Le/epro-e aus TT/un/ee-Wr'ob/ervs/a, Vaumei/)ee Der Vormittag des zweiten Tages fand Leonhard Tornegg fleißig zeichnend in der Kirche. Die Schluß- steine der Gewölbe wiesen mannigfache Verzierungen, deren Bedeutung enträtselt werden mußte. Eine Zeichnung des Schlußsteins über der Sakristeitür hatte er soeben beendet und glaubte, in dem Lelm und Straußenkopf, der ein Lufeisen im Schnabel hielt, das Wappen des ungarischen Königs Ludwigs des Großen aus dem Lause Anjou zu erkennen, was einen wertvollen Anhaltspunkt lieferte für die Datierung des Chorbaus. Er wandte sich nun dem Schlußstein zu, der in schöner Einfügung in die Kreisfläche einen Löwen mit dem Schriftband, das Sinnbild der Jungfrau Maria, zeigte. Flüchtig streifte sein Blick, bevor er zu zeichnen begann, über die Scheitelsteine des Chors, die mit Rosetten und Blätterornamenten geschmückt waren, sowie über die Konsolen an den Wandpfeilern, und jählings sank der bereits erhobene Zeichenstift herab. Er eilte auf die Ecke westlich der Sakristeitür zu und blickte empor zu dem ohne Tragestück hervorragenden Menschen- Haupt. Wo hatte er dies lebensvolle Gesicht mit der scharf ausgeprägten Individualität schon gesehn? Auf einer Abbildung etwa? Oder lag hier eine täu schende Ähnlichkeit vor mit gleichen Bildnisköpfen, wie sie häufig vom mittelalterlichen Baumeister in sein Werk hineinkomponiert wurden und meist Selbst bildnisse des leitenden Steinmetzen darstellten. Während Leonhard die Plastik mit Kennerblicken prüfte und an der Lebendigkeit des lächelnden Ant litzes eine lebhafte Künstlerfreude empfand, kam ihm die Erkenntnis: Im Traum sah ich diesen sprechenden Männerkopf mit den Locken, mit der liebenswürdigen, derben Fröhlichkeit. Feste Schritte kamen von der offenstehenden Setten tür heran. Einen Marktkorb am Arm kam Lotte gegangen, war gleichsam umhüllt von Morgenfrische, Frühsonne, Primelduft und Tatfreudigkeit. „Guten Morgen, Lerr Doktor! Als ich die geöffnete Tür sah, wußte ich, daß Sie bei der Arbeit sind, und kam herein. Sie zu begrüßen." „Guten Morgen, Fräulein Lotte! Darf ich Sie so nennen? Es erscheint mir, als seien wir schon lange bekannt und ich lebte schon ein Jahr in Mühlbach." Sie reichte ihm die Land, die prachtvoll warm und lebendig war, und nickte seiner Bitte Gewährung mit Augen, die den Aurikeln in der Zinnschale glichen. „Sie sind schon beim Kopf des Baumeisters? Den mag ich ganz besonders gern leiden. Ich habe viel nachgedacht über den Mann, dessen Selbstbildnis da auf uns herunterlacht, mehr als über manchen heutigen Mühlbacher. Er war bestimmt kein Liesiger, ich meine, er ist aus dem deutschen Westen zu uns herabgekommen, aus unserer Arväter Leimat, viel leicht vom Rhein, und es hat ihm gut gefallen zwischen unfern Trauben, die einen guten Saft schenken, auch bei den Llnterwälder Frauen, die Heller und rascher sind als andere Sächsinnen." Sie sah empor zu dem Porträt im Stein, und wiewohl dieses Porträt lachte, schwand aus ihrem Gesicht die Leiterkeit, sanfte Schwermut spann