Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.09.1857
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1857-09-30
- Erscheinungsdatum
- 30.09.1857
- Sprache
- Deutsch
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^7 121, 30. September. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1877 Nicht a mtli Das Bücherinserat und Herr A. Schürmann. Es ist keine Frage, man kann sich in vielen wohl geformten Sätzen und Floskeln über Bücherinserate und ihre theilweise Erfolg losigkeit aussprechen, man kann allerlei hübsche, nett und edel aus sehende neue Spielarten davon erfinden, auf die alten dabei los pauken, sie verwerfen als dem Stande unwürdig, oder sie als markt schreierische bezeichnen — die neuen sind aber doch immer nur wieder Inserate. Ob nun aber gerade die Spielart Inserate, welche als eman- cipirt von Zeitungen und Anzeigeblattern auftritt, der wahre Jacob sei, das kann nicht einmal eine Frage sein, sondern das ist und bleibt eine reelle Täuschung. Dergleichen selbstständige Annoncen, seien sie nun in Form von literarischen Beilagen vermittelst der Zeitungen oder durch die Buchhändler im Kundenkreise verbreitet, finden in der Regel für jedes Exemplar nur Einen Leser, — denn aus der Hand des ersten Besitzers wandern sie selten weiter! Anders ist es mit Zeitungen, darin bleibt die Annonce doch, mit ihr wird der ganze Rundlauf gemacht, und es hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich, daß sie von vielen Augen gesehen und von mehr Leuten beherzigt wird, als bei den sogenannten von der Tagespreise entbundenen fliegenden Annoncen. Wenn die für Annoncen in den Blättern aufgewandlen Mittel größtenthcils in keinem Vcrhältniß zu den Erfolgen davon stehen, so täusche man sich doch nicht immer und immer wieder; dagegen gibt es kein Arcanum, daran ist dann jedesmal nur das geringe lite rarische Bedürfnis*) schuld. Mit unserer Production eilen wir den allerdings sich immer mehr und mehr vergrößernden litera rischen Bedürfnissen doch zu sehr voran, das Publicum folgt uns nicht, kann uns nicht folgen, —>das ist die Quelle des Uebels. Vom „längst gefühlten Bedürfnis zu befriedigen" kann bei uns in Annoncen keine Rede mehr sein, wir könnten eher jetzt darin sagen: „um dem nach so und soviel Jahren erst eintretenden Be dürfnisse rc.". Zweierlei sichere Bedürfnisse existiren übrigens bei jedem neuen Buche: 1) der Autor hatte das große Bedürfnis, es herauszugeben; 2) der Verleger empfindet gleich darauf das große Bedürfniß, es abzusetzcn. Das Bedürfniß des Publicums dafür ist meist imaginär. Be- dürfnißbücher gibt's, es sind die Schul- und Lehrbücher aller Art, diese bedürfen weniger des Posauncnstoßes in den Zeitungen, sie finden, falls sie gut sind, schon allein ihren Weg. Ueberhaupt be haupte ich, daß jedes gute (d. i. auch praktische) Buch Absatz findet, soweit ein Bedürfniß dafür bereits vorhanden war. Wir Verleger wollen aber in der Regel mehr als das vorhandene Bedürfniß nur befriedigen, wir wollen stets das Bedürfniß vergrößern, oder auch erst eins erwecken. Dazu bedürfen wir der künstlichen Mittel. Das würdigste dieser Mittel ist, selbst wenn etwas Markschrei- erci dabei, das Inserat, unwürdiger ist schon die aufdringliche An sichtsendung, und sogar herabwürdigend das Colportirenlassen. Daß wir übrigens dieser drei künstlichen Mittel überhaupt zur Anbringung unserer Waare bedürfen, ist gerade Armuthszcugniß genug für uns und unsere Waare**), und wir sehnen uns nach i weitern Mitteln nicht. *) Das eigentliche literarische Bedürfniß ist sehr gering, man glaubt , gar nicht, wie so höchst bescheiden, gegenüber den Prätensionen der Herren ^ Verleger, darin das deutsche Publicum ist. **) Der Fluch bei unserer Waare ist der, daß sie, so neu sie sein mag, nicht en nissse und nicht nach Belieben, selbst mit größerem Ver- j luste, realisirbar ist, d. h. realisirbar nach kaufmännischen Grundsätzen j cher Th eil. Daß stets auf's Neue von gewissen Seiten her, hier von Herrn Schürmann, im edlern Salontone und ü guair« tzpinZIes auf die sogenannte populäre Literatur höhnisch herabgesprochen wird, ja, daß man solche mit Stumpf und Stiel zu vernichten wünscht, in dem Wahne, als ob gerade sie dem Absatz der bedeutenderen Lite raturwerke schade, ist nicht allein etwas Altes, sondern auch ein ^ alter Jrrthum. Man düftelt am Ende noch heraus, daß Alberti's Complimcnlirbuch die Anschaffung größerer Werke verhindere. Und doch sage ich, daß gerade die populäre Literatur, die in kleinen billi gen Gaben geboten wird, ihre volle Berechtigung hat, hatte und behalten wird, daß sie ferner der Zweig des Handels ist, derbem Sor timenter die so nöthige tägliche baare Einnahme schafft. Die größeren Werke der Literatur setzen sich fast ausschließlich auf Rechnung ab, die kleinern und populären gegen baar! Auch hat ja die kleine Literatur die Aufgabe und erfüllt sie, daß der gewöhnliche Mann wenigstens am Lesen bleibe, was durch größere wissenschaftliche Werke für die sen nicht erreicht werden kann und doch jedenfalls ein Vortheil ist. Für den Absatz der kleinen und populären Literatur sind Zeitungs- Annoncen fast das einzige Mittel, und daß diese Annoncen in einem dem Zwecke entsprechenden Tone (marktschreierisch nennt man ihn oft mit Unrecht) gehalten werden müssen, ist ja ganz natürlich, weil in der Regel dabei auf ein Publicum eingewirkt werden soll, welches ihn so liebt und so nur versteht. Es gibt Leute unter uns, wie schon angedeutec, welche der po pulären Literatur alle Berechtigung zum Leben absprechen möchten, die aber nicht einsehen, daß sie dadurch gegen ihr eigen Fleisch und Blut wüthen; denn die populäre Literatur erhält und erweckt die Lust zum Lesen in gewissen Schichten, bildet vor, zudem lehrt uns ein Blick in die Familien, woraus große gelehrte Männer hervor gingen, daß deren Eltern, wenn auch arme Leute, doch zu solchen gehörten, die populäre Bücher besaßen, wodurch der erste Anstoß gegeben und woraus dann später gelehrte Studien und in deren Folge wieder die Größen hervorgingen. Wollte der Buchhandel nur tief wissenschaftliche Werke ediren, wahrhaftig, ein großer Theil des Publicums müßte aller Belehrungen und aller Unterhaltung, aller geistigen Anregung baar bleiben, und wahrhaftig auch ein nicht kleiner Theil unserer Buchhändler müßte ! aufhören zu existiren. In Summa, Herrn Schürmann's Aufsatz über das Büchcrin- serat bietet uns gar nichts Neues! Wir glaubten im Anfänge, der selbe würde uns zum Schlüsse praktische Vorschläge machen, uns den Stein der Weisen zeigen, indeß wir irrten, nichts als Medita tionen über das Inserat gibt er, und er kömmt darüber zu keinem Abschlüsse, gelangt damit zu keinem Ruhepunkte, zu keinem Ziele! Wir sind nach Lesung desselben so klug wie vorher und können nach der langen Fahrt nicht mit Columbus auscufen: Land! Land! Wenn uns Verlegern Herr Schürmann als Quintessenz seines ganzen Aufsatzes den Rath ertheilt, „etwas mehr die Zcilungskunde zu pflegen", so finde ich nicht allein diesen Rath, sondern auch die Sache an sich für überflüssig. Uns Verlegern kann es gleich sein, ob ein Anzeigeblatt mehr oder weniger gediegen redigirt wird, wenn es nur den Vorzug einer größeren Verbreitung hat, das genügt uns und Begriffen, sie bleibt ei» (unsicherer) Consumtions-Artikel nach homöo pathischer Art; wir können unsere Artikel im Fall der Noth weder als Faustpfand geben, noch auf unser Waarcnlager, so werthvoll es uns sein mag (seltene Fälle ausgenommen), ein Capital aufnchmen. Die Rentabilität eines Verlagsgeschäftcs mag augenblicklich noch so fest stehen, soll's sofort realisirt werden, so gilt das gleich Null vor der Zahl.
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