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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.11.1929
- Strukturtyp
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- 1929-11-02
- Erscheinungsdatum
- 02.11.1929
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- Deutsch
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2. November 1S2S. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Französische Bibliophilie der Nachkriegszeit. Aisstellung in Berlin bei Flatow L Priemer, ^sprachen von M. Niderlechner. Am Sonntag, dem 13. Oktober, wurde in Berlin mit einer inter essanten Rede des französischen Botschafters de Margerie eine unter seiner besonderen Förderung zustandegekommene Ausstellung der französischen Bibliophilie der Nachkriegszeit eröffnet, die von der Deutsch-Französischen Gesellschaft gemeinsam mit der Maximilians- Gesellschaft veranstaltet wird, und als »Lalon ck68 öibliopkiles« in drei Räumen des Möbel- und Antiquitätenhauses Flatow L Priemer aufgestellt ist. Diese Ausstclluug, die ein recht klares Bild der bibliophilen Bestrebungen der französischen Verleger gibt, ist an regend und interessant genug, um hier besprochen zu werden. Sic gibt auch Gelegenheit zu eiuigcn prinzipiellen Beobachtungen, da sie den Unterschied der französischen von der deutschen Buchproduktion deutlich erkennen läßt, und damit zugleich den der französischen von d-e-r deutschen Bibliophilie, soweit diese Bibliophilie — was betont werden muß — von den Bestrebungen und Taten der Verleger be einflußt oder getragen wird. Weiter aber weist sie auf die eigent lichen und eigenartigen Geschmacks- und damit auch Wesensunter schiede der beiden Völker hin, wie doch gerade die Buchkultur eines Volkes sehr viel über sein geistiges und allgemein kulturelles Wesen auszudriickcn pflegt. Die ausgestellten Bücher, die ein von I)r. Fritz Homeyer be arbeiteter, im Oktoberheft der Deutsch-Französischen Rundschau er schienener Katalog ausführlich verzeichnet, stammen etwa zur Hälfte aus Privatbesitz, in erster Linie aus der Bibliothek des französischen Botschafters de Margerie und seines Sohnes, die andere Hälfte bil den Leihgaben der Verleger. Die Anordnung zeigt den ersten Teil zusammenhängend in Bücherschränken, während die Bücher der ein zelnen Verlage in Schaukästen ausgelegt sind. Es muß nachdrück lich und besonders anerkennend hervorgehoben werden, daß Herr de Margerie seine Bücher von einem deutschen Buchbinder in Berlin binden läßt, dessen ausgestellte Bände großes Können zeigen, soweit unter Glas verschlossene Einbände beurteilt werden können. Die Mehrzahl der gezeigten Bücher ist illustriert, mindestens mit Initialen und Vignetten, meist aber mit Illustrationen auf Tafeln und im Text, entsprechend der großen Tradition, die das illustrierte Buch gerade in Frankreich auszuweisen hat. Der künstlerische Ge schmack weicht von unserem oft wesentlich ab, trotzdem sehen wir aber vieles, das auch uns gefällt und sehr zusagt. Das graziöse Modebild, die charmante leicht erotisierte Radierung, Holzschnitte oder entzückende »Oomp08ition8 en eoulsurZ« — alle Arten Graphik werden angewandt, den Buchinhalt und das Satzbild zu beleben. Neben den einfachen, bewährten ganzseitigen Illustrationen sieht man auch Experimente, teilweise überaus interessante und glück lich gelöste Versuche, das Bild in den Text hineinwachsen, von ihm umgeben werden zu lassen: Wie es etwa Per Krogh in Maurice Vedels ckerome (llouvello kevus kraucaise) macht, oder Pierre Bon- nard in den klistoires cku petit lienauck desselben Verlages. Eres et Cie. zeigen einen Jammcs, koman cku lüevre mit je halbseitigen Illustrationen auf zwei nebeneinander liegenden Seiten (Georges Delaw). Vollendet, rein dekorativ und fast monumental wirken die genialen Vignetten und eul8-äs-Iampo von Daragnes in Francis Carcos Lokemo et mon eoeur des Verlages Emile-Paul Freres. Künstlerisch am schönsten, nicht nur an sich, sondern auch innerhalb des Buches äußerst wirkungsvoll sind etwa die herrlichen, humor vollen und witzigen Zeichnungen von Gus Bofa zum von ^uiedotte des Verlages Simon Kra oder die dem Inhalt des Buches ent sprechend ganz anderen, prächtigen, zarten »6omp08itiou8 en eou- l6ur8« von A. E. Marty zu Huvilles viackömo <le k'Ioro, wo die einfache Linienumrandung den Seiten etwas sehr schön Geschlossenes gibt, — beides wohl die schönsten unter den gezeigten Büchern. Auch die vou Sylvain Sauvage, der sein eigener Verleger ist, illustrierten Bücher, besonders der »vanckicke«, sind sehr schön, wenn auch in einigen, etwa bei Pierre Louys oder Negnier, die Seitenumrandung stört. Lucien Boucher illustriert grotesk in nahezu angelsächsischem Humor »IlnaZ68 cle la vie cko8 pri8onnier8 cke guerre«, oder fügt einer überaus gelungenen Nachbildung alter Typen in alten kabliaux sehr schöne kolorierte Holzschnitte ein. Aus fällig gering sind die Versuche der sogenannten reinen Typographie, das Satzbild ohne Illustration dekorativ zu gestalten, von denen ganz besonders die von Francois Bernouard veranstaltete Ausgabe von La Bruyöre's Varaetei-68 hcrvorgehoben sei, die auf einer Seite zwei spaltig Text und Kommentar (N. de Gourmont) bringt und dabet den Kommentar wirkungsvoll in Kursiv setzt, während das Experi ment einer ganz modernen Druckanordnung in dem lüvrs cke la vö- rito cke parole desselben Verlegers mißlungen zu sein scheint, weil 1170 es ein ganz unruhiges auseinandcrfallendes Satzbild ergibt, wie es auch noch in einigen anderen Drucken aus der Sammlung Flecht heim der Fall ist. Eine rein nach bibliophilen Richtlinien unternommene Ausstel lung von Büchern ist nicht nach dem Inhalt zu beurteilen: immer hin aber darf daraus hingewiesen werden, daß etwa die Hälfte der gezeigten Bücher Ncuausgaben alter Autoren sind und daß in deren Auswahl bei Verlegern und Publikum eine Abneigung gegen die Schriftsteller und großen Prosaisten der zweiten Hälfte des 19. Jahr hunderts zu merken ist. Der Katalog verzeichnet keine Werke von Flaubert, Maupassant, auch nicht einmal von Balzac, Daudet ist nur zweimal, Zola nur einmal und Stendhal auch nur einmal ver treten (dies 'ist besonders auffällig, wenn man an seine gegenwärtige Geltung bei uns in Deutschland denkt). Von Anatole France, Gide und Valory werden je 8 Drucke gezeigt, Voltaire ist mit 3 Werken, Diderot dagegen mit 5 vertreten. An deutschen Autoren finden wir nur E. T. A. Hoffmann mit 3 Büchern und eine Ausgabe der »Leiden des jungen Werther« — also auch jetzt noch die alte Bevorzugung des in Frankreich immer und schon zu seinen Lebzeiten sehr geschätzten Hoffmann und die ebenfalls traditionelle Hochschätzung des »Wer ther«. Leider fehlt eine der Ausgaben von Rilkes französischen Ge dichten, die u. W. unter seiner Anleitung gedruckt wurden. Da aber die Mehrzahl der Bücher von Verlegern gezeigt wurden, find viele der vergriffenen (und es werden nicht die schlechtesten vergriffen sein!) nicht auszustellen. Das Interesse der französischen Biblio philen an diesen Luxusdrucken ist so rege, daß viele oft schon vor Er scheinen vergriffen sind. Auf die in der Ausstellung deutlich hervortretenden prinzipiellen Unterschiede der französischen von der deutschen Bibliophilie weist in dem den Katalog enthaltenden Heft der Deutsch-Französischen Rundschau vr. Ernst Tuchmann, ein gründlicher Kenner beider Ge biete, in einem interessanten Aussatz hin: »Uber deutsche und fran zösische Bibliophilie«. Es ist in der Tat sehr deutlich zu sehen, daß »der französische Bibliophile im großen ganzen nicht typophil empfindet, nichtillustrierte Bücher kommen ihm trocken, puritanisch vor« (denn ohne Zweifel entspringt gerade die Publikation von Luxusdrucken seitens der Verleger den Nachfragen und Neigungen der Käufer). Bei uns hingegen glaubt man, wie es Tuchmann sagt: »daß die Aufgabe, ein illustriertes Buch zu schaffen, schwer, eigent lich nur in seltenen Glückssällen so lösbar erscheint, daß eine wirk liche Einheit aus einem Guß und ohne Bruch entsteht«. Das ist in Deutschland wirklich eine verbreitete Ansicht, obwohl wir doch auf so ganz einheitliche Leistungen wie Menzels Ausgabe vou Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen und Preetorius' Ausgabe von Eicheudorffs Taugenichts mit Recht stolz sind, und trotzdem wir einen Slevogt besitzen, dessen Buchillustrationen, zum Teil wenigstens, in ternational kaum erreichte Spitzenleistungen der illustrierenden Gra phik bilden dürften. Das illustrierte Buch erscheint uns an sich bibliophil weniger wichtig. Die große Linie der Entwicklung der Pressen-Drucke in Deutschland geht aus die reine Typographie, wo bei oft die Inkunabel als angestrebtes, aber schwer erreichbares Vorbild erscheint, dem am nächsten bisher wohl der Tacitus der Bremer Presse gekommen ist. Nur ganz nebenbei erscheint einmal ein illustriertes Buch (Lessings Fabeln, von Kleuckens illustriert und auf seiner Presse gedruckt, sei noch als besonders schönes Beispiel ermähnt) als ein gutgelungener Versuch. Auf dem Gebiet der reinen Typographie haben wir viele einheitliche und schöne Leistun gen aufzuweisen, wenn auch die besten Drucke immer noch nicht die gerade in ihrer schmucklosen Einfachheit wunderbaren Drucke Cobden- Sandersons in der Doves Preß erreichen. Der deutsche Verlag hat aber, in starkem Gegensatz zur fran zösischen Produktion, und ganz besonders seit 1924, bei gleichzeitiger Einschränkung der Herstellung von Luxusbüchern, etwas ganz an deres angcstrebt und zum guten Teil erreicht: Das schöne, gut- gedruckte billige Buch. Bei einem ganz geringen Preis unterschied von etwa NM. 3.— eines französischen Romans gegen über einem deutschen ist dieser ein gutgedrucktes, einheitlich ausge stattetes und gefällig wirkendes Buch, was man von dem fran zösischen Roman nicht immer behaupten kann. Es mag tatsächlich der allgemeinen Neigung des Franzosen entsprechen, Romane zum Lesen aus schlechtem Papier schlechtgedruckt zu kaufen, cs mag auch richtig sein, daß der Franzose mehr liest als der Deutsche und es trifft wohl auch zu, daß der deutsche Bttcherkäufer sich viel schwerer zum Kauf eines Romans entschließen kann als der Franzose, der einen lebendigeren, temperamentvolleren Anteil an der dadurch auch ihrerseits viel lebendigeren literarischen Bewegung seines Lan des und seiner Zeit nimmt. Er stellt dann dafür in seine Bibliothek lieber einige seiner besonderen Freunde unter den Büchern in schönen Drucken auf, womit die Kluft zwischen dem normalen schlechten Lese buch und der kostbar gedruckten schönen Luxusausgabe, die dafür
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