Oie Dame mit den schönen Beinen Hans Retmann: Zwei Wege ins Narrenhaus * Du gehst in eine Eisenwarenhandlung. In eine Eisen waren Handlung! Der Verkäufer, ein junger Mann mit Kneifer, ist allein im Laden. Er eilt herbei und fragt, womit er dienen könne. Du sagst: „Ich möchte die »Gefährlichen Liebschaften«, die ,liai»vi>8 <l»»8«ivu8«8* von Choderlos de Laclos in der zweibändi gen Ausgabe des Hyperion-Verlages." Der junge Mann sieht dich an. Er hat nicht verstanden. Du wiederholst: „Ich möchte die »Gefährlichen Liebschaften -, ,li»i80ll8 tliM8vi'vii8«8', erschienen im Hyperion-Verlag — ge bunden." Der junge Mann hat nicht verstanden. Du wiederholst langsam und mit Nachdruck: „Ich möchte die »Gefährlichen Liebschaften« von Choderlos de Laclos — die Ausgabe in zwei Bänden — sie ist bei Hans von Weber er schienen". Der junge Mann, zögernd: „Ach, das ist — ein Buch?" Du: „Gewiß. Sogar zwei. Und ich habe die beiden Bände vor vierzehn Tagen bestellt. Sie sind hoffentlich inzwischen ein getroffen". Der junge Mann, hilflos: „Wir führen — wir haben . . . Sie müssen ... da muß ich . . " Du : „Ja, wenn es noch nicht eingetroffen ist, so bestellen Sie es bitte umgehend: Choderlos de Laclos, »Gefährliche Liebschaf ten«, Ausgabe in zwei Bänden, Hyperion-Verlag — Hans von Weber". Dem jungen Mann wird angst und bange. Er sagt: „Das ist doch eine Eise «waren Handlung — hier". Du: „Mit alten Kupfern". Der junge Mann: „Eine Eisenwarenhandlung . . " Du: „Ja, In der Übertragung von Franz B l e i". Der junge Mann bewegt die Hände, sieht dich plötzlich groß an, sagt „Einen Augenblick" und verschwindet. Er läuft, so schnell ihn seine Füße tragen, zum Inhaber des Geschäftes in das Kontor. Aufgeregt berichtet er, ein Verrückter sei im Laden. Der Inhaber des Geschäftes rutscht von seinem Drehsessel, strafft die Weste und gürtet sich mit Energie. — Mit eisernen« Blick tritt er an dich heran — im Hintergründe der Verkäufer — und fragt — mit künstlich liebreicher Stimme: „Was steht zu Ihren Diensten, mein Herr?" Du (sachlich): „Ich möchte einen Schraubenzieher". -i- Nachdem du dich mit Papier, Bleistift und einem Dollar Schein versehen hast, gehst du in ein erstklassiges Hutgeschäft. Du sagst nicht Guten Tag. Du sagst überhaupt nichts. Keinen Mucks. Eine Verkäuferin fragt nach deinem Begehr. Du ziehst gemächlich Papier und Bleistift aus der Tasche und schreibst: „Ich wünsche einen steifen, schwarzen Hut". Das Fräulein mißt dich mit einem neugierig-milden Blicke und sieht die Nummer deines Hutes nach. „Sofort" sagt sie und geht Hüte holen. Du sichst sic mit den anderen Verkäuferinnen tuscheln. Sie kommt zurück und probiert dir Hüte auf. Du nimmst wieder dein Papier zur Hand und schreibst: „Bitte eine Kleinigkeit größer!" Das Fräulein nickt ernsthaft. Endlich hast du einen passenden gefunden. „Dieser gefällt mir recht gut. Ich werde ihn behalten", schreibst du aus. Sie schlägt dir den Hut ein. (In eine Tüte!) Du bezahlst wortlos. Du wendest dich zur Tür. Alle sehen dir nach. Du öffnest die Tür und sagstsehr höflich: „Guten Tag!" Aus dem Buche: Die Dame mit den schönen Beinen. Grotesken von Hans Reimann. 22. Auflage. Umschlagzeichnung von Emil Preetorius. Brosch, ca. 2.^, geb. ca. 3.—. 11/10 mit 100 mit 50°/o. Paul Steegemann, Hannover. Zwei Wege ins Narrenhaus