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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1939
- Strukturtyp
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- 1939-05-06
- Erscheinungsdatum
- 06.05.1939
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- Deutsch
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aller Zeiten und Völker, welche die Stimme des Ruhmes als solche bezeichnet". So gewöhnt man sich an das Gute, so ver wöhnt man sich derart, daß man schließlich das Minderwertige nicht mehr lesen mag, nicht mehr lesen kann, ohne von den gedanklichen Plattheiten und sprachlichen Verstößen gepeinigt zu werden. Und so gewinnt man einen Maßstab, den man an literarische Neuerscheinungen anlegen kann. Ich hörte einmal einen Buchhändler sagen: „Wenn ich den ganzen Tag mit Büchern umgegangen bin und abends müde nach Hause komme, dann möchte ich etwas anderes treiben. Der Mensch hat doch seine Erholung nötig." Der Unselige ahnte nicht, daß er mit diesen Worten sich als Buchhändler das Todesurteil sprach. Er wußte nichts davon, daß auch ein gutes Buch Erholung bieten kann, und mehr als Erholung: Erquickung des Geistes, Aufschwung der Seele. Ich kenne aber auch das Gegenspiel dieses Buchhändlers ohne Beruf, einen Herrn, der das Bedürfnis hat, jeden Tag lesend zu beschließen, nnd wenn die Zeit ihm noch so knapp bemessen ist. Zwei Gefahren drohen dem Buchhändler als Leser. Er braucht nur die Hand auszustrecken nach dem lockenden Schatz, den er beherbergt, und kann wählen, was er will; und so kann er der Versuchung erliegen, allzuviel und allzurasch zu lesen. Dann liest er sich schließlich dumm, und sein Gedächtnis wird ein Trümmerhaufen von unzähligen literarischen Erinnerungen, die weder zueinander noch zum Leben Beziehung haben. För dernd ist nur gründliches Lesen, das auch Verweilen und Über denken und wiederholte Rückkehr zum gelesenen Buch kennt, und Gedankenaustausch mit Freunden und gelegentliche Be lehrung aus ästhetischen und literargeschichtlichen Schriften. Die andere Gefahr ist daS Häppchcnlesen. Sie droht gerade dem pflichtbewußten Buchhändler, der nicht gerne die Katze im Sack kaufen und verkaufen will. Er möchte doch aus eigener Kenntnis wissen, was er empfehlen soll und was nicht, und so schnuppert er einmal hier und kostet einmal da, ohne sich je ein Buch vollständig zum geistigen Besitz zu machen. Dieser Notbehelf wird nicht ganz zu vermeiden sein, und wenn der Buchhändler seinen literarischen Geschmack so geschult hat, daß er an der Tatze den Löwen erkennt, hat dieses Prvbelesen auch sein Gutes. Damit jedoch nicht Flachheit des Geistes und Verzettelung der Seelenkräfte die Folge sei, ist es unbedingt erforderlich, daß wenigstens hin und wieder ein Buch mit aller Hingabe und Gründlichkeit gelesen und wiedcrgelesen werde. DaS Vermögen, über Literaturwerke kritisch zu urteilen, kann nicht abtrennbar von eigner sprachlicher Ausdrucksfähigkeit gedacht werden; beides ist durcheinander bedingt. ES soll hier nicht jener Sprachgewandtheit das Wort geredet werden, die einen rauschenden Redestrom auf den Kunden niedcrgießt, so daß er verdattert dasteht und nicht mehr weiß, was er eigentlich wollte, und schließlich blindlings kaust, was man ihm auf drängt. Vielmehr ist gemeint das Vermögen, seine Gedanken sachlich, unmißverständlich, genau und sprachrichtig auszu drücken. Ehrlichkeit und Schlichtheit sind viel mehr wert als aller Wortprunk. Dem hurtigen und wendigen Schwätzer, der mit Worten Fangball spielt, mißtraut man; der ruhig und sachlich Redende hat unser Ohr. Wie kann man sein Sprachgefühl und sein Ausdrucksvermögen schulen? An guten Vorbildern selbstverständlich, aber auch am schlechten Gegenbeispiel. Jeder Buchladen, auch der sorgfältig und anspruchsvoll ausgestattete, hat an Büchern mit unzu länglicher und fehlerhafter Sprache keinen Mangel. Wer sie flott und oberflächlich liest, ist wohl im ganzen unbefriedigt, wird sich aber der einzelnen Verstöße nicht klar bewußt. Wer aber Satz für Satz grausam vornimmt und sich jedesmal fragt, was nicht in Ordnung ist, der hat bald eine reiche Beute zu sammen. Und prüft er dann jeden Verstoß und jede Unzuläng lichkeit auf ihr Wesen und ihren Grund, dann kann er sehr viel lernen. Er findet seine eigenen Schwächen wieder und schämt sich ihrer; und nun kommt es auf seinen guten Willen an, auf die Kraft, rücksichtslos gegen sich selbst zu sein, ob er sie bekämpft und überwindet oder nicht. Zur rechten Sprachzucht gehört auch, daß die Aussprache sauber sei und frei von allzu auffälliger mundartlicher Färbung. Wer Diener des Wortes sein will und selber schludrig und unordentlich spricht und schreibt, ist eine lächerliche Figur. Ist der Buchhändler, wie er in dieser Skizze gezeichnet ist, eine Jdcalgestalt, die zu verwirklichen die werktätigen Forde rungen des Berufes und die allgemeine menschliche Schwach heit nicht gestatten? Mag sein. Schließlich gehört cs ja zum Wesen des Ideals, daß cS im Leben nicht verwirklicht werden kann. Aber dem Ideal nahe und immer näher zu kommen, ist eine hohe sittliche Leistung und gewährt größte Befriedigung. 3 17
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