hundertzehnmal mehr als bisher, seine starken Möglichkeiten in den Dienst der Werbung stellte. Damit kämen wir sehr rasch über viele Theorie, über alle Abstraktion zu dem greifbar Kör perlichen, das verführt und das bezwingt. Wir müssen aus der Schulmeisterei der Theorie der Dinge heraus in die sinnlichere Praxis! Die Angst der Massen vor der „Bildung", ihre Scheu vor Bibliotheken, ihr Mißtrauen der „Kultur" und deren „Schätzen" gegenüber, hat die Zustände vcrkünstelt. So könnten wir nichts Falscheres tun, als nun wieder von der Kultur her, von der Bil dung und von der Pflicht her sie zu den Schätzen des Volkes führen. Wie der Funk und wie der Film, ja so wie die Lcihbuchhandlung, müssen wir dem Volke kommen, freilich wie der völkische Film, wie der völkisch gewordene Funk und die frischeste Volksbücherei. Zum Buche führen heißt einstweilen: anständig zum Buch verführen! Heißt freilich auch vor lau ter Tempo dem Menschen nicht den Atem rauben, den der Mensch braucht, ob als Leser, ob als Schöpfer, sich in Werke zu vertiefen. Der Nachwuchs im deutschen Buchhandel Lin Lrfahrungsbericht der Reichsschule des Deutschen Buchhandels Von Dr. Walter Hoyer Oft wird die Frage an mich und meine Mitarbeiter gestellt: Sind Sie mit unserer Jugend zufrieden? Wie ist sie beschaf fen? Was lernt sie in der Reichsschule? Wenn hier eine Ant wort gegeben wird, so nicht, um eine Zensur zu erteilen und Lob oder Tadel auszusprechen, sondern um dem Buchhandel nach den Erfahrungen eines Jahres ein Gesamtbild seines jüngsten Nachwuchses zu entwerfen und um uns zugleich mit den Lehrherren zu verständigen, die uns ihre Lehrlinge zu schicken. Denn unsere Aufgabe heißt, den Jungbuchhandel so ausbilden helfen, daß er den politischen, kulturellen und wirt schaftlichen Anforderungen, die an ihn gestellt sind, im höch sten Maße zu genügen vermag. Wie die Rcichsschule arbeitet, läßt sich durch eine Beschreibung nur notdürftig darstellen. Das eigentliche Lehren und Lernen zielt weit über ein bloßes Wissen hinaus, und der Stoff gilt nur als Mittel zum Zweck. In der Hauptsache soll der junge Buchhändler durch die gesteigerten Bemühungen eines Mo nates seinen Beruf in vollem Ausmaße kcnnenlernen und ihn in seiner ganzen Bedeutung erleben. Er soll die Idee und das Ideal des deutschen Buchhandels ergreifen, damit er zugleich die richtige Berufsgesinnung gewinne und den persönlichen Willen zur verantwortlichen Handlung fasse. Vielerlei Ver anstaltungen sind nötig, um dieses Ziel zu erreichen, und ge rade das Entscheidende läßt sich nicht einfach mitteilen, son dern muß erfahren werden. Ich hoffe gleichwohl, daß etwas davon zum Ausdruck kommt, wenn ich jetzt zusammenfasse, wie sich uns die Beruföjugend in der Reichsschule darstcllt, nachdem bisher über 500 Besucher durch sie gegangen sind. Bei der nahen persönlichen Begegnung in einem Kamcrad- schaftslebcn lernt man auch in kurzer Zeit die Menschen oft besser kennen als selbst bei längerer beruflicher Zusammen arbeit. In welchem Betriebe aber wird man einander offen aus seinem Leben erzählen oder davon, wie man überhaupt zum Buchhandel kam? Wir haben viele sonderbare und außer gewöhnliche Schicksale berichten hören, die uns davon über zeugen, daß unsere Jugend ihren Lebensberuf mit Wahr haftigkeit und echtem Triebe sucht. Gewiß kommen auch Ver unglückte, wie boshaft gesagt wird, zum Buchhandel, solche, die in einem anderen Berufe nicht fertig wurden. Aber wir lernten nur wenige kennen, denen der Buchhandel ein bloßer Zufluchtsort bedeutet. Die meisten gingen nur auf Umwegen zu ihm, und von manchen haben wir gerade deshalb die Über zeugung, daß sie noch Besonderes leisten werden. Im übrigen ist diese ganze Gruppe an Zahl nicht groß. Die meisten jungen Menschen führt unzweifelhaft die Liebe zum Buch in den Be ruf, der Wunsch also nach einer Arbeit, bei welcher sic doch ihrer Neigung nachgehen können. Kaum einer bereut es, und alle gestehen ein, daß sie den unvermeidlichen Berufsalltag gern auf sich nehmen, wo ihnen nur diese Neigung nicht zer stört wird. 14