8818 288, 2. November 1928. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Das Hamburger Logenblatt: „Wenige Bücher haben mich so ergriffen, ja erschüttert wie das vorliegende. Verfasser ist ein Mann von ungeheurer Belesenheit, umfassendem Wissen und sicherem Blick, was ja in und mit seinem Beruf als Literarhistoriker, Theater- und Kunstkritiker gegeben ist. Er ist Verfechter des Idealismus und berührt sich in seinen Gedanken und Llrteilen vielfach mit Euckcn und Lienhard. Er nimmt das Leben der Gegenwart, den Geist oder Angeist bezw. die Geistlosigkeit, unter die Lupe und schildert uns die Lage, aber nicht mit allgemeinen Redensarten oder abstrakt, sondern in ganz konkreter Weise, Tatsache um Taffache ansührend, zergliedernd. Verfasser seht mit seiner Betrachtung und Untersuchung nicht erst bei der Gegenwart ein, sondern er beginnt mit dem Ausgang des vorigen Jahrhunderts. Dort sieht er die Ahnung und die ersten Anzeichen des Niedergangs, in dem wir heute stehen. Diesen Niedergang im einzelnen nachzuweisen, ist der eine Zweck dieses Buches. Zu diesem unter nimmt er mit dem Leser Streifzüge durch die verschiedensten Kulturgebiete. Er läßt uns Einblicke tun in die Literatur und das Theater, in die Malerei, in die Musik der Gegen wart. An Land sorgfältig ausgewählter statistischer Angaben erleben wir erschauernd die Sittenlosigkeit unserer Zeit. Auch die Politik erfährt eine eingehende Würdigung. And das Fazit? Wir stehen vor einer Katastrophe, wie sie die Welt noch nie gesehen. -- And der Grund? Es ist nur einer: Die Entgeistigung und Entseelung, die Irreligiosität, die über die zivilisierten Völker hereingcbrochen ist. Treitschkes Wort: „Gewaltige Kräfte der Zersetzung und Verneinung sind überall in Europa am Werk: Materialismus, Nihilismus, Mammons- dieust und Genußsucht, Spötterei und wissenschaftliche Äbcrhebung", und das Johannes Schlafs: „Der Antergang der Religion mußte geradezu den völligen Ruin, ja den vollstän digen, unausdenkbarsten Untergang Europas bedeuten" haben vorahnend auf die Dekadenz hingewicsen; Verfasser erweist diese Vorahnungen als durchaus berechtigt. Aber er endet nicht mit solchem Pessimismus. Sören Kierkegaards Ausspruch: „Rings in Europa hat man weltlich, weltlich frech und weltlich verwirrt, in Probleme sich verirrt, die nur göttlich sich beantworten lasten, weist ihm den Weg aus Finsternis zum Licht. Lind er heißt: „Rück kehr zu Gott, Beugung unter seinen Willen." - Man kann eher eine Stadt in die Wolken bauen als ein Volk ohne Religion regieren — das ist die Quintessenz des ganzen Werkes. Also eine durchaus frmr Beurteilung, die ihm zu Grunde liegt. Womit nicht gesagt sein soll, daß ich dem Verfasser in allen Einzelheiten beistimmte. Aber das Buch als Ganzes genommen, kann ich sagen: Es ist mir aus der Seele geschrieben. Was seit Jahrzehnten meine unumstößliche Aberzeugung ist, das hat Alfred Wien hier in unübertrefflicher Weise nicdergelcgt und bewiesen. Ich kann daher sein Buch allen, denen es wirklich um Erkennt nis zu tun ist, auf das angelegentlichste empfehlen. Es ist ein Buch, das bis ins Innerste trifft und erschüttert, und das darum in Masten verbreitet werden sollte. Äi ritze. Die Stadt in den Wolken Zur religiösen Kulturkrise der Gegenwart. Von Alfred Wien (Z) Kartoniert M. 7.—, Leinwand M. 8.50 (A In Kürze erscheint das 10.—11. Tausend Hellmuth Wollermann Verlagsbchhdlg. (W. Maus) Braunschweig