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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.05.1930
- Strukturtyp
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- 1930-05-17
- Erscheinungsdatum
- 17.05.1930
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- Deutsch
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X- NS, 17. Mai 1830. Kantate-Nummer Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. 7 Leider erfolgt die Kritik Nicht immer aus freier Willens- cntschließung. Bevor der Bühnenkritiker sein Urteil über ein Stück abgibt, hat ihm der Theaterdirektor die Karton für die Aufführung schicken müssen. Man könnte sich natürlich auch denken, daß der Kritiker für seinen Platz genau so bezahlte wie jeder andere Zuschauer. In der Tat sind große Pariser Blätter von Ruf dazu übergegangen und fahren gut dabei. Es wird aber kaum damit zu rechnen sein, daß ein Buchkritiker sich alle Neuerscheinungen anschafft und daß er nicht gerade ein Buch unbeachtet läßt, von dem Verlag und Autor annehmen, daß es «in Ereignis ersten Grades für die Menschheit bedeute, die Gefahr läuft, nichts davon zu erfahren, wenn es ihm der Kri tiker nicht sagt. Die Bücher müssen also dem Kritiker zugesandt werden, das nennt man dann Besprcchungsstücke-Versand, wie man ihn in allen Ländern hat, wenigstens überall da, wo Bücher und Zeitungen erscheinen. Im allgemeinen druckt aber der Verlag seine Bücher nicht, um sie gratis zu versenden. Der Versand der Besprcchumgsstücke stellt für ihn eine schwere Belastung dar, folglich muß er einen gewissen Nutzen gewährleisten; es ist ganz natürlich, daß der Verleger, sobald er ein Buch an den Rezen senten abschickt, von diesem einen ebenso gehaltreichen wie loh nenden, d. h. lobenden Artikel erwartet, es ist weiterhin natür lich, daß er enttäuscht ist, wenn das Erwartete Nicht kommt oder schlecht ausfällt, es ist menschlich verständlich, wenn der Verleger darüber Klage führt. Wenn nun eine solche getäuschte Hoffnung geeignet ist, schon unter Landsleuten, Menschen einer Sprache, Schwierigkeiten her vorzurufen, so ist cs ganz begreiflich, daß es noch viel mehr Mißverständnisse geben kann, wenn es sich darum handelt, ein Buch außerhalb seines Entstehungslwndcs zu verbreiten, und zwar vermittelst einer Presse in anderer Zunge. Buchhändlern, die ihrem schönen Berufe besonders hingcgeben sind, mußte der Gedanke kommen, diesen Austausch von Besprechungsstücken von einem Lande zum anderen in eine feste Form zu bringen im Hinblick auf die glücklicherweise immer zahlreicher werdenden intellektuellen Beziehungen zwischen den Staaten und auf deren Weiterentwicklung. Es liegt kein Grund zu der Annahme vor, daß die Journalisten diesen Gedanken -> priori verwerfen könnten. Jedoch da alle wissen, daß nutzbringende, internationale Abkommen nur getroffen werden können, nachdem die einzelnen nationalen Seiten dieser Frage behandelt worden sind, wären zu nächst die einschlägigen Verhältnisse in Frankreich zu beleuchten und das herauszustellen, was man mit einem juristischen Fach nusdruck etwa als den »Muster-Besprechungs-Vertrag« der Presse bezeichnen könnte. lim cs gleich vorweg zu nehmen, die Behandlung des Ver sands der Besprechungsstücke ist in ganz Frankreich völlig anar chisch und unausgebildet. Sobald ein Buch erscheint, erhält der Autor vom Verlag eine Anzahl Exemplare für Besprechungs- zwccke. Die Zahl schwankt je nach der Firma, sowie, wenn auch seltener, in einzelnen Betrieben nach den Erwartungen, die man in das Werk setzt und der Art, wie man seinen Vertrieb auf- ziehen will. 200 bis 300 Stück bei einem Werke der Schönen Literatur ist die Norm. Es wird versichert, daß es bei einem aktuellen Reportage-Buch, das mit einem großen Aufwand an Werbemaßnahmen herausgebracht wurde, sogar 1000 Stück ge wesen seien, das ist aber Bluff oder Verschwendungssucht, da jedermann weiß, daß man keine 1000 verwendbaren Kritiker- adressen zusammenbekommt. Der Autor verfügt fast völlig nach eigenem Ermessen über den Versand der Besprechungsstücke. Gewöhnlich kommt er selbst in das Verlagsgeschäft, um seine Exemplare mit Widmung oder Namenszug zu versehen und sie zu versenden. Wenn er eigene Kritikerlisten besitzt oder besser beschaffene von einem Kollegen sich ausborgen kann, so läßt ihm der Verlag absolute Freiheit. Hat er kein eigenes Material, so verwendet er die Listen der betreffenden Firma, was gewöhnlich nicht gerade zu seinem Vorteil ist. Ich glaube, es gibt in Paris überhaupt kei nen Verlag, der mit Überlegung aufgestellte und sorgfältig geführte Listen besitzt. Man stellt sie zusammen nach den eige nen Angaben der Kritiker oder auch solcher Leute, die sich dafür halten und dem Buchhändler Mitteilen, daß sie künftig die Buch kritiken für das oder jenes Blatt übernehmen würden. Ein nicht mehr beschäftigter Kritiker wird sich nicht beeilen, dies bc- kanntzugeben, auch kommt Wohnungswechsel vor, ohne daß sämtliche Verleger benachrichtigt werden. Zur Abstellung dieser Mißstände haben sich seit kurzem zwei Organisationen gebildet, die »ä.8Sociation d6 tu oiätigue littärsirs« und die »Asso ciation des courriöristos littSrsires«. Diese versenden periodisch Listen von Kritikern, die dieses Amt tatsächlich ausüben. Jedoch sind die Vcrlagshäuser selten, die regelmäßig diese Listen mit ihren eigenen vergleichen. Es ist begreiflich, daß bei dieser Lage der Dinge sehr viele Exemplare verloren gehen. Trotzdem erreichen noch viele ihren Bestimmungsort, denn die Produktion ist beträchtlich. Der Kri tiker eines Pariser Nachmittagsblattes erzählte mir, daß er zu gewissen Zeiten, z. B. zurzeit des Goncourt-Preises, monatlich bis zu 300 Bänden erhalten habe, und zwar nur schöngeistige Literatur. Kann er all das lesen? Kann er es überhaupt nur über fliegen? Selbstverständlich nicht! Er wird also die Bücher lesen, von denen man schon spricht, er wird diejeuigcn überflie gen, deren Autorennamen ihm sympathisch sind, und vielleicht noch ein paar andere, wie es der Zufall will. Und was wird dann von dieser Arbeit in der Zeitung erscheinen? Handelt es sich um einen bedeutenden Kritiker, der wöchent lich über einen bestimmten Raum in einer führenden Tageszeitung verfügt oder über ein regelmäßiges Referat in einer wichtigen Zeitschrift, so wird er sich e i n Werk zurücklegen und dies gründ lich durcharbeiten und er wird in ein paar Zeilen einige flüchtige Urteile meist zustimmenden Sinnes über zwei oder drei andere bringen, möglichst als Artikelabschluß. Selten sind diejenigen Kritiker, die daran festhalten, jode Woche vier oder fünf Werke vorzunehmen und etwas eingehender zu besprechen. Dann gibt es noch eine weitere Kategorie von literarischen Journalisten, die »courrisristes«. Diese pflegen die Form des literarischen Echos, sie können jede Woche, in gewissen Blättern jeden Tag über fünf, sechs oder auch zehn und zwölf Bücher eine kurze Anekdote, eine bissige Bemerkung oder sonst eine inter essante Notiz bringen. Der -vollendetste Typus hiervon ist im »Intrsnsigsant« der dourrier des IrsiM. — Manche Zeitungen bringen in regelmäßigen Abständen Listen der eingelaufenen Werke, sie fordern im allgemeinen, daß außer dem Exemplar für den Kritiker ein weiteres für die Redaktion gesandt wird. Ein Autor von geringerem Ruf kann sich sagen, daß beim Versand seiner 200 Rezensionsstücke aller Voraussicht nach eins von je zehn verloren geht infolge mangelhafter Adresse, daß ein anderes einem Kritiker in die Hände kommt, der augenblicklich nicht beschäftigt ist, daß drei oder vier viel leicht überhaupt gar nicht bis zum Auspacken kommen. Ist er 5 bis 6 mal unter »Bücher-Eingang-- ausgeführt, hat er außer dem 3 wohlwollende Erwähnungen, 2 schmeichelhafte Urteile und 1 guten Artikel, so muß er zufrieden fein, der Versand hat sich gut gelohnt. Zu bemerken ist, daß er sich an seine eigene Lektüre der Zeitungen oder die Ausschnitte irgendeines Aus- schnitte-Büros halten muß. Es ist nicht gebräuchlich, daß die Kritiker Belegabzüge schicken, geschieht es dann und wann, so nur aus freundschaftlicher Aufmerksamkeit, und zwar nicht an die Adresse des Verlegers, sondern an die des Autors. Der Kri tiker zweifelt nie daran, daß der Autor seinem Urteil genügend Wert beimißt, um sich täglich mit gespannter Erwartung auf das Blatt zu stürzen, für das der Kritiker schreibt. Alles in allem ist das Erträgnis also ziemlich mager und vom Zufall abhängig. Könnte man es wohl besser machen? Biele französische Verleger glauben es, und es ist verständlich, daß die ausländischen Verleger, deren Fall noch schwieriger liegt, gern sichergehen möchten, ehe sie Beziehungen zur fran zösischen Presse überhaupt aufnehmen. Vor allem gilt es zunächst, immerhin mögliche Illusionen zu zerstören. Man wird nie dahin kommen, daß die unverlangte
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