gruppen gewisse Voraussetzungen knüpften, bindend genug, um als Hemmung empfunden zu werden. Das Sorti ment zumal stieß für seine Absatzbcmühungcn überall aus Schran ken und ließ die Erfolglosigkeit seiner Ansichts-Versendung auf den Verlag zurückwirkeu. Das Zerreißen dieses Krcditgcspinstes beim Ausbruch des Weltkrieges erklärt den maßlosen Wirrwarr, in den sich unsere so oft mit soviel Selbstgefälligkeit gerühmte »Organisation- auf löste. Aber aus demselben Chaos ist ein Vorteil entsprungen, der für den bedenklich rückständig gewordenen Buchhandel nicht hoch genug anzuschlagcn ist: die Erkenntnis, daß die bisherige Borg- Wirtschaft weder eine Notwendigkeit, noch etwa ein Vorteil, son dern im Gegenteil ein Zeichen der Ungesundheit beruflicher Ver hältnisse und ein ebenso hemmender wie schädlicher Umstand war. Denn aus dem Wesen des Buches als Ware läßt sich mit Sicher heit folgern, daß alle wirksamen Fortschritte zur Hebung des Buchhandels in äußerlicher und innerlicher Hinsicht davon ab- hängen werden, ob und inwieweit sich der Buchhändler selbständig erhält, sowie seine Unabhängigkeit gegenüber allem, was Kon zern, Groß- oder Massenbctrieb heißt, industriell und fabrikmäßig aussicht, bewahrt. Denn alles das ist der Todfeind des Buches, das eine Persönlichkeit darstellt. Darum kann auch kein echter Buchhändler darauf verzichten, eine Persönlichkeit zu sein. Nur eines solchen Erfolge kommen dem Ansehen des Standes zugute. Unverkennbar hat in dieser Beziehung der ältere vor dem ncuzeitigen Buchhändler etwas voraus gehabt: jener lebte ent schieden in engerer Verbindung mit seiner Verkaufsware, in einer, wie ich sagen möchte, buchvergeistigtcren Lebenslust als dieser. Der als Amerikanismus bezeichnete rein händlerische Standpunkt ist in der neueren und vollends in der neuesten Zeit wachsend zur Geltung gelangt, die Büchcrliebe dagegen, die doch den echten Buchhändler durchdringcn soll, ist vielfach zu einer ästhetischen Äußerlichkeit geworden. Diese Verschiedenheit ist keineswegs nur ein Ergebnis der veränderten Zeit, sondern vor allem der anderen Berufsbildung, die beim älteren Geschlecht mehr aufs Individuelle einwirkte und mehr Persönlichkeiten herangezogcn hat als die viel mehr nach rein berechnenden Grund sätzen verfahrende Folgezeit. Das Für und Wider beider Rich tungen abzuwägen, ist hier nicht beabsichtigt. Aber möge mir als Ergebnis meiner über 5V Jahre sich erstreckenden Beobachtungen zu sagen vergönnt sein: Von der innigen Vermischung beider im Buchhändler zusammentreffendcn Eigenschaften: der Liebe zum Buch als geistigem Erzeugnis und der Geschicklichkeit, dem Buch als Ware eine seiner Bestimmung entsprechende Geltung zu ver schaffen, hängt entschieden die Zukunft des deutschen Buches ab. Des deutschen Buchhändlers Eigenart wird mithin eine Doppel natur, eine Zweiscelenheit sein müssen. Uber die Wesenheit des deutschen Buches scheint man sich nicht immer klar zu sein. Und doch ist es ein leichtes, dahin zu gelangen. Man mache sich mit den Büchern freu,der Herkunft bekannt. Nicht solchen aus dem Reiche der Phantasie, sondern mit Schullesobüchcrn oder ähnlichen, in welche die Gesamtheit des geistigen Lebens eines Volkes, sei es auch gedämpft, aber doch wohl erkennbar, ausstrahlt. Man wird alsdann den Unterschied schnell und gründlich erkennen. Sich aber darüber klar zu wer den, ist ein Erfordernis für jeden, dem die Pflege des deutschen Buches anheimgegcben ist und am Herzen liegt. Nicht mit dem Ursprungsorte, nicht mit der Sprache erlangt ein Buch die Eigen schaft als Volksgut, sondern erst dadurch, daß es nach irgend- 400 einer Richtung hin unsere deutsche Geistigkeit (snobistisch »Mentali tät«) zum Ausdruck bringt. Ob in gutem oder bösem Sinne, ist allerdings Sache der Urheber, denen die Verantwortung für ihre Schöpfung nicht äbgenommen werden soll und kann. Auch in dieser Hinsicht stand der Buchhändler des 18. Jahr hunderts dem Buche anders gegenüber als der Mann der Neu zeit. Jener beschränkte die Empfehlung eines Buches in der Regel auf einige den Bezug betreffende Worte und überließ — wenn er Verleger war — die geräuschvolle Anpreisung dem Wasch zettel-Prospekt. Heute ist die Bücheranzeige unter Kollegen zu einem rhetorischen Etwas ausgeweitct, dessen Satzbau und Wort schwall die Bezeichnung des Kritikers Karl Strecker mit »stili stischer Veitstanz- durchaus rechtfertigten, aber dessen Sinn die dunklen Sätze des Heraklit von Ephesus oft noch übcrdunkelt. Hat man früher durch Nüchternheit des Stils gelangweilt, so hastet dem Übcrstil der neuesten Schule der Makel der Verschrobenheit an, demzufolge er an Werbckraft für das Buch die Erzeugnisse jenes Zopfstils sicher nicht übcrtrisft. Denn wenn es auch heißt, daß das Langweilige ein »verbotenes Genre- sei, so ist es dem Lächerlichen in Geschäftsdingcn noch vorzuzichen. Sehr viel löblicher würde es sein, wenn sich die jüngere Buchhändlerwelt befleißigen wollte, ein flüssiges, tadelloses, reines Deutsch zu schrei ben, und wenn unsere Geschäfte bei der Abfassung sämtlicher Drucksachen, die sie herausgcbcn, der größten wie der kleinsten, in bezug auf Zweckmäßigkeit, Übersichtlichkeit und ansprechendes Äußere-wetteifern wollten. Es gereicht dem Buchhandel, der jährlich für überflüssige Drucksachen Hunderttausendc von Mark hinauswirft, wahrlich nicht zur Ehre, daß er seinen sozusagen persönlichen Bedarf ohne jedes Bedenken und unter Verzicht auf irgendwelche persönliche Kontrolle von Drucker Hinz und Kunz »zusammenhauen« läßt, also von seiner brennenden Reform sucht nicht so viel, wie hierzu ausreicht, aufwendet, um seinen Verkehr mit Kollegen statt in schäbigem Hausrock und zertretenen Pantoffeln gebührlich in anständigem Äußeren zu unterhalten. Sicht der Mann der Neuzeit auf den Geschäftsmann von dazumal mitleidig lächelnd herab, so sollte er auch dazu ein Recht haben. Jnbclrcff der Allgemeinbildung habe ich bei den Buchhändlern der letzten 50 Jahre keinen Fortschritt wahrnehmen können, der außerhalb des von den Zeitumständen allen Zeitgenossen auf genötigten Schliffs lag, inbetreff der Fachbildung überhaupt keinen. Dürfte ich dem Stellenanzeiger im Börsenblatt trauen, so müßte ich an der Hand vieler Ausschnitte einen Abstieg beider Weltstände in der Richtung nach der Neuzeit hin annchmen. Alle die hier angedeuteten, schon lange bestehenden Mängel im Buchhandel werden niemals durch Zentralisation, für die mau an gewisser Stelle schwärmt, sondern nur durch Dezentralisation zu bessern sein. Was von dem Buchhändler als Einzelnem gilt, hat auch für den Buchhandel als Stand Geltung. Kein übel hat die Buchhändler mehr zurückgchalten als ihre Abneigung, sich zur Erreichung bedeutsamer Ziele zusammenzutun. Erst durch Orts- und Kreisgcmeinschaften mit wirtschaftlichen und Erwcrbs- zweckcn (Gcmcinschaftsvcrlag von Schujbüchern, Heimatlitcratur in weitestem Umfange, Gemeinschaftsbezüge usw.) würde nicht nur die nötige Förderung des sachgerechten Buchhandels in finan zieller Hinsicht zu erzielen sein, sondern auch die Möglichkeit geboten werden, auf die Ausbildung des buchhändlerischen Nach wuchses im deutschen Sinne Einfluß zu erlangen. Beides Um stände, die man getrost als Lebcnsbedingungen für den deutschen Buchhandel bezeichnen kann. Man vergesse nicht: Umgeben — man darf wohl sagen: umdroht — von fast lauter mißgünstigen Nachbarn, äußerlich ohnmächtig, besitzen wir nur noch in dem geschriebenen Wort eine Waffe von Wucht und Wirkung. Der Buchhandel ist also ein starker Arm der Kraftquelle, über die unser maßlos ausgesogenes und gedemütigtes Vaterland allein noch verfügt. Erinnere sich dessen jeder, der sich ihm widmet, im Sinne der Worte, mit denen Ernst von Wildenbruch seinen Prolog zur Einweihung des Buchhündlerhauses 1888 beschloß: Wer dem Buche dient, der dient dem Geiste, Wer dem Geiste dient, der dient der Welt.
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