Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.11.1857
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- 1857-11-23
- Erscheinungsdatum
- 23.11.1857
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- Deutsch
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N i ch t a m t l i Die österreichische Bibliographie*). Wer die literarische Geschichte des österreichischen Gesammt- staats aus näherm Studium kennt, wird wissen — und auch nur ein solcher vermag es zu ermessen — welch ein beträchtlicher Theil i geistiger Schatze dadurch seit einem Jahrhundert und länger fast nimmer auffindbar verloren ging, daß einentheils die Bibliotheken Oesterreichs durchaus auch nicht ein einziges Fach systematisch com- ! plccirten, anderntheils aber besonders, daß auch nicht einmal der Versuch gemacht wurde, ein Jnventarium der jeweiligen Literatur- production anzulegen, somit eine Benutzung aller vorhandenen Quel len bei wissenschaftlichen Arbeiten rein eine Unmöglichkeit ist. Die nichtdcutschen Literaturen Oesterreichs, die italienische, die größcrn und kleinern slavischen, die so beträchtliche ungarische, hätten nur in sich selbst diesem Uebelstand Vorbeugen können, wären sie nicht meist bis in die neueste Zeit Literaturen des Zufalls gewesen, ohne ^ Centralpunkt, ohne bestimmt ausgesprochene Richtung Aber auch die deutsch-österreichische Literatur blieb ohne Historiker oder Biblio graphen, denn die großdeutsche Bibliographie nahm nur spärlich von den selten in's Ausland gelangenden Erscheinungen des Wiener Marktes Notiz, und in Oesterreich selbst — so massenhaft die Bücher- production seit Kaiser Joseph's Zeiten war — gab es nicht einmal zuverlässige Verlagskataloge der Buchhändler, geschweige daß eine einzige Bibliothek einen allgemein zugänglichen und brauchbaren Nachweis hätte. Und doch besteht jeglicher Reichthum nicht in der stofflichen Quantität, sondern in der geordneten Verwendbarkeit derselben, und ein noch so wohlhabender Capitalist ist arm, wenn er nie weiß, wo denn sein Geld steckt, und in was sein Reichthum be stehen mag. Die Principien der vormärzlichen Regierung mögen ein gut Theil Schuld an dieser Verschleuderung und Unordnung haben, da sie nichts weniger denn ein freies geistiges Leben gerne zuließen und unterstützten, vielmehr jeder ernsten Wissenschaftlichkeit ermü dende Hemmnisse in den Weg legten, und die Censurcontrole mög lichst exclusiv auch auf die Bibliotheken und Archive ausdehnten. Aber die so segensreiche, und besonders jegliche Intelligenz so be reitwillig anerkennende Regierung des nachmärzlichcn Oesterreichs, gab auch in dieser Frage nicht nur möglichst offene Bahn, vielmehr ging von ihr selbst das Signal aus, und sic stellte sich an die Spitze des Strebens, ja recht rasch alle geistigen wie materiellen Schatze zu heben, zu ordnen und zu vcrwcrthen. Dem Ministerium Bach ge bührt das edle Verdienst, wenigstens von nun an einer Versickerung und Verlorcngehung der literarischen Tagesproduktionen vorzubeu gen, und in seinem speciellen Auftrag erscheint seit 1852 als Bei lage zur k. k. Wiener Zeitung eine, nach den in der administrativen Bibliothek im Ministerium des Innern cinlaufenden Pflichtexem plaren, wöchentliche Bibliographie der gesummten österreichischen Literaturproduction, und im gleichen Auftrag ließ der Vorstand ge nannter Bibliothek, »r. C. v. Wurzbach, bereits zwei Jahrgänge des „Bibliographisch statistischen Jahrbuchs der österreichischen Lite ratur" in großer innerer Reichhaltigkeit und in prachtvoller äußerer Ausstattung erscheinen. Unlängst kam uns aber der Prospect eines dritten ähnlichen Unternehmens gedruckt zu, nämlich das Programm des in M. Auer's Verlag in Wien erscheinenden „Bibliographischen Centralorgans des österreichischen Kaiserstaats", welches augenscheinlich mit den vom Ministerium ausgehenden Unternehmungen in innerm Zusammen hang steht. Es ist also jetzt nicht mehr über Mangel an Interesse *) Aus d. Mg. Ztg. Wege» Mangel an Raum konnten wir diesen bereits vor längerer Zeit veröffentlichten Artikel erst jetzt zur Aufnahme bringen. cher Theil. für diese hochwichtige Aufgabe zu klagen, vielmehr dankbar das eifrige Bestreben anzuerkennen, diesem langgefühlten Bedürfniß abzu helfen. Jetzt ist nur zu fragen, ob alle diese Unternehmungen derart organisi'rt und redigirt sind, daß sie wirkliche Abhilfe, praktischen Nutzen bringen und die möglichste Verbreitung finden können. Leider kann im vorhinein eine befriedigende Bejahung dieser Frage nicht erfolgen, und da es sich diesmal um ein Privatunternehmen handelt, das also volle Freiheit des Handelns hat und das zudem erst im Entstehen ist, so dürfte ein fachwissenschaftlicher nüchterner Nach weis der Grundfehler in der Anlage und in der Ausführung solcher Unternehmungen vielleicht nicht ganz unnütz sein. Wenn es einen treuen Anhänger aus innerster Ueberzeugung an das Centralisationsprincip gibt, so darf sich wohl der Schreiber dieser Zeilen einen solchen nennen, und ihm gilt nichts für so thö- richt und eine wahrhafte Entfaltung hemmend, als gewisse separati stische Tendenzen. Aber es scheint, daß der große und richtige Grund gedanke der Regierung nicht in allen secundäccn und tertiären Aus führungen von den untern Agenten gleich richtig aufgefaßt und logisch durchgeführt wird. Es heißt nicht centralifiren, wenn man die Fäden in einen Knäuel zusammcnwirrt, statt sie alle einzeln hübsch säuberlich bei den Enden in einen Büschel zu fassen. Und man organistrt und cultivirt am besten, wenn man jedes Ding von seiner eigenen bedingten Natur aus allgemeinen Zwecken dienstbar macht, nicht aber, wenn man jeden Gegenstand zwingt, dem seiner Natur nach entgegengesetzten Zweck zu entsprechen. Und obendrein bei wissenschaftlichen Fragen kann mit bestem Willen keinem andern noch so berechtigten und edlen Nebenzweck gedient werden, als bloß dem Selbstzweck der Wissenschaftlichkeit. Es gibt einen Gcsammtstaat Oesterreich, dessen Dasein der Stolz und das Heil der ihn bildenden einzelnen Völker ist und sein muß, somit gibt cs auch österreichische Staatsbürger; aber es exjstirt keine staatlich-österreichische Nationalität, so wenig als die einzelnen selbstständigen, unter sich in keinerlei Verband stehenden, sprachlich streng geschiedenen, historisch gewordenen Nationalliteraturen der einzelnen Völker in dem Sinn eine österreichische Gesammtliteratur bilden können, daß man auf ihre natürliche Gruppirung keinerlei Rücksicht nimmt, sondern sie kunterbunt in einen Korb zusammen wirst und mit einer allgemeinen Etikette versieht. Und an diesem absichtlichen Mißverkennen der Aufgabe leiden alle drei genannten österreichischen Bibliographien. Nicht nur daß hiedurch der Forscher jeder einzelnen Literatur gehemmt ist, und ermüdet, aus dem Wust polyglottester Büchertitel die wenigen Data sich herauszulesen, die eben ihn speciell intercssircn, wird dadurch auch das Interesse an andern, als der eigenen Literatur geschwächt, denn man sieht die andern Literaturen auch nie in einem Tableau zusammen, sondern stößt bloß auf einzelne ihrer Productc, die eben gar nicht an sich von Werth sind, sondern nur eine Bedeutung hätten, wenn sie in ihrer richtigen Gruppe stünden, und man demnach durch einen vollen An blick eine genaue Einsicht in die organische Entwicklung der einzelnen Literaturen gewönne. Diese falsche Methode hebt also nicht bloß die praktische Brauch barkeit betreffs des leichten Aufsindcns der einzelnen Werke auf, sic verwischt auch völlig den höhern literaturhistorischen Zweck und die kulturhistorische Bedeutsamkeit eines solchen Unternehmens, und macht dasselbe zu nichts weiter, denn einem wüsten Sammelsurium. Dieser Mangel wird nun keineswegs durch endlose statistische Zu sammenstellungen ausgewogen, vielmehr noch fühlbarer gemacht, denn bei geistigen Berechnungen zählt man nicht, sondern man wagt, und es ist sehr gleichgültig, wie viel Bogen Papier in einer der primitiver» Literatur der einzelnen Völker jährlich verdruckt wer-
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