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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1928
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- 1928-01-26
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- 26.01.1928
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X- 22, 26, Januar 1828, Redaktioneller Teil. III, Es ist nun zu untersuchen, ob die »schöne Kranken schwester- eine Schund- und Schmutzschrist ist. Es ist in der Entstehungszeit des Gesetzes ab und zu behauptet worden, eine Schrift müsse sowohl Schundschrist als auch Schmutzschrift sein, um in die Liste ausgenommen werden zu können. Diese Ansicht ist unrichtig. Freilich ergibt der Wortlaut des Gesetzes nichts Entscheidendes hierüber, wohl aber die Vorgeschichte des Gesetzes und sein innerer Sinn, Der damalige Reichsminister des Innern l)r, Külz hat im Reichstag am 27, November 1826 (Sten, Ber, S, 8257) namens der Reichsregierung folgende Er klärung abgegeben: »Der Wille des Gesetzes ist, sowohl den Schund wie den Schmutz zu treffen. Natürlich kann eine Schrift beides erfüllen; sie kann sowohl Schmutz wie auch Schund sein, gemeinschaftlich. Aber es kann auch eine Schrift sich von Schmutz freihalten und doch Schund sein-. Dem ist beizutreten. Mit Recht sagt Popert in -Hamburg und der Schundkamps-, 1926, Bd, l S, 5: »Die Schundliteratur überwiegt stark; sie ist über haupt, was die Jugend angeht, die bei weitem größere Gefahr-, Es ist daher kein Grund abzusehen, warum das Gesetz sich sein Anwendungsgebiet selbst so eingeengt haben sollte, wie es die hier bekämpfte Ansicht annimmt. Wo der Gesetzeswortlaut nichts Bestimmtes ergibt, muß die Auslegung bevorzugt werden, die dem Zwecke des Gesetzes besser entspricht. Gleicher Ansicht z, B. Hellwig »Jugendschutz gegen Schundliteratur-, Berlin 1927, S, 178 ff,, Matz-Seeger, Kommentar S, 23, Eine Schmutzschrift ist die »schöne Krankenschwester- nicht. Es ist dies auch von keiner Seite behauptet worden, und es er scheint daher entbehrlich, an dieser Stelle eine Definition des Begriffes zu geben, Wohl aber ist die »schöne Krankenschwester eine Schundschrift im Sinne des Gesetzes, Es ist Tatsache, daß das Gesetz jede Definition der Schund schrift bewußt vermeidet. Es ist dies von manchen Seiten ge tadelt, von andern gelobt worden; jedenfalls folgt daraus, daß die Praxis der Prüfstellen, insbesondere der Oberprüsstelle, die Tatbestandsmerkmale zu suchen und festzustellen hat, die das Wesen der Schundschrift ausmachen. Hierbei hat sie von dem Worte »Schund- auszugehen. Das deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 9, Bd., Leipzig 1899, erklärt den Begriff auf Seite 1999 wie folgt: »Schund, m,, das schinden, der abfall beim schinden, unflat, wertloses zeug-. Im Gesetz ist offenbar das Wort in der letzten übertragenen Bedeutung zu verstehen, oder mit anderen Worten: Um eine Schrift als Schundschrist bezeichnen zu können, muß sie dem Schund, d, i. dem Abfall beim Schinden, vergleichbar sein. Daraus folgt zu nächst, daß sie wertlos sein muß. Daß sie nach einem heute be liebten Modewort -minderwertig» ist, genügt nicht. Sie muß auch in jeder Hinsicht wertlos sein; literarische Wertlosigkeit allein reicht nicht aus. Hierbei muß aber eine sich von selbst verstehende Ausnahme gemacht werden: es genügt nämlich nicht, daß die Schrift, vielleicht gerade wegen ihrer Wertlosigkeit, für den Historiker, den Literarhistoriker oder den Kulturhistoriker als ein Zeichen der Zeit wichtig ist (zu vgl, »Mimili- von Clau- ren); denn hierdurch wird ihre innere Wertlosigkeit nicht auf gehoben. Aber die Wertlosigkeit allein drückt einer Schrift noch nicht den Stempel der Schundschrift auf. Sonst wäre ein sehr be trächtlicher Teil der gesamten Literatur Schund, In dem Worte liegt noch etwas anderes angedeutet, nämlich eine gewisse Ver achtung, Das Grimmsche Wörterbuch bringt dies zum Aus druck durch die Worte: »Unflat, wertloses Zeug-, Wer andern seine Gedanken durch die Schrift Mitteilen will, sollte etwas Be achtliches mitzuteilen haben. Der ernstzunehmende Schrift steller schreibt, weil es ihn drängt, seine Gedanken der Welt mitzuteilen, um sie nicht mit sich ins Grab zu nehmen, (»Denn es ist Drang und so ist's Pflicht-, Goethe.) Wer nichts Be achtliches mitzuteilen hat und doch drucken läßt, ist Geschäfts mann, Diese Tätigkeit braucht keinesfalls verächtlich zu sein, da das breite Publikum in leichtfrßlicher Weise und ohne geistige Anstrengung seinerseits unterhalten sein will. Verwerflich ist sie erst, wenn der Verfasser dem Publikum nicht nur Wertloses, sondern sogar Schädigendes bietet. Das geschieht nach Auf- 94 fassung der Oberprüfstelle dann, wenn die Schrift entweder auf die niederen Instinkte der Leser oder auf ihre ahnungslose Welt fremdheit spekuliert. Durch eine solche Schrift werden Sprache und Gedanken zum Schaden des Lesepublikums zu selbstsüchtigen Zwecken mißbraucht. In dieser Spekulation erblickt die Ober prüsstelle das zweite Begriffsmerkmal der Schundschrist. Sie hält, es nicht für angezeigt, angesichts des Meinungsstreits darüber, ob nur »ethisch- oder auch »ästhetisch- wertlose Schrif ten Schund sein können, sich unbedingt aus die Seite einer von beiden Parteien zu stellen. Der Wortlaut des Gesetzes zwingt sie nicht dazu, es spricht von Schund, ohne Einschränkung; andrerseits ist sie sich bewußt, daß bloß literarische Mängel eine Schrift noch nicht zu einer Schundschrift stempeln. Was nun den Inhalt der »schönen Krankenschwester- an langt, so kann auf die Ausführungen in der Begründung der Entscheidung der Prüfstelle Berlin Bezug genommen werden. Ein solches Buch ist als »Schundschrift« zu bezeichnen. Es ist in jeder Hinsicht wertlos und spekuliert auf die ahnungslose Welt fremdheit der Leser. Der Unsinn, der diesen geboten wird, ist erstaunlich. Die Personen des Romans handeln mit einer Hemmungslosigkeit, indem sie ihren »edlen- oder »unedlen- Trie ben folgen, daß sie alle in der wirklichen Welt sofort in ihr Verderben rennen würden. So zahlt z, B, die Heldin ihrem grimmigsten Feinde Gregor hinter dem Rücken ihres geliebten Mannes eine halbe Million Mark aus, ohne den mindesten Grund dazu zu haben und ohne die mindeste Bedingung daran zu knüpfen, und gerät dadurch in eine unhaltbare Lage gegen über ihrem Gatten; andrerseits vernachlässigt sie, weil es so der Verfasserin besser in ihren Kram paßt, eine wirklich heilige und beschworene Pflicht, nämlich dem unglücklichen Kinde von Amanda eine zweite Mutter zu sein. In dem Buche kommen 48 Ohnmächten und 6 Halbohnmachten vor — vielfach da, wo die Verfasserin die betreffende Person wider die Wahrscheinlich keit aus Zeit ausschalten will. In Süd-Kanada gibt es nach der Verfasserin Negerplantagen und einen Negeraufstand, Ein Russe wird vom russischen Konsul auf einem deutschen Schiffe in Ham burg verhaftet, weil er als Freund eines liberalisierenden russi schen Großfürsten der russischen Regierung politisch mißliebig ist. Es soll aber nicht auf Einzelheiten Gewicht gelegt werden. Der ganze Roman ist fast durchgehend in der Spekulation auf völlige Weltfremdheit des Lesers geschrieben. Wenn die Verteidigung geltend macht, der Leser glaube selbst nicht an die Wahrheit der geschilderten Begebenheiten, so ist es doch sehr auffällig, daß der Verlag auf dem Umschlag der Hefte versichert, die schöne Kran kenschwester lebe tatsächlich. IV, Nachdem festgestellt ist, daß die »schöne Kranken schwester» eine Schundschrift ist, und daß sie im direkten Klein betrieb an Jugendliche gelangen kann, ist zum Schlüsse noch zu erörtern, ob sie, durch ihren Inhalt, die Heranwachsende Jugend zu schädigen geeignet und deshalb ein Schutzbedürsnis gegeben ist. Die Oberprüfstelle hat dies bejaht, und zwar aus folgenden Gründen: Die Schrift vermittelt dem Leser ein völlig falsches Welt bild, sowohl in dem Sinne, daß die meisten der die Handlung fortführenden Begebenheiten sich s o nicht hätten ereignen können, als auch in dem Sinne, daß, wenn sie sich ereignet hätten, dann eine Reihe anderer Begebenheiten eingetreten wäre, zur Ent kräftung, Wiederaufhcbung oder Sühnung von jenen. Wer das Buch unkritisch liest, muß annehmen, daß es in Deutschland, England, Kanada und New Jork (den Hauptschauplätzen) weder eine Polizei, noch eine Staatsanwaltschaft, noch sonst ordentlich arbeitende Beamte gibt. Ab und zu freilich tauchen sie auf, aber meist nur, um ihre gänzliche Unfähigkeit darzutun. Niemals wird nach einem der zahllosen Verbrechen gründlich und ge wissenhaft nach dem Täter und den Tatumständen geforscht; Gregor, der Hauptmissetäter, bleibt in Berlin völlig unbelästigt und kann seine Schurkereien endlos fortsetzen. Ein halbreifer Mensch kann hierdurch auf den Gedanken gebracht werden, daß er bei Vergehen, z, B. Erpressung, sehr wenig Gefahr laufe und sie daher wohl einmal versuchen könne. Hiergegen kann man auch nicht einwenden, daß es ja schließlich den »Edlen- gut, den »Schlechten- schlecht gehe. Die vergeltende Gerechtigkeit des
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